Spritziger Shakespeare
Das Edinburgh International Festival startete in diesem Jahr mit einem Klassiker: Die Wooster Group aus New York spielte „Hamlet“ vor Filmbildern einer Broadway-Inszenierung mit Richard Burton aus den 1960er-Jahren. Und diese Performance hatte Esprit.
Vor knapp hundert Jahren Jahren gründeten namhafte Künstler das Festival in Salzburg – nach dem Ersten Weltkrieg wollten sie den Friedens- und Verständigungsgedanken stärken. Aus dem gleichen Grund wurde das International Festival in Edinburgh aus der Taufe gehoben – nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947. Die Schotten orientierten sich am Muster Salzburgs, auch das Profil des Edinburgh International Festival ist eher konservativ, im Gegensatz etwa zum Festival d’Avignon.
Zur Zeit leitet Jonathan Mills das Edinburgh International Festival, ein Komponist und Kulturmanager aus Australien. Mills legt den Schwerpunkt auf Musik, aber er berücksichtigt neben Konzerten, Oper und Tanz auch das Schauspiel.
Gleich zu Anfang präsentierte das Festival im Schauspiel einen Klassiker, eigentlich den Klassiker der Englisch sprechenden Welt, Shakespeares „Hamlet“. Das Gastspiel der Wooster Group aus New York , eine Company, die für Avantgarde steht, hat eine originelle Art, sich „Hamlet“ zu nähern. Die Methode erläutert Scott Shepherd gleich zu Anfang des Spiels, noch ehe der eigentliche „Hamlet“ beginnt.
Zur Zeit leitet Jonathan Mills das Edinburgh International Festival, ein Komponist und Kulturmanager aus Australien. Mills legt den Schwerpunkt auf Musik, aber er berücksichtigt neben Konzerten, Oper und Tanz auch das Schauspiel.
Gleich zu Anfang präsentierte das Festival im Schauspiel einen Klassiker, eigentlich den Klassiker der Englisch sprechenden Welt, Shakespeares „Hamlet“. Das Gastspiel der Wooster Group aus New York , eine Company, die für Avantgarde steht, hat eine originelle Art, sich „Hamlet“ zu nähern. Die Methode erläutert Scott Shepherd gleich zu Anfang des Spiels, noch ehe der eigentliche „Hamlet“ beginnt.
Es ist was faul …
Die Wooster Group hat eine Inszenierung von 1964 ausgegraben, Richard Burton verkörperte am Broadway Hamlet. Die Aufführung wurde aufgezeichnet und in den Vereinigten Staaten in etwa 2000 Kinos gleichzeitig gespielt. Die Aufnahmen hat die Wooster Group gesichtet, bearbeitet und zur Grundlage der Aufführung unter der Leitung ihrer Regisseurin Elizabeth LeCompte gemacht. Wenn hinten, schwarz-weiß, wie ein Schatten, Richard Burton als Hamlet zweidimensional auf einer Leinwand umhergeistert, spielt vorn dreidimensional der souveräne Scott Shepherd den unglücklichen Dänenprinzen und ahmt das Spiel Burtons nach.
Das ist zunächst einmal wahnsinnig komisch, weil 1964 das ganze Ensemble am Broadway noch den alten hohen Staatstheaterton und ein vom Expressionismus geprägtes Gestenvokabular pflegte. Das erscheint den meisten Zuschauern heute nicht nur verstaubt, es klingt gekünstelt und sieht unwahr aus. Auch Fehler bei der Verfilmung werden mitgespielt, und wenn das Videoband rasch vorläuft, sprechen die Schauspieler verzerrt hell, der bekannte Mickey-Maus-Effekt. Es wird viel gelacht im Royal Lyceum.
Aber das Ensemble der Wooster-Group ist nicht ungerecht, Regisseurin LeCompte entdeckt auch Ansätze zu richtigeren, wahrhaftigeren Tönen. Aus der Kritik des Alten entwickeln die Schauspieler das Neue. Als Hamlet seinen berühmten Monolog spricht, lässt ihn Scott Shepherd in seiner ganzen Schönheit und Tiefgründigkeit leuchten: „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. – To be or not to be …“
Eine Inszenierung (nur) für Theaterhistoriker! – Ja, das ist ein berechtigter Einwand. Aber das Spiel hat durch seinen Humor und seine kritische Haltung auch Hinweise für alle auf unser gesellschaftliches und politisches Leben heute – wie Reden gehalten, Lügen als Wahrheit verkauft werden. Das ganze Spitzelwesen am Hof von Helsingör, das in der finalen Katastrophe endet, erinnert fatal an unsere Spioniererei heute, die bekannt, bestritten, heruntergespielt, dementiert und doch wieder enthüllt wird.
Es ist was faul im Staate Dänemark. Und das Spiel, eine einzige große Verfremdung im Sinne Brechts, macht auf die Inszenierung des Alltags aufmerksam – ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger, vielmehr mit Witz und Geist. Die Franzosen haben ein gutes Wort dafür: Esprit!
Das ist zunächst einmal wahnsinnig komisch, weil 1964 das ganze Ensemble am Broadway noch den alten hohen Staatstheaterton und ein vom Expressionismus geprägtes Gestenvokabular pflegte. Das erscheint den meisten Zuschauern heute nicht nur verstaubt, es klingt gekünstelt und sieht unwahr aus. Auch Fehler bei der Verfilmung werden mitgespielt, und wenn das Videoband rasch vorläuft, sprechen die Schauspieler verzerrt hell, der bekannte Mickey-Maus-Effekt. Es wird viel gelacht im Royal Lyceum.
Aber das Ensemble der Wooster-Group ist nicht ungerecht, Regisseurin LeCompte entdeckt auch Ansätze zu richtigeren, wahrhaftigeren Tönen. Aus der Kritik des Alten entwickeln die Schauspieler das Neue. Als Hamlet seinen berühmten Monolog spricht, lässt ihn Scott Shepherd in seiner ganzen Schönheit und Tiefgründigkeit leuchten: „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. – To be or not to be …“
Eine Inszenierung (nur) für Theaterhistoriker! – Ja, das ist ein berechtigter Einwand. Aber das Spiel hat durch seinen Humor und seine kritische Haltung auch Hinweise für alle auf unser gesellschaftliches und politisches Leben heute – wie Reden gehalten, Lügen als Wahrheit verkauft werden. Das ganze Spitzelwesen am Hof von Helsingör, das in der finalen Katastrophe endet, erinnert fatal an unsere Spioniererei heute, die bekannt, bestritten, heruntergespielt, dementiert und doch wieder enthüllt wird.
Es ist was faul im Staate Dänemark. Und das Spiel, eine einzige große Verfremdung im Sinne Brechts, macht auf die Inszenierung des Alltags aufmerksam – ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger, vielmehr mit Witz und Geist. Die Franzosen haben ein gutes Wort dafür: Esprit!
Wo Licht ist, ist Schatten
Einige Zuschauer waren wohl enttäuscht, weil dieser Hamlet sich so weit von einer klassischen Inszenierung entfernt hatte, nach der Pause blieben Plätze leer, die anderen waren begeistert. Die Edinburgher sind bei Beifall zurückhaltend, hier gab es laute Bravos – verdient.
Neben dem „Hamlet“ steht eine andere Schauspielproduktion am Anfang des Festivals, „Leaving Planet Earth“ – auf Deutsch vielleicht: „Den Planeten Erde verlassen“ – eine Antiutopie, in der die Zuschauer mitspielen. Aufführungsort ist an Edinburghs Peripherie ein kommunales Kletterzentrum – eine Schnapsidee, dort zu agieren, wie sich rasch herausstellte.
Das Publikum wurde von Station zu Station geführt und kletterte Treppen rauf & runter – so dass jeder Zusammenhang des Spiels zerrissen wurde. Für das Bühnenbild ergaben sich unlösbare Aufgaben, Pappmaché blieb als vorherrschender Gesamteindruck – dem Projekt lag zudem ein naiver Text zu Grunde, es scheiterte desaströs. „Leaving Planet Earth“ beschreibt nicht nur eine Katastrophe, es ist selber eine.
So war der Auftakt zumindest im Schauspiel uneinheitlich – das Edinburgh International Festival 2013 hat im künstlerischen Niveau noch Raum nach oben: Es dauert noch bis zum 1. September.
Neben dem „Hamlet“ steht eine andere Schauspielproduktion am Anfang des Festivals, „Leaving Planet Earth“ – auf Deutsch vielleicht: „Den Planeten Erde verlassen“ – eine Antiutopie, in der die Zuschauer mitspielen. Aufführungsort ist an Edinburghs Peripherie ein kommunales Kletterzentrum – eine Schnapsidee, dort zu agieren, wie sich rasch herausstellte.
Das Publikum wurde von Station zu Station geführt und kletterte Treppen rauf & runter – so dass jeder Zusammenhang des Spiels zerrissen wurde. Für das Bühnenbild ergaben sich unlösbare Aufgaben, Pappmaché blieb als vorherrschender Gesamteindruck – dem Projekt lag zudem ein naiver Text zu Grunde, es scheiterte desaströs. „Leaving Planet Earth“ beschreibt nicht nur eine Katastrophe, es ist selber eine.
So war der Auftakt zumindest im Schauspiel uneinheitlich – das Edinburgh International Festival 2013 hat im künstlerischen Niveau noch Raum nach oben: Es dauert noch bis zum 1. September.