Sprachkritik

    "Gutmensch" ist Unwort des Jahres

    "Gutmensch" steht nach der Bekanntgabe als "Unwort des Jahres 2015" auf einem Computerbildschirm.
    "Gutmensch" ist Unwort des Jahres 2015 © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
    12.01.2016
    Der Begriff "Gutmensch" ist das "Unwort des Jahres" 2015. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass insbesondere diejenigen als "Gutmenschen" beschimpft werden, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen.
    Mit dem Vorwurf "Gutmensch" würden Toleranz und Hilfsbereitschaft "pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert", so die Jury in ihrer Begründung.
    "Der Ausdruck 'Gutmensch' floriert dabei nicht mehr nur im rechtspopulistischen Lager als Kampfbegriff, sondern wird auch von Journalisten in Leitmedien als Pauschalkritik an einem 'Konformismus des Guten' benutzt."
    Die Verwendung dieses Ausdrucks verhindere einen demokratischen Austausch von Sachargumenten. Die Plätze zwei und drei gingen an die Begriffe "Hausaufgaben" und "Verschwulung".
    Bis Ende Dezember waren bei der Jury mehr als 1.600 Einsendungen zu insgesamt 669 verschiedenen Vorschlägen ein, wie eine Sprecherin sagte. An der Spitze lag demnach der Begriff "Lärmpause/Fluglärmpause" mit 165 Nennungen, hieß es. Dies sei aber zum Teil auf eine Kampagne zurückzuführen. Dahinter folgten die Wörter und Wendungen "Willkommenskultur" (113), der Sieger "Gutmenschentum/Gutbürger" (64), "besorgte Bürger/besorgter Bürger" (58), "Grexit" (47), "Wir schaffen das!"/"Wir schaffen das schon!" (46) und "Flüchtlingskrise" (42).
    Die Jury entschied unabhängig und richtet sich nicht nach der Häufigkeit der Vorschläge. Sie besteht aus vier SprachwissenschaftlerInnen und einem Journalisten, und sie wurde dieses Jahr außerdem durch den Kabarettisten Georg Schramm ergänzt.
    Von "ausländerfrei" bis "Lügenpresse"
    Das erste Unwort lautete 1991 "ausländerfrei", eine Parole aus den fremdenfeindlichen Übergriffen von Hoyerswerda im selben Jahr. Im vergangenen Jahr brachte es der Ausdruck "Lügenpresse" zu der zweifelhaften Ehre. Die Unwörter der vergangenen Jahre waren:
    2014, "Lügenpresse": Diese pauschale Verurteilung "verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit", sagte die Jury.
    2013, "Sozialtourismus": Der Ausdruck diskriminiert laut Jury Menschen, "die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu".
    2012, "Opfer-Abo": Das Schlagwort hatte Wetter-Moderator Jörg Kachelmann geprägt. Er meinte damit, dass Frauen immer wieder die Opferrolle zugesprochen werde. Die Jury kritisierte, der Begriff stelle Frauen pauschal unter den Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und damit selbst Täterinnen zu sein.
    2011, "Döner-Morde": Dieser Begriff war für die Mordserie der rechtsextremistischen NSU-Terroristen verwendet worden. Mit der "sachlich unangemessenen, folkloristisch-stereotypen Etikettierung" würden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt, erklärte die Jury.
    2010, "Alternativlos": Das Wort suggeriere zu Unrecht, dass keine Diskussion mehr notwendig sei.
    2009, "Betriebsratsverseucht": Damit würden Arbeitnehmer-Interessen in völlig unangemessener Weise als Seuche dargestellt.
    2008, "Notleidende Banken": Der Begriff stelle das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise auf den Kopf.
    (nch/jcs)

    Programmtipp: Wir sprechen in unserer Sendung Studio 9 am Mittag ab 12.05 Uhr mit dem ehemaligen Bischof Wolfgang Huber über das Unwort des Jahres.

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