Über Grenzen gehen
Geht man über die Europabrücke vom deutschen Weil am Rhein ins französische Huningue, so zeigt auf deutscher Seite die Polizei Präsenz, auf französischer ebenso, allerdings etwas im Hintergrund.
Bei der Einreise in die Schweiz hingegen gehen Grenzbeamte durch jede Straßenbahn, die von Weil am Rhein nach Basel fährt und kontrollieren stichprobenartig die Ausweise. Das Gleiche geschieht natürlich auch bei Autofahrern und Fußgängern.
Verbindender Charakter von Grenzregionen
„In Weil am Rhein gäbe es nicht so viele Einkaufszentren wenn der Einkaufstourismus von französischer und Schweizer Seite Richtung Deutschland nicht sehr hoch leben würde. Ich habe auch miterlebt, wie früher die Situation anders war, als es wirklich Grenzkontrollen gab, als der Übertritt problematisch war. Das ist heute gar nicht mehr so.“
Nur wenige Meter dahinter befindet sich das Bootshaus des Baseler Ruderclubs „Schleppi im Hafen“, das seine eigene kleine Geschichte hat. 1938 wurde es auf deutscher Seite errichtet und als sich abzeichnete, dass die Geschehnisse auf einen Krieg hinführen würden, 1939 bei Nacht und Nebel hinter die Grenze versetzt, in die neutrale Schweiz.
Der Ruderclub „Schleppi“, von Hafenarbeitern gegründet, kooperiert seit 2022 mit der Gemeinschaftsschule aus Weil am Rhein. In die Wege geleitet hat dies Sportlehrer Sören Freisler, ein ehemaliger Leistungsruderer und Rudertrainer. Dass man den Rhein nicht in den Schulsport eingebunden hatte, konnte er nicht verstehen, als er neu an die Schule kam.
„Schon im Vorstellungsgespräch habe ich gesagt: Ich bin Ruderer. Der ehemalige Konrektor hat dann gemeint: Super, dann machen wir einen Schulachter auf. So ist das Ganze dann ins Laufen gekommen.“
Ein Teil der Schüler wohnt Ausland
In der Regel acht Schülerinnen und Schüler aus den sechsten bis zehnten Klassen nehmen an der Ruder-AG teil. Im Sommerhalbjahr geht es einmal pro Woche für ungefähr 90 Minuten auf den Rhein.
„Trockenübungen machen wir hier eigentlich gar nicht. Wir gehen direkt raus aufs Wasser, allerdings immer mit mir bei der ersten Ausfahrt. So dass ich das Ganze selber unter Kontrolle habe und eingreifen kann, wenn irgendetwas wäre.“
Jannis Kamber kam unter der Anleitung von Sören Freisler zum Rudersport.
„Ich war gespannt, wie es ist, weil ich es nicht genau wusste. Ich hatte noch keine Erfahrung, aber insgesamt hat es eigentlich sehr gut funktioniert. Wir waren jetzt nicht gerade die Besten beim Anfang. Aber wir sind schnell besser geworden.“
Ein 18-Jähriger ist Präsident des Rudervereins
„Und zweitens glaube ich nicht, dass es eines Gymnasialschülers benötigt, dass man Rudern lernen kann. Das habe ich bisher bei allen noch geschafft.“
Schulleiter Keller sieht in der Ruder AG seiner Schule nur einen Anfang.
Wir sind hier unmittelbar am Rhein. Dieser Fluss trennt, aber verbindet natürlich auch die drei Länder Frankreich, Deutschland und die Schweiz. Und wenn man über Schulen, obwohl die Nähe vorhanden ist, eigentlich relativ wenig Kooperationen hat, ist es ein toller Anfang, über so eine Sport AG eine Kooperation zu beginnen und vielleicht auch darüber hinaus etwas weiter wachsen zu lassen.
So wenig bekannt wie der Grenzfluss Sauer im Westen Deutschlands ist, so unauffällig bildet er hier die Grenze nach Luxemburg, während er ruhig in Richtung Mosel mäandriert.
Auf luxemburgischer Seite gleich neben dem Campingplatz am Fluss liegt das Stadion des Erstligisten Union Rosport.
Die zweite Mannschaft spielt auf einem Grundstück in Ralingen am deutschen Ufer der Sauer. Der Kunstrasenplatz gehört Union Rosport. Auch die Jugendmannschaften trainieren hier und tragen ihre Spiele im luxemburgischen Spielbetrieb auf deutschem Boden aus.
Fußball-Zweitligist Elversberg trainiert in Frankreich
Der Begriff der Grenze stammt aus dem Slawischen und geht auf das 12. oder 13. Jahrhundert zurück. Das altpolnische „Graniza“ oder „grenz“ setzte sich durch gegenüber dem althochdeutschen „Mark“, das oftmals eine Grenzregion beschrieb. Heute verwendet man es noch in „Markierung“ oder „Gemarkung“. Es steckt aber auch im schweizerischen Begriff dafür, eine Grenze zu überschreiten: „übermarchen“.
Büsingen ist deutsche Exklave in der Schweiz
„Man lernt auf beiden Seiten Dinge kennen, die ein Vorteil sind. Andere sind ein Nachteil. Für uns hat es eine gewisse Normalität erreicht, weil man halt damit aufgewachsen ist.“
Vereine in Büsingen helfen bei der Integration
Der Tennisclub und der Turnverein nehmen am Schweizer Spielbetrieb teil, ebenso wie der Fußballverein. 1949 schloss er sich dem Schweizer Fußballverband an.
Wir sagen, wir sind der deutsche Fußballverein in der Schweiz und der schweizerische Fußballclub in Deutschland. Das ist dann schon etwas Besonderes. Wir haben kürzlich das 75-jährige Bestehen im schweizerischen Fußballverband gehabt, obwohl wir auf deutschem Boden spielen.
„Das Bundesamt für Sport hat uns vor zweieinhalb Jahren das Geld für Jugend und Sport gestrichen. Sie haben nach etlichen Jahren gemerkt, dass unser Fußballplatz auf deutscher Gemarkung liegt.“
Die besondere Situation Büsingens als Ex- oder Enklave, sagt der ehemalige Gemeinderat Herbert Waldvogel, merkt man in erster Linie am Schreibtisch und nicht auf dem Sportplatz.
Im praktischen Alltag der Vereine merkt man davon nichts. Die Leute gehen in die Vereine, treiben ihren Sport oder sonstige Aktivitäten und gehen wieder nach Hause. Die Besonderheiten durch die Büsinger Situation merkt man höchstens in den Vorständen, Bürokratie zu bewältigen ist.
Besondere Situation während der Pandemie
Die vorübergehenden Grenzkontrollen während der Fußball-Europameisterschaft im Sommer hat Deutschlands Grenzen für ein paar Wochen wieder sichtbarer werden lassen. Das aber ist immer noch der weitaus angenehmere Anlass als eine Pandemie.
„Es hat Polizei patrouilliert und hat geachtet, ob auch jemand nur spazieren geht. Ob jemand die Grenze überquert. Das war schon grotesk.“
„Es gab auch wirklich sonderbare Situationen, weil wir Mitglieder haben, die haben einen Wohnsitz in Österreich und einen Wohnsitz in Deutschland. Denen war es dann gestattet, sechs Löcher in Österreich zu spielen. Mussten dann sich in ihr Auto setzen, nach Reit im Winkl fahren und durften dann die deutschen zwölf Löcher spielen. Sie durften aber eben nicht über diese drei, vier Meter breite Straße gehen. Kann man nur mit dem Kopf schütteln. Klar muss es irgendwo Regeln und Grenzen geben. Aber in der Praxis sieht das oft komisch aus.“
„Komisch“ in diesem Fall im Sinne von „befremdlich“, keinesfalls im Sinne von „erheiternd“. Letzteres trifft – bei allem Respekt vor den Nachbarn – auf Teile der deutsch- belgischen Grenze zu. Dort, wo bis 2005 die Vennbahn Aachen und den Norden Luxemburgs verband.
Mal eben über die Grenze in die Niederlande fahren und ein Fußballspiel der ersten beiden Ligen anschauen? Das ist nur selten einfach, denn aus Sicherheitsgründen gehen nur wenige Tickets in den freien Verkauf.
Einerseits grenzt man sich voneinander ab, gleichzeitig aber braucht es auch die Durchlässigkeit einer Grenze um sich auf der jeweils anderen Seite frei bewegen zu können: Die Dialektik von Grenzen.
Es ist eine Frage der Sichtweise: Der Norden von Schleswig-Holstein ist zugleich Südschleswig. Die dänische Minderheit - ähnlich wie in der Lausitz die Sorben – durch zweisprachige Ortsschilder präsent.
Der DHK Flensborg trainiert dänisch
„Dänisches Training ist sozialer. In Deutschland geht es mehr um Leistung.“
Die Idraetshallen, die Spielstätte des DHK Flensborg, des Dänischen Handballklubs, war bereits Austragungsort von Heimspielen der dänischen Frauen- und Männer- Nationalmannschaften.
„Es ist locker. Es ist dieses, wie man schön sagt, ‚hygge‘. Das schöne dänische Wort ‚hygge‘. Und ‚hygge‘ ist kein Wort, was man übersetzen kann ins Deutsche, weil ‚hygge‘ ist alles. Man fühlt sich einfach direkt familiär.“
Die Teilnahme am Vereinsleben und die Identität einzubringen - beides fordert der Verein auch aktiv von den Mitgliedern ein. Das ist der rote oder besser: der rot-weiße Faden beim DHK.
„Wir repräsentieren Dänemark hier in Deutschland durch die dänische Minderheit. Niklas ist Däne. Ich bin zwar geborener Deutscher, bin aber auch in der dänischen Minderheit groß geworden, arbeite in Dänemark. Für mich schlägt das Herz gespalten deutsch und dänisch.“
Die Grenze dient hier lediglich der Orientierung, ist gleichermaßen definierend und durchlässig, verliert aber allgemein an Bedeutung.
„Die größte Unterscheidung ist die Sprache. Wir beide arbeiten in Dänemark, wohnen aber hier. Viele Spieler hatten wir schon mal von Dänemark oder wohnen jetzt in Dänemark, die bei uns spielen. Also von daher hat das eigentlich keine Bedeutung.“