Ziemlich langweilig
Erik Neutschs "Spur der Steine" wurde in der DDR verboten. Jetzt wurde Roman am Rostocker Volkstheater für die Bühne adaptiert. Herausgekommen ist ein Song-Stück mit Folkrock-Musikern - dem es allerdings an dramaturgischer Spannung fehlt.
Nicht Nostalgie oder gar Ostalgie ist diese "Spur der Steine" am neuen Volkstheater in Rostock. Mit der Wiederbelebung des einst verbotenen DDR-Film-Klassikers von 1966 wird auch kein stimmungsvoll-mitreißendes Panorama aus halbwegs realistischer Erinnerung beschworen wie vor kurzem noch in Magdeburg. Die Dramaturgin Ilsedore Reinsberg und der neue Musiktheaterchef Albert Lang haben eine erstaunliche Methode gewählt, um die Geschichte neu zu erzählen. Sie entspinnt sich auf einer Großbaustelle in der jungen DDR zwischen dem prinzipiell unanpassbaren Zimmermann und Brigadier Hannes Balla, der jungen Ingenieurin Kati Klee und dem revoltierenden Polit-Funktionär Werner Horrath.
Weil das Rostocker Team der Fabel gleichzeitig dicht auf der Stein-Spur bleiben will (auch mit Bildern vom lokalen Wiederaufbau nach dem Krieg im Programmheft) und gleichzeitig so viel Distanz wie möglich schaffen muss, um fern vom Kitsch zu bleiben, modelt es das Material zum Song-Stück um. Das Quintett des lokalen Folkrock-Musikers Christian Kuzio steht im Mittelpunkt des Abends, und die Band verwandelt sich auch zur Brigaden-Bande um Balla.
Prompt strauchelt die Dramaturgie
Die tausend Roman-Seiten von Erik Neutsch sind in knappe Szenen aufgeteilt, die gesprochen oder gesungen werden Liedern. Die verblüffende Idee hat allerdings herbe Haken: Musiker neigen dazu, Songs immerzu mit acht oder sechzehn Takten Vorspiel zu versehen, um Akkorde und Rhythmen auszuprobieren und Stimmungen zu setzen - doch derweil stehen die Darstellerinnen und Darsteller (die aus der ersten Reihe auf die Bühne steigen) halt immer nur dumm rum. Prompt stolpert und strauchelt die Dramaturgie, Spannung fehlt völlig; die Story erlangt nie das nötige Theater-Timing. Zumal das Ensemble ja nicht spielt im engeren Sinne – wie an der Opernrampe liefern alle die jeweiligen Sprech-Gesänge ab.
So macht sich sofort Langeweile breit. Und die interessante Mischform aus Konzert und Theater für "Spur der Steine" wird dem neuen Rostocker Theaterchef Joachim Kümmritz wahrscheinlich auch nicht genug Munition liefern, um die von der theaterfeindlichen Kulturpolitik in der Stadt offenbar weiterhin gewollte Beerdigung des einstmals bedeutenden Rostocker Schauspiels irgendwie doch noch zu verhindern. Die Chancen stehen nicht besser nach dieser ersten richtigen Premiere der Saison – denn wo "Schauspiel" drauf steht, ist in Rostock kaum noch Schauspiel drin.