Spitzenkraft der Geheimdiplomatie
Unter den Zeitgenossen von Aufklärung und Klassik gehörte Graf Goertz (1737-1821) nicht zur allerersten Garde. Deswegen gab es bislang auch noch keine Biografie über ihn. Aber ganz so unbekannt, wie der Untertitel behauptet, ist er doch nicht.
Johann Eustach von Goertz machte sich einen Namen am Hof zu Sachsen-Weimar-Eisenach, wo er den Prinzen Carl August erzog, bis ihn Anna Amalia, die Herzoginmutter, wegen eines angeblichen Komplotts gegen sie feuerte.
Goertz war es auch, der die Weichen für den später weltberühmten "Musenhof" stellte, indem er Wieland als Lehrer herbeiholte und Goethes Berufung nach Weimar einfädelte. Danach avancierte er im Dienste des Preußenkönigs Friedrich II. zu einer Spitzenkraft der Geheimdiplomatie, eine Karriere, die ihn bis an den Petersburger Hof führte.
Norbert Leithold hat für seine Biografie die vieltausendseitige Korrespondenz – fast 5.000 Briefe sind erhalten – des dauerreisenden Grafen mit seiner in Weimar verbliebenen Ehefrau ausgewertet sowie deren Briefwechsel mit ihrer Freundin Gräfin Gianini, die als Vertraute der späteren Herzogin Luise im Zentrum des Weimarer Hofes stand.
Außerdem spielte ihm der Zufall in einem Schweriner Antiquariat einen Teilbestand von Goertz’ großer Bibliothek in die Hand, den dieser mit persönlichen, vielfach chiffrierten Anmerkungen zu Geschehnissen der Zeit versehen hatte.
So erfährt man nicht nur allerlei über gesellige Lustbarkeiten und ödeste Langeweile des Hoflebens, über Kabalen und Intrigen im Machtgeflecht eines politisch heterogenen Kleinstaates, man gewinnt auch Einblicke in Preußen-Deutschland zwischen den Auseinandersetzungen um die bayerische Erbfolge und den Befreiungskriegen.
Denn Graf Goertz spielte mit seinen geheimdiplomatischen Winkelzügen eine Schlüsselrolle im Poker um die Balance zwischen alten und neuen Großmächten, zwischen Habsburgern und Hohenzollern.
Leithold verarbeitet sein Material mit schwungvoller Feder zu einem flott und unterhaltsam geschriebenen Panorama der bewegten Zeit um 1800. Wie in einem Kriminalroman bindet er die Leser in die Geschichte seiner Recherche mit ein, er protokolliert Reisen, Expertengespräche, geheimnisvolle Kaufangebote von unveröffentlichten Goethe-Briefen, Methoden der Entzifferung von Handschriften.
Allerdings führt dieser Erzählstrang mitunter vom Thema weg, genauso wie die dritte Geschichte, die er seiner Biografie, wohl aus markttechnischen Gründen, mitgab. Im Herzstück seines Buches, das mehr als ein Fünftel des Textes beansprucht, geht er nämlich einmal mehr der ungelösten Frage nach, wie nahe sich Goethe und die Herzoginmutter Anna Amalia in Wahrheit gekommen sind, und welche Rolle dabei Charlotte von Stein spielte.
Ob es am Ende eine Liebe zu dritt war? Leithold behauptet dies vehement in immer neuen Anläufen - und bleibt doch die Beweise dafür schuldig. Mehr als dunkle Andeutungen liefert auch der angebliche Kronzeuge Goertz nicht, und die dürften sich lediglich seiner Ranküne gegen diejenige, die ihn entmachtet hat, verdanken. Offenbar traute der Autor der Strahlkraft eines spannend aufbereiteten Diplomatenlebens weniger als einer spekulativen Liebesgeschichte. Unnötig. Schade.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Norbert Leithold: Graf Goertz. Der große Unbekannte. Eine Entdeckungsreise in die Goethezeit
Osburg Verlag, Berlin 2010
336 Seiten, 24,90 Euro
Goertz war es auch, der die Weichen für den später weltberühmten "Musenhof" stellte, indem er Wieland als Lehrer herbeiholte und Goethes Berufung nach Weimar einfädelte. Danach avancierte er im Dienste des Preußenkönigs Friedrich II. zu einer Spitzenkraft der Geheimdiplomatie, eine Karriere, die ihn bis an den Petersburger Hof führte.
Norbert Leithold hat für seine Biografie die vieltausendseitige Korrespondenz – fast 5.000 Briefe sind erhalten – des dauerreisenden Grafen mit seiner in Weimar verbliebenen Ehefrau ausgewertet sowie deren Briefwechsel mit ihrer Freundin Gräfin Gianini, die als Vertraute der späteren Herzogin Luise im Zentrum des Weimarer Hofes stand.
Außerdem spielte ihm der Zufall in einem Schweriner Antiquariat einen Teilbestand von Goertz’ großer Bibliothek in die Hand, den dieser mit persönlichen, vielfach chiffrierten Anmerkungen zu Geschehnissen der Zeit versehen hatte.
So erfährt man nicht nur allerlei über gesellige Lustbarkeiten und ödeste Langeweile des Hoflebens, über Kabalen und Intrigen im Machtgeflecht eines politisch heterogenen Kleinstaates, man gewinnt auch Einblicke in Preußen-Deutschland zwischen den Auseinandersetzungen um die bayerische Erbfolge und den Befreiungskriegen.
Denn Graf Goertz spielte mit seinen geheimdiplomatischen Winkelzügen eine Schlüsselrolle im Poker um die Balance zwischen alten und neuen Großmächten, zwischen Habsburgern und Hohenzollern.
Leithold verarbeitet sein Material mit schwungvoller Feder zu einem flott und unterhaltsam geschriebenen Panorama der bewegten Zeit um 1800. Wie in einem Kriminalroman bindet er die Leser in die Geschichte seiner Recherche mit ein, er protokolliert Reisen, Expertengespräche, geheimnisvolle Kaufangebote von unveröffentlichten Goethe-Briefen, Methoden der Entzifferung von Handschriften.
Allerdings führt dieser Erzählstrang mitunter vom Thema weg, genauso wie die dritte Geschichte, die er seiner Biografie, wohl aus markttechnischen Gründen, mitgab. Im Herzstück seines Buches, das mehr als ein Fünftel des Textes beansprucht, geht er nämlich einmal mehr der ungelösten Frage nach, wie nahe sich Goethe und die Herzoginmutter Anna Amalia in Wahrheit gekommen sind, und welche Rolle dabei Charlotte von Stein spielte.
Ob es am Ende eine Liebe zu dritt war? Leithold behauptet dies vehement in immer neuen Anläufen - und bleibt doch die Beweise dafür schuldig. Mehr als dunkle Andeutungen liefert auch der angebliche Kronzeuge Goertz nicht, und die dürften sich lediglich seiner Ranküne gegen diejenige, die ihn entmachtet hat, verdanken. Offenbar traute der Autor der Strahlkraft eines spannend aufbereiteten Diplomatenlebens weniger als einer spekulativen Liebesgeschichte. Unnötig. Schade.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Norbert Leithold: Graf Goertz. Der große Unbekannte. Eine Entdeckungsreise in die Goethezeit
Osburg Verlag, Berlin 2010
336 Seiten, 24,90 Euro