"Wenn Sie ein sehr guter Profi sind, werden sie Millionär"
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Die Bälle sind kleiner als beim Pool-Billard. Nicht nur deshalb erfordert Snooker eine hohe Präzision. Bei der WM in Sheffield haben Deutsche nichts zu melden – trotzdem schauen hierzulande viele zu. Sport-Journalist Rolf Kalb erklärt die Faszination.
Jörg Degenhardt: Die einen finden es langweilig und schwer verständlich, andere sind wiederum begeistert, können stundenlang zuschauen beim Snooker, auch Gentleman’s Game genannt. Gerade befinden sich in Sheffield die Weltmeisterschaft gewissermaßen auf der Zielgeraden, für uns der Grund, ein bisschen genauer hinzuschauen, was es mit dieser Sportart auf sich hat, einer Sportart, in der übrigens die Deutschen gar nichts zu melden haben, obwohl sie im Fernsehen das Ganze gerne verfolgen. Auch darüber habe ich mit Rolf Kalb gesprochen. Er gilt als Stimme des Snooker hierzulande, arbeitet, wie jetzt auch gerade wieder, als Fernsehkommentator und ist Autor, von ihm gibt es das Buch "Die faszinierende Welt des Snooker". Herr Kalb, können Sie uns in drei Sätzen sagen, was am Snooker für Sie so faszinierend ist?
Rolf Kalb: Also ich könnte da sehr, sehr lange drüber reden, aber um es mal kurz zusammenzufassen: Snooker ist im Idealfall eine Kette vieler verschiedener kleiner Dramen und Spannungsmomente, die sich am Ende zu einem grandiosen Spannungsbogen vereinigen können.
Degenhardt: Das klingt schon mal sehr vielversprechend. Was unterscheidet Snooker vom Billard, das ja viele kennen?
Kalb: Den meisten fällt sofort immer auf, dass der Tisch viel größer ist und die Bälle beim Snooker kleiner sind als beim Pool-Billard, was auch stimmt. Der gravierende Unterschied ist allerdings der Zuschnitt der Taschen. Auf einem Pool-Billardtisch ist der Tascheneinlauf gerade geschnitten: Auf einem Snooker-Tisch ist der Tascheneinlauf rund geschnitten. Und das erfordert ein viel höheres Maß an Präzision, denn wenn auf einem Pool-Tisch ein Ball in diesem Kanal ist, der zur Tasche führt, dann kann er da nicht mehr raus, dann gibt es nur noch eine Richtung, in die er laufen kann, nämlich in die Tasche. Auf einem Snooker-Tisch passiert genau das, was man auch vom Fußball mit runden Torpfosten kennt: Der Ball wird nämlich wieder auf die Spielfläche zurückgeworfen. Der Normalfall ist, dass der so ein paar Mal hin und her springt, Backe links, Backe rechts, und dann wird der wieder auf den Tisch zurückgeworfen. Man muss also sehr präzise die Öffnung der Tasche treffen.
"Durchaus physisch anstrengend"
Degenhardt: Und morgen steigt nun in Sheffield das Finale. Ist das generell so bei diesem Sport, dass über Sieg oder Niederlage vor allem im Kopf entschieden wird? Denn so ganz viel bewegt man sich ja nicht beim Snooker.
Kalb: Man bewegt sich nicht viel, trotzdem: Es ist ein Sport, der mental sehr, sehr viel von den Sportlern verlangt, der von daher auch durchaus physisch anstrengend ist. Nicht umsonst ist es in der Weltspitze mittlerweile üblich, dass die Spieler in der Regel eigene Fitnesstrainer haben, weil ganz einfach die körperliche Fitness die Voraussetzung ist, um erfolgreich sein zu können. Aber Sie haben natürlich recht: Snooker spielen können die alle, die bei der Weltmeisterschaft dabei sind, und zwar auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Den Unterschied macht der Kopf aus: Wer mental stärker ist, der wird am Ende das Match gewinnen und der wird am Ende auch den Titel holen.
Degenhardt: Wie lange könnte so ein Match dauern?
Kalb: Das kann sich hinziehen. Wir haben also schon einmal WM-Finals erlebt, die über 13, 14 Stunden gingen, das Ganze dann natürlich verteilt auf zwei Tage, auf vier Sessions, sodass natürlich Ruhephasen es auch dazwischen gibt.
"Der deutsche Snooker-Teich ist ein sehr, sehr kleiner"
Degenhardt: Sie haben die letzten Tage, ja, Wochen, kann man sagen, seit dem 20. April aus Sheffield berichtet. Der Sportsender Europort wird, wenn die WM vorbei ist, mehr als 150 Stunden live aus Sheffield übertragen haben. Der Sport scheint also viele in Deutschland zu faszinieren. Aber ein Deutscher war bei der WM nicht am Start. Sind wir so schlecht?
Kalb: Man muss sich drüber im Klaren sein, dass der deutsche Snooker-Teich ein sehr, sehr kleiner ist. Und wenn jemand in diesem kleinen Teich ein großer Fisch ist, dann aber in den großen Ozean der internationalen Sportwelt kommt, erst recht in den Ozean des Profisportes, dann ist er plötzlich wieder ein ziemlich kleiner Fisch. Es ist ganz einfach so, dass wir bei uns in Deutschland leider Gottes nicht die Strukturen haben, die den Spielerinnen und Spielern diese Wettkampfhärte vermitteln, die man auf internationalem Niveau braucht, erst recht auf Profiniveau braucht. Das ist eine relativ lange und schwere Entwicklung. Wir haben zwei deutsche Spieler auf der Main Tour, Lukas Kleckers und Simon Lichtenberg, aber den Durchbruch in die absolute Weltspitze haben sie nicht geschafft, und beide sind auch in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft gescheitert.
Degenhardt: Von wegen Profisport: Einer der Favoriten, Ronnie O’Sullivan, ist gegen einen jungen Amateur ausgeschieden. Das geht also auch.
Kalb: Das geht auch. Das war natürlich eine Sensation, aber es ist möglich, wobei man sagen muss: Der James Cahill, gegen den Ronnie O’Sullivan ausgeschieden ist, ist pro forma ein Amateur – er hat schon mehrere Jahre auf der Main Tour gespielt, er arbeitet professionell, er hat ein Team um sich, er hat Trainer und, und, und. Er hat einen wunderbaren Tag erwischt, eine absolute Glanzleistung, Ronnie O’Sullivan hat einen schlechten Tag erwischt, und dann kann auch so was mal passieren. Auch für die großen Namen ist der Sieg nicht garantiert. Und das gehört ja zur Faszination Sport dazu generell und natürlich auch zur Faszination Snooker.
Erfunden in englischen Offizierskasinos
Degenhardt: Überhaupt, was sind das für Leute, die diesen Sport pflegen, ja erstens überwiegend Männer und sie kommen aus dem englischsprachigen Raum, richtig?
Kalb: Es wird immer internationaler, also es sind immer mehr Länder vertreten, der asiatische Raum sehr stark, Thailand, China vor allem. Wir hatten einen australischen Weltmeister.
Degenhardt: Einen Chinesen, glaube ich, auch.
Kalb: Einen chinesischen Weltmeister hatten wir noch nicht, nein.
Degenhardt: Zumindest im Endspiel.
Kalb: Im Endspiel ja, Ding Junhui. Ding Junhui, muss man dazu sagen, ist ungeheuer populär in seiner Heimat, in der Volksrepublik China. Alle Kollegen von dort, mit denen ich darüber spreche, sagen, der gehört zu den fünf populärsten Sportlern in der Volksrepublik China. Daran sieht man, welches Niveau der Snooker-Sport dort hat. Es ist also wirklich eine internationale Welt geworden. Aber natürlich ist Snooker ein Sport, der erfunden wurde in englischen Offizierskasinos und der seine Wurzeln in Großbritannien hat und dementsprechend dort auch noch sehr, sehr stark ist.
Degenhardt: Und was gibt es da für ein Publikum in der Regel? Ist das ähnlich wie beim Dart, also feste Fankreise, Stammzuschauer? Wie ist das jetzt bei der Weltmeisterschaft in Sheffield?
Kalb: Das ist gemischt. Natürlich gibt es da auch ein Stammpublikum, das ist keine Frage. Aber die Altersstruktur ist gemischt. Ich sehe es auch bei den Veranstaltungen in Deutschland, es sind ältere Menschen, die sich begeistern, da sind aber auch ganz, ganz junge Menschen. Es ist also wirklich ein Sport für jedermann.
Degenhardt: Und man kann, wenn man Profi ist, gut Geld verdienen damit, mit Snooker?
Kalb: Wenn Sie ein sehr guter Profi sind, werden sie Millionär. Man muss sich vergegenwärtigen: Der Weltmeister am Montag jetzt bekommt einen Scheck über 500.000 Pfund. Das ist eine stolze Summe.
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