Sportart Aerial Silks

Für Körper und Geist

04:42 Minuten
Eine junge Frau trainiert am Aerial Silk Tuch in der Natur. (Symbolfoto)
An Seide durch die Luft zu schweben, ist weltweit ein beliebtes Fitnesstraining geworden. (Symbolfoto) © imago images/Cavan Images
Von Elmar Krämer · 08.11.2020
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Wie ein Akrobat durch die Luft zu fliegen, gehört nicht gerade zum normalen Fitnesstraining. Aerial Silks dient aber nicht nur der körperlichen Beweglichkeit. Für die Übungen an meterlangen Seidentüchern braucht man etwas Mut, eigene Grenzen zu überwinden.
"Wir gehen zur Startposition: Schritt nach oben, dann Tuch umwickeln, Kopf nach unten dreimal für Bauchmuskeln hoch und wieder nach oben."
Von der Decke hängen lange bunte Tücher – was elegant aussieht. Nicht minder elegant und vor allem artistisch ist das, was die Frauen und ein paar wenige Männer in der Internationalen Varieté Akademie an diesen Tüchern trainieren. Die IVA ist ein Sportstudio der besonderen Art in Berlin-Kreuzberg
"Im Prinzip Zirkus für jedermann", sagt Petra Lange, die als Artistin überall auf der Welt in der Manege stand beziehungsweise durch die Manege schwebte. Sie ist eine der Haupttrainerinnen hier und bietet unter anderem "Aerial Silks"-Kurse an. Das heißt: An einem circa sechs Meter langen Tuch der Decke entgegen zu klettern, sich in diesem zu verwickeln, akrobatische Haltungen einzunehmen, fließende Übergänge zu finden, sich fallen und vom Tuch wieder auffangen zu lassen.

Luftige Alternative zu Yoga

Schwerelos sieht das bei Petra Lange aus. Klar, dass das ein weiter Weg dahin war. "Man muss auch Schweiß mögen, ab und zu gibt es mal ein paar blaue Flecken – also, es ist schon ein herausforderndes Training", sagt sie.
Eine Trainerin weist ihre Schülerin an, die beim Aerial-Silks-Training kopfüber in einem langen Tuch hängt.
Die Schwerkraft des eigenen Körpers überwinden: Die Berlinerin Katharina Völker und ihre Trainerin Petra Lange beim Aerial-Silks-Training.© Deutschlandradio / Elmar Krämer
Dennoch kann das, was nach Leistungssport für Zirkusleute klingt, auch für ungeübte Sportinteressierte zu einer süchtig und äußerst fit machenden Alternative zu Yoga oder gängigem Krafttraining werden, sagt Katharina Völker. Sie ist seit drei Jahren dabei und hatte keinerlei Vorerfahrungen.
"Nee, ich habe, als ich damit angefangen habe, überhaupt keinen Sport gemacht. Ich habe mit dem Sport Sport gemacht und habe angefangen regelmäßig zu trainieren. Und das ist so ein Sport, bei dem ich freiwillig sage: Ich kann heute nicht, ich habe Training."

Kraft, Körperspannung, Beweglichkeit

Die Füße vom Boden und den Körper in die Luft zu bekommen, stellt die erste Herausforderung dar: Es gibt verschiedene Techniken, das Tuch zwischen die Füße zu klemmen und sich dann in Richtung Decke zu drücken.
"Und wenn man das geschafft hat, dann fängt man an, sich einzuwickeln, kopfüber zu gehen, also sich an den Armen zu halten und den Körper umzudrehen und zu hängen", erläutert Petra Lange. "Dann geht es weiter, und man hängt an den Knien und lässt los. Man hängt kopfüber und hängt freihändig."
Beim Aerial Silks werden Kraft, Körperspannung, Beweglichkeit und Koordination trainiert. Es gibt dabei kein vorgegebenes Tempo und der Erfolg stellt sich nach einiger Zeit fast von alleine ein.
"Es ist ein Ganzkörpertraining für alle Alter", sagt Petra Lange. "Man ist nie zu jung oder zu alt, man macht die Fortschritte so schnell oder so langsam, wie es für einen passt."

"Auf einmal schafft man es"

Katharina Völker beschreibt es so: "Man geht bei diesem Sport immer über Grenzen. Man fängt an und denkt, das schaffe ich niemals, was die da in zwei, drei Jahren schaffen und dann: Auf einmal schafft man es, weil man halt trainiert hat und man muss schon selber diesen Biss haben. Aber ich glaube, wenn man sich in diesen Sport verliebt, hat man den Biss. Und dann in zwei Jahren merkt man: Okay, ich habe eine neue Grenze und dann sieht man, was die Nächsten machen und sieht auch selber: Das kann ich auf einmal, jetzt will ich das können – man wächst permanent über sich hinaus."
Junge Frauen nehmen an einem Aerial Silk Training an der Moskauer ArtArea Project School of Aerial Gymnastics teil.
Graziös wie Balletttänzerinnen: Aerial-Silks-Sportlerinnen an einer Sportschule in Moskau.© picture alliance / TASS / Artyom Geodakyan
Und das nicht nur körperlich – die Höhe, das Vertrauen in das Material und die steigende Dynamik der Bewegungen, das Fallenlassen aus luftiger Höhe und das Abfangen auch mal erst kurz über dem Boden, all das bedarf einer großen Portion Selbstvertrauen.
"Wenn man oben ist und man muss sich fallen lassen. Und man weiß eigentlich, man ist gut eingewickelt, es kann nichts passieren, der Trainer steht unten und sagt 'Du kannst das!', dann hänge ich da oben und sage: 'Ich kann es nicht.' Wenn ich Sachen sonst mache und mich da reinhänge, an einem Fuß hänge, ich vertraue dem Tuch komplett, ich habe die Hände weg, ich weiß, ich bin sicher und das ist jetzt so das nächste Ziel, dass wenn ich oben einen Abfaller mache, ich da dann auch noch mehr dem Tuch vertraue bzw. noch mehr eins mit dem Tuch bin, dass ich das mache, was ich will und mir das Tuch dabei hilft."

Effizientes Training für Körper und Geist

So werden die bunten Tücher, die beim Aerial Silks von der Decke hängen zu einem effizienten Trainingsgerät für Körper und Geist und das auch noch mit äußerst ästhetischer Wirkung und fast tänzerischer Anmutung.
Petra Lange ist überzeugt: "Es gibt eigentlich keine Grenzen, solange man diszipliniert trainiert und gut wird in dem, was man macht."
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