Sportpionier auch für Führer und Vaterland?

Von Günter Herkel |
Lange wurde er gefeiert als Gründungsvater des organisierten deutschen Sports, als Erfinder des Sportabzeichens und des olympischen Fackellaufs. Der 1962 gestorbene Carl Diem war vom Kaiserreich bis in die Frühphase der Bundesrepublik der wichtigste deutsche Sportfunktionär. Doch seit Mitte der 80er Jahre hat dieses Denkmal Kratzer bekommen. Ins Zwielicht geraten ist Diems Rolle in der NS-Zeit.
Antisemitische Äußerungen, auch eine "Durchhalterede" wenige Wochen vor der deutschen Kapitulation legen nahe, dass Diem sich intensiver für das NS-Regime engagiert hat als bislang bekannt. Über die Bewertung seiner Person ist es zu einem regelrechten Historikerstreit gekommen.

Die Anhänger Diems halten am Bild des verdienten Sportfunktionärs fest, räumen allenfalls gelegentliches opportunistisches Fehlverhalten ein. Die Kritiker halten diese Position für nicht haltbar. Diem habe schon im Kaiserreich antisemitische Klischees bedient, sei früh über den Holocaust informiert gewesen und habe nach dem Krieg keine Reue gezeigt, sondern sich als Opfer des Hitler-Regimes stilisiert. Der "Fall Diem" - ein Lehrstück über die Schwierigkeiten des Sports und der Sportwissenschaft, die eigene Vergangenheit zu bewältigen.

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