Spitzensport

Ist so viel Druck noch gesund?

09:51 Minuten
Eine schwarze Athletin im weißem Oberteil blickt ernst an der Kamera vorbei. Es ist die Turnerin Simone Biles.
Simone Biles ist bei den Olympischen Spielen erst aus dem Teamwettbewerb ausgestiegen, dann sagte sie auch ihre Teilnahme beim Mehrkampf ab. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Gregory Bull
Frank Wieneke im Gespräch mit Axel Rahmlow · 28.07.2021
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Turnerin Simone Biles bricht aus psychischen Gründen die Olympischen Spiele ab, Judoka Martyna Trajdos lässt sich vor dem Wettkampf ohrfeigen: Der Druck auf Spitzensportler ist hoch, weiß Olympiasieger Frank Wieneke und rät zu medialer Abschottung.
Die amerikanische Turnerin Simone Biles hat bei den Olympischen Spielen in Rio schon viermal olympisches Gold gewonnen - und auch diesmal in Tokio wird sie ein Gesicht der Spiele werden. Aber diesmal nicht, weil sie erneut Gold holt, sondern weil sie sich selbst mitten im Wettbewerb eine Pause verordnet hat: Wegen des enormen Drucks wolle sie sich auf ihre mentale Gesundheit konzentrieren.
Damit hat Biles eine Diskussion über Druck im Spitzensport ausgelöst, die auch durch ein millionenfach angesehenes Video befeuert wird, in dem die deutsche Judoka Martyna Trajdos vor ihrem Wettkampf von ihrem Trainer Claudiu Pusa doppelt geohrfeigt wird. Das Video hat zu viel Kritik am Trainer geführt, die Sportlerin selbst hat ihn aber verteidigt: Sie verlange dieses Ritual von ihm für einen Wettkampf.
Doch wo verläuft im Spitzensport die Grenze zwischen Motivation und zu hohem Druck? "Ich kann ehrlich gesagt nur von mir selber sprechen, aber: Den Druck macht man sich selber und es kommt auch ein bisschen auf den Athleten an, wie weit er den Druck auf sich einwirken lässt", sagt Frank Wieneke. Er ist Studiengangsleiter an der Trainerakademie Köln des Deutschen Olympischen Sportbunds, ehemaliger Judo-Olympiasieger und auch ehemaliger Bundestrainer im Judo.

Abschotten vor Wettkämpfen

Die Entscheidung von Simone Biles findet er gut und sieht in ihrem Schritt ein positives Beispiel für andere Athleten. Es sei zwar schade, dass es ausgerechnet bei den Olympischen Spielen negativ laufe, aber Biles sei ja trotzdem eine der erfolgreichsten Turnerinnen aller Zeiten.
Zu hoher Druck entsteht aus Sicht von Wieneke auch dadurch, in den klassischen oder den sozialen Medien präsent zu sein. Er selbst habe sich als Athlet vor Wettkämpfen abgeschottet und zwei Wochen vorher keine Interviews mehr gegeben. Als Trainer habe er den Athleten auch immer geraten, das genauso zu handhaben.
"Als Athlet muss man wirklich lernen, Nein zu sagen", sagt Wieneke – und man müsse auch lernen, wie man dies kommuniziere: Man wolle ja nicht unhöflich sein, freue sich über das Interesse und fühle sich geehrt. Aber man müsse erkennen, wann es zu viel werde.
Als Judoka warnt er davor, in das Video von Claudiu Pusa und Martyna Trajdos eine Bedeutung hineinzuinterpretieren, die es nicht habe. Im Judo müsse der Athlet hellwach sein, auch die meisten Sportler würden sich selbst am ganzen Körper und teilweise auch im Gesicht abklopfen. Denn kurz vorm Kampf falle man in eine Lethargie. Auch Martyna Trajdos habe dies als Ritual und Claudiu Pusa habe das bestimmt nicht aus anderen Gründen gemacht, als die Athletin hellwach zu klopfen.
(jfr)
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