Spur des Windes

Rezensiert von Lutz Bunk |
Der französische Romancier und literarische Sachbuchautor Érik Orsenna geht in seinem neuen Buch auf eine ungewöhnliche Entdeckungsreise: Er spürt dem Ursprung und dem Weg des Golfstroms nach. In einem sehr subjektiven und assoziativen Stil nimmt er den Leser mit auf eine höchst unterhaltsame Reise und erklärt ganz nebenbei die Zusammenhänge zwischen Erdrotation und den Meeresströmungen.
Man kennt ihn als Autor zahlreicher Romane, den Franzosen Érik Orsenna. Neben seiner Arbeit als Romancier hat sich Orsenna allerdings auch einen Namen als literarischer Sachbuch-Autor gemacht. Mit seinen Miniaturen hat er sich auch in das Bewusstsein der deutschen Leser geschrieben, 2003 mit dem Buch "Portrait eines glücklichen Menschen - Der Gärtner von Versailles" und 2006 mit "Eine Geschichte der Welt in 9 Gitarren".

Nun hat Éric Orsenna, Mitglied der Académie Francaise und Prix Goncourt-Preisträger, ein neues Buch herausgebracht: "Lob des Golfstroms" heißt es. Gemeint ist natürlich jene warme Meeresströmung, die wie eine Zentralheizung verhindert, dass in Nordeuropa eiszeitliche Verhältnisse herrschen.

"Lob des Golfstroms" ist ein eigenwilliges Sachbuch. Orsenna selbst sagt: "Ich bin nicht Wissenschaftler, sondern Weltenbummler." Und so besteht auch dieses Buch zu einem großen Teil aus Reiseberichten, in die USA, nach Schottland und Norwegen usw. Und Orsenna schafft es dabei durchaus, klar und übersichtlich den Golfstrom wissenschaftlich zu beschreiben und dem Leser die Zusammenhänge zwischen der Rotation der Erdkugel, den Meeresströmungen, dem Wind und dem Klima plausibel zu machen.

Obwohl das ganze Buch vielleicht besser einen anderen Titel hätte, denn was ihn eigentlich in erster Linie interessiert, das ist das Phänomen der Meeresströmungen an sich und die Metapher "Wasser und Strom", ja am Ende des Buches entführt er den Leser in die Welt französischer Gärten und ihrer Wasserspiele und in die Welt des Feng Shui. Alles sehr charmant, wenn auch nicht sehr wissenschaftlich organisiert, aber das ist eben typisch für Orsennas subjektiven Stil.

Das ganze Buch ist sehr persönlich angelegt, Orsenna beginnt z.B. mit der Beschreibung seiner Familie. Er wuchs auf in der Bretagne an der Atlantikküste, wo es üblich war, beim Mittagsgebet nicht nur Gott zu danken, sondern auch dem Golfstrom, weil der der Bretagne ja bekanntlich ein mildes Klima gibt.

Gut lesbar bleibt Orsennas assoziativer Stil, weil er das Buch in sehr viele kleine und abgeschlossene Kapitel aufgeteilt hat, auch wenn er die wiederum bunt wie ein Kartenspiel mischt: Interviews mit Ozeanologen, Zitate von Schriftstellern wie Jules Verne, George Orwell oder Edgar Allen Poe, die eine besondere Beziehung zum Meer hatten, -ein sehr abwechslungsreiches Buch, seine Stärke ist der charmant-vergnügliche Plauderton.

"Lob des Golfstroms" von Éric Orsenna ist ein wundervolles Büchlein, eben eine Miniatur voller Charme und Witz, durchaus aufklärend, durchgehend sehr unterhaltsam -ein sehr schönes Geschenkbuch, und garantiert großartige Urlaubslektüre, besonders am Meer, gerade weil es so subjektiv und assoziativ ist, also durchaus ein Die-Seele-baumeln-lassen-Buch.

Érik Orsenna: Lob des Golfstroms
Übersetzt von Annette Lallemand
C. H. Beck Verlag 2006
239 Seiten, 17.90 €.