Spontankonzert - Mitglieder der Kammerakademie Potsdam spielen Nonette

Nonett. Kurz vorm Kammerorchester

Das Nonett der Kammerakademie Potsdam probt in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin Dahlem
Das Nonett der Kammerakademie Potsdam probt in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem © deutschlandradio / Christine Anderson
Moderation: Christine Anderson · 23.07.2020
In der Nonettbesetzung sind die wichtigsten Orchesterinstrumente vorhanden: vier Streicher und fünf Bläser. Farbenreiches Spiel wird damit möglich, und doch bleibt die Atmosphäre kammermusikalisch. Auch bei den Nonetten von Lutosławski, Martinů und Onslow.
Wir setzen heute unsere Reihe der Spontankonzerte aus der Jesus-Christus-Kirche in Berlin fort. Dort waren am 21.7. Mitglieder der Kammerakademie Potsdam zu Gast, für einen Kammermusikabend der ganz besonderen Art: Werke für neun Musiker wurden aufgeführt, jeweils ein Nonett von Witold Lutosławski, Bohuslav Martinů und George Onslow. Ein Abend mit zwar wenig bekannten, aber umso interessanteren Werken.

Ursprung - eine Bestellung des Tuchhändlers

Die Gattung Nonett ist eine Erfindung des frühen 19. Jahrhunderts und entsteht, weil der Geiger und Tuchfabrikant Johann von Tost, man kennt ihn als Auftraggeber von Streichquartetten bei Joseph Haydn, sich musikalisch etwas Abwechslung wünscht. Im Jahr 1813 wird er in Wien bei dem 29-jährigen Violinvirtuosen und Komponisten Louis Spohr vorstellig, und macht ihm ein Angebot: Spohr soll ihm drei Jahre lang alle neuen Partituren im Original aushändigen, Tost würde sich dafür um die Aufführungen kümmern. Spohr willigt ein und Tost bestellt als erstes ein Nonett.
Dieses sogenannte "Grand Nonetto" op. 31 blieb lange Zeit das Referenz-Werk für diese Besetzung, denn alle folgenden Komponisten von Nonetten orientierten sich an der von Spohr vorgegebenen Kombination.

Gemäßigt modern

So auch der polnische Komponist Witold Lutosławski. Seine "Tanz-Präludien" hatte er 1954 jedoch zunächst für Klarinette und Klavier komponiert. Fünf Jahre später hat er diese Musik auf der Grundlage von nordpolnischen Tänzen neu instrumentiert.
Ein älterer Mann steht dirigierend vor einem Orchester.
Dirigent und Komponist Witold Lutosławski 1986 in München.© imago images / Michel Neumeister
Bemerkenswert ist, dass Lutosławski diese Art der gemäßigt modernen Komposition parallel zu einem viel radikaleren Strang seines Schaffens verfolgt, denn in derselben Zeit beschäftigte er sich - wie seine Avantgarde-Kollegen in ganz Europa - intensiv mit seriellen Methoden.

In Sehnsucht nach Böhmen

Äußerer Anlass zur Komposition des Nonetts von Bohuslav Martinů war das 35-jährige Bestehen des Tschechischen Nonetts, das aus Mitgliedern der Tschechischen Philharmonie in Prag bestand. Dieses Ensemble hat in den Jahrzehnten seines Wirkens unzählige Werke für Nonett in Auftrag gegeben. Besonders gern sprachen sie dann tschechische Komponisten an.
Der Komponist Bohuslav Martinů
Der Komponist Bohuslav Martinů© (c) Archive: CBM Policka
Der bereits krebskranke Bohuslaw Martinů schrieb das dreisätzige Werk in der Schweiz, am Wohnsitz seines Mäzens Paul Sacher. Diese Komposition von Martinů habe unter all seinen Kammermusikwerken "die stärkste Beziehung zum heimatlichen Boden", wie Martinůs Biograph Harry Halbreich schreibt. Im Juli 1959, vier Wochen vor Martinůs Tod, wurde es bei den Salzburger Festspielen vom Tschechischen Nonett uraufgeführt.

Bläserfarben mutig kombiniert

George Onslow (1784-1853) war ein französischer Komponist englischer Herkunft und galt schon zu seinen Lebzeiten als der "französische Beethoven". Er entstammte einer englischen Aristokratenfamilie, wuchs jedoch in Frankreich auf. Er hatte bereits einige Streichquartette und Quintette komponiert und auf eigene Kosten veröffentlicht, als er sich spät, im Alter von 22 Jahren, entschloss, Komposition zu studieren: bei Anton Reicha, dem berühmtesten Kompositionslehrer seiner Generation.
Vier Sinfonien, drei Opern und unzählige kammermusikalische Werke - darunter 36 Streichquartette, 34 Streichquintette und 10 Klaviertrios - sind von Onslow erhalten. Besonders populär war er in Deutschland und Österreich.

Gefeierter Beethoven-Nachfolger

Robert Schumann schätzte Onslow, neben Mendelssohn, als den einzigen, der Beethovens Meisterschaft in der Quartettkomposition annähernd erreichte. Allerdings polemisierte Onslow selbst scharf gegen die späten Streichquartette Beethovens, nannte sie absurd und chaotisch.
Auch George Onslows Nonett von 1848 greift die von Spohr vorgegebene Besetzung auf. Das Werk ist geprägt von einem Wechselspiel zwischen zarten Momenten und orchestralen Effekten mit außergewöhnlich kombinierten Farbmischungen. Hier lässt sich deutlich hören, dass Onslow die Instrumentationskunst von Hector Berlioz verehrte.
Aufzeichnung des Konzertes vom 21. Juli 2020 in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem
Witold Lutosławski
Tanz-Präludien für Klarinette und Klavier
Fassung für Nonett
Bohuslav Martinů
Nonett Nr. 2
--Konzertpause--
Darin: Christine Anderson im Gespräch mit der Flötistin Bettina Lange und dem Oboisten Jan Böttcher
George Onslow
Nonett a-Moll op. 77

Mitglieder der Kammerakademie Potsdam:
Maia Cabeza, Violine
Jennifer Anschel, Viola
Vashti Hunter, Violoncello
Tobias Lampelzammer, Kontrabass
Bettina Lange, Flöte
Jan Böttcher, Oboe
Markus Krusche, Klarinette
Christoph Knitt, Fagott
Aaron Seidenberg, Horn

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