Sprungbrett in die Professionalität

Von Noemi Schneider · 18.02.2010
Bei den Filmfestspielen in Berlin nennt sich die Plattform zur Förderung des filmischen Nachwuchses "Berlinale Talent Campus". Mit dabei ist in diesem Jahr auch die georgische Filmemacherin Rusudan Pirveli.
"Tut mir leid, ich bin zu spät", atemlos kommt mir die kleine georgische Filmemacherin Rusudan Pirveli entgegengelaufen. Wie alle jungen Filmemacher auf der Berlinale ist sie im Stress, aber damit kennt sie sich aus. Bereits zweimal war hat sie am Talent Campus der Berlinale teilgenommen. 2008 stellte sie dort ihr erstes abendfüllendes Spielfilmprojekt "Susa" vor.

Jetzt ist der Film fertig und läuft in der Festivalsektion "Generation". In "Susa" zeichnet Rusudan Pirveli ein hoffnungsloses und düsteres Bild der georgischen Gegenwart.

"Ich habe auch zwei Filme gemacht, die Komödien sind. Ehrlich gesagt würde ich lieber Filme machen, die lustiger sind. Denn wenn man einen lustigen Film macht, fühlt man sich auch selbst besser. Wenn du eine traurige Geschichte erzählst, leidest du eigentlich die ganze Zeit, während du sie schreibst, während du drehst und dann noch wenn du sie schneidest, das ist manchmal ganz schön hart."

Rusudan Pirveli wird 1975 in Tiflis geboren, nach dem Abitur studiert sie Japanologie an der Tiblisi Universität. Beeindruckt von den Filmen der französischen Nouvelle Vague beginnt sie in den 90er-Jahren Filmregie zu studieren, zu einer Zeit, in der Filmemachen in Georgien alles andere als einfach ist.

"Es war eine ziemlich schwierige Zeit um zu studieren, denn die Sowjetunion hatte sich aufgelöst. Vorher konnte man noch jedes Jahr einen Film auf 35 Millimeter drehen und an Schneidetischen üben. Das war nun vorbei und die Zeit der Neuen Medien, der Videokamera war noch nicht da, deshalb gab es sehr wenig Möglichkeiten Filme zu realisieren.

Jedes Mal wenn wir einen Kurzfilm drehen wollten, war das eine große Herausforderung, denn wir mussten irgendwoher eine Kamera besorgen und alles andere und hatten riesige Probleme mit der Stromversorgung. Wenn der Film dann endlich fertig war, war das eine Heldentat."

Rusudans erste Filme sind Dokumentarfilme, überwiegend Porträts, erst später wendet sie sich fiktionalen Stoffen zu. Etwas haben alle ihre filmischen Arbeiten gemeinsam.

"Wenn ich an meine Filme denke, dann haben sie eigentlich alle etwas mit bestimmten politische und sozialen oder gesellschaftlichen Ereignissen zu tun. Zum Beispiel habe ich einen dreiminütigen Film namens "Neighbours" gemacht, eigentlich eine lustige Geschichte, aber in Wirklichkeit geht es um die politische Situation in Georgien. Dann habe ich einen Film über eine Frau gedreht, die in einem Raum eingeschlossen wird, während auf der Straße Wahlen stattfinden und eigentlich geht es darum.

In Georgien haben wir eigentlich dauernd Wahlen, diesen Film habe ich 2004 fertiggestellt und wir stecken immer noch in Wahlen. Ich erzähle nie etwas ohne den Hintergrund. Denn das ist es, was mich interessiert und auch beunruhigt. Ich will nicht einfach nur unterhalten, sondern zeigen, dass es wichtig ist, darüber nachzudenken."

Eine ganz große Rolle in ihren Filmen spielt ihre Heimat.

"Ich bin mit meinen Filmen viel auf internationale Festivals gereist und ich habe auch einige Zeit in Japan studiert und dort Filme gemacht und auch in anderen Ländern, aber leben wollte ich immer in Georgien. Ich weiß auch nicht genau, warum. Es ist ein Land der großen Gegensätze: eine wunderschöne Landschaft, wunderbare Restaurants, gutes Essen und auf der anderen Seite große soziale Probleme, ein Land zwischen Europa und Asien, zwischen Russland und der Türkei - es ist ein sehr interessanter Ort, um dort zu leben."

Ihr erster Langfilm erzählt die Geschichte des zwölfjährigen Susa, der schon lange kein Kind mehr sein darf. Sein Vater ist weg, die Mutter arbeitet in einer illegalen Schnapsbrennerei. Jeden Tag läuft Susa mit einem Rucksack voller Wodkaflaschen mehrere Kilometer in die Stadt und verkauft sie in kleinen Cafés, dunklen Kneipen, und Hinterzimmern an Prostituierte und Alkoholiker.

Film:
"Hast du alles dabei?
Ja."

Susa hat sich an die harten Bedingungen gewöhnt, den jugendlichen Straßenräubern zahlt er Schutzgeld, die Tricks um den Polizisten zu entwischen kennt er und doch träumt er davon, dass sein Vater endlich zurückkommt, die Familie in die Stadt zieht und alles besser wird.

"Der Drehbuchautor, ein junger Georgier, wollte ursprünglich etwas über Hoffnungen und Illusionen erzählen und darüber, dass jemand von außen kommt und dich rettet. Das ist schon so eine allgemeine Vorstellung, die die meisten Georgier haben. Also, irgendetwas muss passieren, und dann wird alles besser. Aber das jetzige Drehbuch konzentriert sich mehr auf den Jungen, der irgendwann zu verstehen beginnt, dass er der Einzige ist, der sein Leben ändern kann und nichts und niemand von außen."

Der Film endet mit einer eindrucksvollen Szene, zum ersten Mal in seinem Leben wehrt sich Susa.

"Das kann man schon als, ja, unsere Botschaft verstehen: Es ist nicht die Zeit zu warten oder zu hoffen, also irgendwelchen Illusionen nachzuhängen, sondern es ist die Zeit etwas zu verändern, Zeit, sich selbst zu verändern."

Rusudans nächstes Projekt spielt wieder in Georgien, aber diesmal geht es um die Erwachsenen.

"Das nächste Projekt, an dem ich gerade arbeite ist vollkommen anders. Es ist mehr eine Liebesgeschichte, allerdings auch mit sozialem Hintergrund und über Rebellion gegen die Verhältnisse, in denen man lebt. Es wird auch ein, hoffe ich, sehr emotionaler Film - aber er hat nichts mit Kindern zu tun, denn es ist gar nicht so leicht, mit Kindern zu arbeiten."