Spitzweg ist mehr
Als fürchterliche Spießbürger hatte Kurt Tucholsky einst die Figuren von Carl Spitzweg bezeichnet. Das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf zeigt in der Ausstellung "Das ist deine Welt" den Maler in neuem Licht, nämlich als feinsinnigen Beobachter und Analytiker des Alltags.
Mit idyllischen Landschaften und kauzigen Sonderlingen hat der Münchner Maler Carl Spitzweg sich im 19. Jahrhundert nicht nur ein Renommee geschaffen: Spitzwegs armer Poet in seiner Dachkammer oder die skurrilen Stadtsoldaten der "Schwarmwache" gerieten zum Ausbund des Biedermeier. Die kleinformatigen, vom Publikum gefeierten und unter Sammlern begehrten Bilder wurden bis vor wenigen Jahren noch als Dokumente einer Epoche schwerer politischer Repression und häuslicher Gemütlichkeit angesehen. Zu Unrecht, meint Herwig Guratzsch, Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf. Dort zeigt eine Ausstellung Spitzweg in einem neuen Licht, nämlich als feinsinnigen Beobachter, ja Analytiker des Alltags.
" Er durchstieß das Idyllenhafte. Nur muss man auch sagen, dass wir heute erst – besonders auch durch Psychologie – gern so etwas aufgreifen. Und auch dazu neigen, das vielleicht zu stark auszubauen in der Interpretation. Möglicherweise gibt es viele Bilder von Spitzweg, die ungeheuer harmlos sind, und nicht den zweiten und dritten Sinn mit transportieren."
Das zu entscheiden bleibt jedem selber überlassen, denn neben einem Katalog mit bündigen Aufsätzen wird in Gottorf mit 40 Gemälden und 160 Zeichnungen reiches und vor allem neues Anschauungsmaterial ausgebreitet. Seine eigenen Erfahrungen mit Spitzweg beschreibt Guratzsch als erhellendes Wechselbad:
" Diese Täuschungsmanöver: Die Idylle, atmosphärisch Gemütlichkeit zu verbreiten, Wohlgefühl – und auf der anderen Seite zu sagen: "So bist du als Mensch, das ist der tiefere Hintergrund deines Wesens!" Und damit wird man ja selbst hochgenommen und erblickt sich auch in diesen Alltagsdarstellungen selbst wieder."
Sich selbst aber mögen wohl die wenigsten in jenen Spitzweg-Figuren wieder erkennen, die Kurt Tucholsky als fürchterliche Spießbürger ausgemacht hat: Männer, die mit Zipfelmütze und einer langen Pfeife zum Fenster herauslehnen, am Schlafrock baumeln über einem kugelrunden Bauch die Quasten. Mit dem Hund am Eckstein, einem verschlafenen Posten mit dem Schießgewehr und dem Dienstmädchen mit dem Marktkorb schafft hier einer das "stille Glück im Winkel". Doch dieser Blick allein aufs Sujet trügt, meint Guratzsch:
" Das verstellt den Blick auf die malerische Raffinesse, mit der er tätig wird. Er ist dabei ein moderner Künstler, weil er eine sprühende Technik sucht und sich ablöst vom betulich geschilderten Gegenstand."
Und in der Tat: Stimmungsvoll setzt Spitzweg die dramatisch umwölkte Sonne oder einen taghell funkelnden Mond in Szene, versteht sich immer besser auf Lichtstimmungen. Dabei treibt diesen Maler allerdings nie der Wille, absolut modern zu sein, sondern eine feine, humane Beobachtungsgabe:
" Wilhelm Busch würde sagen: Man hat mehr davon, wenn man zuschaut, als wenn man mitmacht. Er ist jemand, der beobachtet und diese Beobachtung gar nicht wagt in der Öffentlichkeit auszutragen. Er malt ja auch nicht vor der Natur, sondern zu Hause in der Klause."
Naiv und ungelenk wirken viele der Zeichnungen. Aber beim Rundgang wird schnell klar, dass es dem Autodiakten Spitzweg keineswegs an Talent mangelte. Vielmehr rührt seine Art der Zeichnung daher, dass hier Protokolle eines unvoreingenommenen Einkreisens des jeweiligen Gegenstands, der anvisierten Situation enstanden.
" Die Zeichnung ist aufregend, weil er eine ganz feine Annäherung dabei spiegelt. Er geht nicht deftig in die Lösung, sondern er ist wie ein Suchender. Und es ist schön, dass man diese Schritte mitverfolgen kann. Das gibt der Ausstellung einen anderen Klang, als wenn man nur die Ölbilder hinknallt und sagt "Das ist Spitzweg!" Spitzweg ist eben sehr viel mehr."
Service:
Die Ausstellung über Carl Spitzweg "Das ist deine Welt" zeigt Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Sie ist bis 3. Juli im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig zu sehen.
" Er durchstieß das Idyllenhafte. Nur muss man auch sagen, dass wir heute erst – besonders auch durch Psychologie – gern so etwas aufgreifen. Und auch dazu neigen, das vielleicht zu stark auszubauen in der Interpretation. Möglicherweise gibt es viele Bilder von Spitzweg, die ungeheuer harmlos sind, und nicht den zweiten und dritten Sinn mit transportieren."
Das zu entscheiden bleibt jedem selber überlassen, denn neben einem Katalog mit bündigen Aufsätzen wird in Gottorf mit 40 Gemälden und 160 Zeichnungen reiches und vor allem neues Anschauungsmaterial ausgebreitet. Seine eigenen Erfahrungen mit Spitzweg beschreibt Guratzsch als erhellendes Wechselbad:
" Diese Täuschungsmanöver: Die Idylle, atmosphärisch Gemütlichkeit zu verbreiten, Wohlgefühl – und auf der anderen Seite zu sagen: "So bist du als Mensch, das ist der tiefere Hintergrund deines Wesens!" Und damit wird man ja selbst hochgenommen und erblickt sich auch in diesen Alltagsdarstellungen selbst wieder."
Sich selbst aber mögen wohl die wenigsten in jenen Spitzweg-Figuren wieder erkennen, die Kurt Tucholsky als fürchterliche Spießbürger ausgemacht hat: Männer, die mit Zipfelmütze und einer langen Pfeife zum Fenster herauslehnen, am Schlafrock baumeln über einem kugelrunden Bauch die Quasten. Mit dem Hund am Eckstein, einem verschlafenen Posten mit dem Schießgewehr und dem Dienstmädchen mit dem Marktkorb schafft hier einer das "stille Glück im Winkel". Doch dieser Blick allein aufs Sujet trügt, meint Guratzsch:
" Das verstellt den Blick auf die malerische Raffinesse, mit der er tätig wird. Er ist dabei ein moderner Künstler, weil er eine sprühende Technik sucht und sich ablöst vom betulich geschilderten Gegenstand."
Und in der Tat: Stimmungsvoll setzt Spitzweg die dramatisch umwölkte Sonne oder einen taghell funkelnden Mond in Szene, versteht sich immer besser auf Lichtstimmungen. Dabei treibt diesen Maler allerdings nie der Wille, absolut modern zu sein, sondern eine feine, humane Beobachtungsgabe:
" Wilhelm Busch würde sagen: Man hat mehr davon, wenn man zuschaut, als wenn man mitmacht. Er ist jemand, der beobachtet und diese Beobachtung gar nicht wagt in der Öffentlichkeit auszutragen. Er malt ja auch nicht vor der Natur, sondern zu Hause in der Klause."
Naiv und ungelenk wirken viele der Zeichnungen. Aber beim Rundgang wird schnell klar, dass es dem Autodiakten Spitzweg keineswegs an Talent mangelte. Vielmehr rührt seine Art der Zeichnung daher, dass hier Protokolle eines unvoreingenommenen Einkreisens des jeweiligen Gegenstands, der anvisierten Situation enstanden.
" Die Zeichnung ist aufregend, weil er eine ganz feine Annäherung dabei spiegelt. Er geht nicht deftig in die Lösung, sondern er ist wie ein Suchender. Und es ist schön, dass man diese Schritte mitverfolgen kann. Das gibt der Ausstellung einen anderen Klang, als wenn man nur die Ölbilder hinknallt und sagt "Das ist Spitzweg!" Spitzweg ist eben sehr viel mehr."
Service:
Die Ausstellung über Carl Spitzweg "Das ist deine Welt" zeigt Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Sie ist bis 3. Juli im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf in Schleswig zu sehen.