Kicken im Gehen

Walking Football macht Sport bis ins hohe Alter möglich

05:32 Minuten
Ältere Männer spielen auf einem Fußballfeld Fußball.
Seit 2019 hat der Berliner Fußballklub FV Wannsee eine Walking-Football-Abteilung. © Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch
Von Wolf-Sören Treusch · 16.04.2023
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Es darf nicht gerannt und Körperkontakt soll vermieden werden: Vieles, was man am Fußball kennt, ist beim Walking Football verboten. Was sich zunächst langweilig anhört, findet gerade unter älteren Menschen mit Beschwerden immer mehr Zuspruch.
"Walking Football ist Fußballspielen im Gehen, wobei man wirklich nur geht und nicht rennt oder läuft …"
Regel Nummer eins: Ein Fuß muss immer den Boden berühren.
Regel Nummer zwei: Foulspiel verboten! Oder wie Gehfußballer es formulieren:
"Dass man körperliche Kontakte unterlässt, denn die meisten haben körperliche Einschränkungen wie Herzinfarkte, überstandene Herzinfarkte, Schlaganfälle, Gelenkschäden, künstliche Gelenke und so weiter."

Spieler foulen aus Versehen

Doch so ganz körperlos ist auch Walking Football nicht. Spieler foulen aus Versehen, weil sie altersbedingt in ihren Bewegungsabläufen eingeschränkt sind.

Seit 2019 hat der Berliner Fußballklub FV Wannsee eine Walking-Football-Abteilung. Ins Leben gerufen hat sie Michael Raetsch, 78. Wegen diverser körperlicher Beeinträchtigungen hatte er eigentlich beschlossen, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.
"Dann hat der Arzt allerdings bei mir Diabetes festgestellt und das erfordert wieder viel Bewegung - und insofern bin ich zum Walking Football gekommen."

Der älteste Spieler ist 80 Jahre alt

Über ein Zeitungsinserat fand er seine Mitspieler. Und hat nun eine Truppe von 22 Mann beisammen, der jüngste 60, der älteste 80 - darunter blutige Anfänger wie Michael Pons.

Insgeheim war es eigentlich immer mein Wunsch, mal in einer Fußballmannschaft zu spielen. Als Kind ist mir das verwehrt geblieben, weil meine Eltern dagegen waren - und jetzt habe ich im hohen Alter dann die Chance gesehen. Ich war natürlich aufgeregt, habe gesagt: Nimm mal den Mut zusammen, mache es und habe dann gesagt: Das ist eigentlich genau das Richtige: Ich bin am Ball, ich bin in einem Team: Es macht einfach Spaß.

Walking-Football-Spieler Michael Pons

Auch erfahrene Fußballer sind dabei

Aber es sind auch erfahrene Fußballer dabei wie Ralf Messer, der 2020 einen Schlaganfall hatte und froh ist, überhaupt noch am Leben zu sein.
"Ich bin jetzt noch kurzatmig, ich habe Probleme mit Bluthochdruck, und wenn ich richtig Gas gebe, das geht nicht mehr. Ich war Jahre lang Trainer, 20 Jahre lang Trainer im Jugendbereich, aktiver Fußballer seit 50 Jahren - und irgendwie fragt man sich dann natürlich hinterher: Was kannst du denn sportlich noch machen? Also Walking Fußball: Toll, dass es das gibt."
Der Deutsche Fußball-Bund hat den FV Wannsee dafür mit der Sepp-Herberger-Urkunde ausgezeichnet. In Anerkennung der Verdienste um die Integration beeinträchtigter Fußballspieler, wie es in der Begründung heißt.
Ältere Männer stehen auf einem Fußballfeld zu einem Gruppefoto zusammen.
Auszeichnung für eine gelungene Integration beeinträchtigter Fußballspieler: Die Gehfußballer vom FV Wannsee sind mit der Sepp-Herberger-Urkunde geehrt worden.© Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch
Schatzmeisterin Miriam Röser ist stolz auf ihre Walking-Fußballer:
"Ich bin total beeindruckt von dem, was die Herren hier bewegen - und die Präsenz, die sie haben, und auch die Aufmerksamkeit, die sie bekommen für diese neue Form von Fußball, ich finde es total toll."

In Berlin gibt es zwölf Walking-Football-Teams

In der Hauptstadt spielen mittlerweile zwölf Mannschaften Walking Fußball. Nicht so viele wie in Großbritannien, dort sind es um die 1000, aber es werden langsam mehr.
Der Berliner Fußball-Verband fördert die Gründung von Gehfußballmannschaften. Philipp Reis, ehemals Inklusionsbeauftragter des Verbands, bietet zum Beispiel Kurzschulungen zum Walking Football an.

Man kann da auch im hohen Alter noch lernen, und Technik, Passen ist das Wichtige beim Walking Fußball. Das heißt: Passübungen gehören zu jeder Trainingseinheit dazu, und dann immer was, wo alle viel am Ball sind.

Philipp Reis, Ex-Inklusionsbeauftragter des Berliner Fußball-Verbandes

Bloß nicht frei laufen, erklärt er den Teilnehmern, frei gehen ist die oberste Devise. Ein Pass in den freien Raum oder in die Schnittstelle der Abwehr: zwecklos.
Stefan Sielschott, 44, musste in jungen Jahren wegen Knie- und Hüftproblemen mit dem Fußball aufhören, nun traut er sich wieder.
"Zufällig habe ich was im Fernsehen gesehen über Walking Football und dachte, das könnte was für mich sein, habe das einmal ausprobiert in Mariendorf, hat viel Spaß gemacht, und dann lag es nahe, zu sagen: Ja gut, vielleicht kann ich das ja in unserem Heimatverein, bei mir vor der Tür im Kiez, vielleicht können wir da was an den Start bringen und auch eine Gruppe aufbauen."

Großer Erfolg in England

Es hat geklappt. Mittlerweile kickt er in seinem Verein  BSC Kickers Schöneberg mit 20 anderen Männern und zwei Frauen gehend gegen den Ball.
Und Fußballtrainer Philipp Reis ist überzeugt: Walking Football wird noch viele begeistern.

„Man denkt dann: Man geht ein bisschen spazieren und spielt sich den Ball hin und her. Das macht aber keinen Spaß. Sobald man es selbst ausprobiert und nach zehn Minuten spielen und schnell gehen über den Platz wirklich außer Atem ist, und beim Tore schießen genau die gleiche Freude hat wie beim regulären Fußball auch, da ist dann bei mir der Funke übergesprungen. Und dann dachte ich: Wenn es in England so ein großer Erfolg ist, warum soll es nicht in Berlin ein großer Erfolg werden?“

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