Sport im Alter

Walking Football wird immer beliebter

05:30 Minuten
Ältere Männer spielen auf einem Fußballfeld Fußball.
"Es macht einfach Spaß." Seit 2019 hat der Berliner Fußballklub FV Wannsee eine Walking-Football-Abteilung. © Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch
Von Wolf-Sören Treusch · 24.10.2021
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Es darf nicht gerannt und nicht gefoult werden. Vieles, was man am Fußball kennt, ist beim Walking Football verboten. Was sich zunächst langweilig anhört, findet gerade unter Menschen mit Beschwerden und Vorerkrankungen immer mehr Zuspruch.
"Walking Football ist Fußballspielen im Gehen, wobei man wirklich nur geht, und nicht rennt oder läuft, …"
Regel Nummer eins: Ein Fuß muss immer den Boden berühren. Regel Nummer zwei: Foulspiel verboten! Oder wie Gehfußballer es formulieren:
"Dass man körperliche Kontakte unterlässt, denn die meisten haben körperliche Einschränkungen wie Herzinfarkte, überstandene Herzinfarkte, Schlaganfälle, Gelenkschäden, künstliche Gelenke usw."
Doch so ganz körperlos ist auch Walking Football nicht. Spieler foulen aus Versehen, weil sie altersbedingt in ihren Bewegungsabläufen eingeschränkt sind.


Seit 2019 hat der Berliner Fußballklub FV Wannsee eine Walking-Football-Abteilung. Ins Leben gerufen hat sie Michael Raetsch, 77. Wegen diverser körperlicher Beeinträchtigungen hatte er eigentlich beschlossen, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.
"Dann hat der Arzt allerdings bei mir Diabetes festgestellt, und das erfordert wieder viel Bewegung, und insofern bin ich zum Walking Football gekommen."
Über ein Zeitungsinserat fand er seine Mitspieler. Und hat nun eine Truppe von 22 Mann beisammen, der jüngste 60, der älteste 78. Darunter blutige Anfänger wie Michael Pons.

"Insgeheim war es eigentlich immer mein Wunsch, mal in einer Fußballmannschaft zu spielen, als Kind ist mir das verwehrt geblieben, weil meine Eltern dagegen waren, und jetzt habe ich im hohen Alter dann die Chance gesehen, war natürlich aufgeregt, hab gesagt: Nimm mal den Mut zusammen, mach es, und habe dann gesagt: Das ist eigentlich genau das Richtige: Ich bin am Ball, ich bin in einem Team, und von daher: Es macht einfach Spaß."

Auch erfahrene Fußballer sind dabei

Aber es sind auch erfahrene Fußballer dabei wie Ralf Messer, der im vergangenen Jahr einen Schlaganfall hatte und froh ist, überhaupt noch am Leben zu sein.
"Ich bin jetzt noch kurzatmig, ich habe Probleme mit Bluthochdruck, und wenn ich richtig Gas gebe, das geht nicht mehr. Ich war Jahre lang Trainer, 20 Jahre lang Trainer im Jugendbereich, aktiver Fußballer seit 50 Jahren und irgendwie fragt man sich dann natürlich hinterher: Was kannst du denn sportlich noch machen? Also Walking Fußball: Toll, dass es das gibt."
Der Deutsche Fußballbund hat den FV Wannsee in diesem Jahr mit der Sepp-Herberger-Urkunde ausgezeichnet. In Anerkennung der Verdienste um die Integration beeinträchtigter Fußballspieler, wie es in der Begründung heißt. Schatzmeisterin Miriam Röser ist stolz auf ihre Walking-Fußballer.
"Ich bin total beeindruckt von dem, was die Herren hier bewegen, und die Präsenz, die sie haben, und auch die Aufmerksamkeit, die sie bekommen für diese neue Form von Fußball, ich finde es total toll."


In der Hauptstadt spielen mittlerweile sieben Mannschaften Walking Fußball. Nicht so viele wie in Großbritannien, dort sind es um die tausend, aber es werden langsam mehr. Der Berliner Fußballverband fördert die Gründung von Gehfußballmannschaften. Philipp Reis, bis vor Kurzem Inklusionsbeauftragter des Verbands, bietet zum Beispiel Kurzschulungen zum Walking Football an.
"Man kann da auch im hohen Alter noch lernen, und Technik, Passen ist das Wichtige beim Walking-Fußball. Das heißt: Passübungen gehören zu jeder Trainingseinheit dazu, und dann immer was, wo alle viel am Ball sind."
Bloß nicht frei laufen, erklärt er den Teilnehmern, frei gehen ist die oberste Devise. Ein Pass in den freien Raum oder in die Schnittstelle der Abwehr: zwecklos.
"Vorhin habe ich einen Ball in den Lauf gespielt, der arme Kollege konnte den ja gar nicht kriegen, gehend, da muss man so ein Stück weit neu anfangen wieder."
Ältere Männer stehen auf einem Fußballfeld zu einem Gruppefoto zusammen.
Auszeichnung für eine gelungene Integration beeinträchtigter Fußballspieler: Die Gehfußballer vom FV Wannsee sind in diesem Jahr mit der Sepp-Herberger-Urkunde geehrt worden.© Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch

"Das könnte was für mich sein"

Stefan Sielschott, 43, musste in jungen Jahren wegen Knie- und Hüftproblemen mit dem Fußball aufhören, nun traut er sich wieder.
"Zufällig habe ich was im Fernsehen gesehen über Walking Football und dachte, das könnte was für mich sein, habe das einmal ausprobiert in Mariendorf, hat viel Spaß gemacht, und dann lag es nahe, zu sagen: Ja gut, vielleicht kann ich das ja in unserem Heimatverein, bei mir vor der Tür im Kiez, vielleicht können wir da was an den Start bringen und auch eine Gruppe aufbauen."
Das nötige Rüstzeug hat er sich nun im Kurzlehrgang geholt. Sein Verein, der BSC Kickers Schöneberg, darf sich freuen. Und Fußballtrainer Philipp Reis ist überzeugt: Walking Football wird noch viele begeistern.
"Man denkt dann: Man geht ein bisschen spazieren, spielt sich den Ball hin und her. Und das macht aber kein Spaß. Und sobald man es selbst ausprobiert, und nach zehn Minuten Spielen und schnell gehen über den Platz außer Atem ist, und beim Tore schießen genau die gleiche Freude hat wie beim regulären Fußball auch, da ist dann bei mir irgendwie der Funke übergesprungen. Und dann dachte ich: Wenn es in England so ein großer Erfolg ist, warum soll es nicht in Berlin ein großer Erfolg werden?"
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