Sport-Memorabilien

Die vielleicht kleinste Fußballausstellung Deutschlands

Mit einem 3:2-Sieg über Ungarn im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern gewann Deutschland am 4. Juli 1954 den Titel.
Legendäres WM-Endspiel in Bern - in Tabarz gibt es eine Original-Eintrittskarte von 1954 mit Helmut-Rahn-Autogramm zu sehen. © picture-alliance / dpa
Von Wolf-Sören Treusch · 28.02.2015
Viel Platz ist nicht im umgebauten Kuhstall. Aber im Fußballmuseum im Thüringer Wald gibt es Sportgeschichte zum Anfassen: ein handgenähter Fußball von 1910, eine Eintrittskarte vom WM-Finale 1954 in Bern - und ein schlichter Koffer enthüllt einen wahren Schatz.
Zwei Räume, acht Vitrinen, unzählige Fotos, Trikots und Zeitungsausschnitte an den Wänden: das ist die 'Fußballzeitreise' in Tabarz, einem Ort mit etwa 4000 Einwohnern, mitten in Deutschland. Und mit Fußballgeschichte zum Anfassen.
Danny: "Geht bisschen schwerer wie ne andere Pumpe."
Marcel Wedow: "Ja, ist ja ne Gummiblase auch drinne."
Sören: "Also es ist auf jeden Fall ein Unterschied." (Luft entweicht)
Drei 14-jährige Besucher lassen sich von Marcel Wedow, dem Betreiber des Museums, einen originalen Handkompressor aus dem Jahre 1910 vorführen.
"Dann hat man sich hier vorne die Nadel drauf geschraubt, und dann hat man die Bälle aufpumpen können. Also da steckt richtig Druck dahinter. Und in dem Ball ist halt diese Gummiblase, dann wurde die umgeknickt, gebunden, und dann wurde der Ball wie eine Operationsnaht zugenäht."
Die meisten Ausstellungsstücke sind aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Aus Ost und West. Die jungen Besucher sind irritiert, die Fülle des Materials scheint sie zu überfordern. Seit 2006 sammelt Marcel Wedow. Anfangs, erzählt er, habe er seine Andenken noch in der Wohnstube platziert.
"Dann hat es nachher sich so rumgesprochen, dass wildfremde Leute an der Tür geklingelt haben, haben gesagt: 'Mensch, ich würde gern das mal sehen, was du da gesammelt hast', und dann sind die quer durch die Stube marschiert, und meine Frau, die stand dann am Bügelbrett und hat mit großen Augen geguckt: 'wer ist das jetzt schon wieder, der an ihr vorbei läuft', und irgendwann hat sie gesagt: 'jetzt ist Schluss'."
Also baute er den alten Kuhstall aus. Auf 25 Quadratmetern betreibt er seither die vielleicht kleinste Fußballausstellung Deutschlands. Sonntagvormittags ist geöffnet, 1500 Besucher waren schon da.
"Das sind alles Originalsachen, das sind auch Dinge von ehemaligen berühmten Fußballern, es sind keine Kopien, alles das, was ihr seht, das nennt man in Fachkreisen Memorabilien. Und jedes einzelne Teil, jedes einzelne Bild hat hier seine Geschichte."
Ein Autogramm vom WM-Siegtorschützen Helmut Rahn
Vor allem die WM 1954 hat es Marcel Wedow angetan. In einer der Vitrinen liegt ein Autogramm von Helmut Rahn. Er bekam es von einem Ehepaar, das den Siegtorschützen gegen die Ungarn zufällig per Autostop mitnahm.
"Das ist die Original-Eintrittskarte vom Finale in Bern. 1954. – Alter."
Dann erzählt er von Werten wie Kameradschaft, Zusammenhalt und Disziplin, ohne die das Wunder von Bern niemals möglich gewesen wäre. Auch da hören die drei jugendlichen Besucher gebannt zu. Darum sind sie hier. Sie bereiten gerade ihre Abschlusspräsentation in der Zehnten Klasse vor. Thema: die Geschichte des deutschen Fußballs.
"Sepp Herberger, was wisst ihr über Sepp Herberger? Den Trainer, wisst ihr da was? – Das Zitat. – Ja, erzähl! – 'Der Ball ist rund' und 'ein Spiel dauert 90 Minuten'. – Richtig. Und da gibt es noch mehrere Zitate, er nannte es nämlich Kernsätze."
'Nach dem Spiel ist vor dem Spiel', 'das nächste Spiel ist immer das schwerste': Sätze, die auch die Jugendlichen kennen. Sie sind selbst aktive Fußballer.
"Mit diesen Schuhen haben zum Beispiel die Ungarn gespielt. Im Endspiel. Das sind die genagelten Stollen. Nehmt sie mal ruhig in die Hand, auch wenn sie dreckig sind, das ist nur alte Erde, …"
Die Fußballschuhe sind schwer, das haben die jungen Besucher jetzt nicht erwartet. Sie sind verblüfft.
"Das ist das Gute bei uns, das ist jetzt nicht wie nachher in Dortmund, das angehende Fußballmuseum, dass ihr dann euch die Nasen platt drückt vor den Vitrinen, hier kann man Fußballgeschichte anfassen und spüren. Und das ist ganz wichtig. Gerade wenn es um junge Leute geht wie ihr es seid, wo Fußballgeschichte doch irgendwo ein kleines Fremdwort dann ist."
"Diese Vitrine, die verbirgt einen richtigen Schatz."
Glücksfund bei einer Antiquitätenhändlerin
Marcel Wedow zeigt auf einen schmucklosen braunen Koffer. Neugierig betrachten ihn die jungen Besucher. Der stand hundert Kilometer entfernt bei einer Antiquitätenhändlerin zum Verkauf, erzählt Marcel.
"Dann bin ich dorthin gefahren, die Frau hat den aufgemacht, und ich habe gedacht, ich dreh durch. Das ist der Koffer von Joachim Henschel, das war der Busfahrer von der Nationalmannschaft von der WM 1966 und der WM 74."
Darin unter anderem eine Liste, die dokumentiert, was der Busfahrer der Nationalmannschaft damals dabei haben musste. Neben vielem: 3000 Flaschen Bier. – Die Antiquitätenhändlerin hatte den Busfahrer bis zu seinem Tod gepflegt, deshalb besaß sie den Koffer. Marcel Wedows Augen leuchten: Fundstücke wie diese machen den ganzen Sammlerspaß aus.
"Wir brauchen selber den persönlichen Bezug zu den Fußballern oder dem Gegenstand. Weil uns ja die Geschichte ganz wichtig ist, ansonsten könnten wir hier drinne ja keine Führungen machen."
Fast zwei Stunden sind die Jugendlichen mit ihm auf Fußballzeitreise gegangen. Einem Vergleich mit größeren Museen, finden sie, hält Tabarz allemal stand.
Danny/Sören: "Fußball-Geschichte interessiert einen schon so, wie das früher so war, hat man auch viel gelernt, also: vieles wusste ich noch nicht. Also in Hamburg war ich schon mal im Museum, im Stadion. – Wir waren ja auch schon im Camp Nou in Barcelona, … – Aber da konnte man jetzt nichts anfassen, da stand man halt immer vor den Vitrinen und hat geguckt."
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