Spiritualität und mehr

Von Michael Hollenbach |
Am Mittwoch beginnt in Hannover der 30. Evangelische Kirchentag - ein Mammutereignis mit knapp 3000 Veranstaltungen und 100.000 Dauerteilnehmern, die in der niedersächsischen Landeshauptstadt erwartet werden. Im Mittelpunkt des Kirchentages stehen die Themen Heimat, Spiritualität und der protestantisch-katholische Dialog.
Die konkreten Schwerpunkte des Protestantentreffens sind noch immer nicht so leicht auszumachen, meint die Bischöfin der gastgebenden Landeskirche, Margot Käßmann. Ihre Spekulation:

"Ich denke ja, dass die Halle der Spiritualität auf dem Messegelände eine ganz große Anziehungskraft haben wird, weil viele die Sehnsucht haben, Glauben mit allen Sinnen zu erfahren, und das andere; die Halle der Globalisierung, Globalisierungsthemen …"

Bemerkenswert ist, dass der Kirchentag ein Zentrum zum Thema Heimat veranstaltet. Margot Käßmann, die vor ihrem Bischofsamt selbst Generalsekretärin des Kirchentages war, weiß um die Bedeutung des Themas:

"Also vor zehn Jahren hätten Sie im Programm des Kirchentages ein Thema wie Heimat gar nicht durchgebracht, aber da gibt es schon ein neues Nachdenken, und auch eine neue Aneignung dieses Begriffs: wo beheimate ich mich. Blochs Prinzip Hoffnung endet ja mit diesem Wort: Heimat, der Ort, nach dem sich alle sehnen, den noch nie jemand wirklich kennen gelernt hat. Das es da auch Fragen gibt im Zusammenhang mit dem Zentrum Vertreibung, was bedeutet auch Versöhnung mit verlorener Heimat, ich glaube schon, dass das viele bewegt, auch in den Integrationsdebatten, bei denen es auch immer ein Stück darum geht: nehme ich meine alte Heimat mit in die neue Heimat, es ist ein vielfältiges (…) Thema und deshalb finde ich es ein spannendes Indiz, dass der Kirchentag ein Zentrum zum Thema Heimat macht."

Hannover ist der erste evangelische Kirchentag nach dem ökumenischen in Berlin vor zwei Jahren. Und so ist es für Generalsekretärin Friederike von Kirchbach keine Frage, dass der protestantisch-katholische Dialog eine herausragende Rolle spielen wird.
"Ich kann Ihnen versprechen, dass sie ökumenischen Fortschritt verspüren werden. "

Friederike von Kirchbach verspürt kein Interesse daran, das Thema gemeinsame evangelisch-katholische Eucharistiefeier noch einmal aufzuwärmen. An dieser Frage war es beim ökumenischen Kirchentag in Berlin zu heftigen Auseinandersetzungen mit katholischen Bischöfen gekommen, als auch katholische Priester sich an einem ökumenischen Abendmahl beteiligten. Doch wird es auch in Hannover das von Konservativen kritisierte, aber auf Kirchentagen schon fast traditionelle Feier-Abendmahl geben und die offene evangelische Einladung auch an die katholischen Christen.

"Da können wir auch nicht aus unserer Haut, es ist nun nach unserem Verständnis: Die Einladung erfolgt durch uns nur stellvertretend, durch Jesus Christus an alle Menschen, die getauft sind, und das wird sich auch in Hannover nicht ändern."

Die gastgebende Bischöfin Margot Käßmann kritisiert allerdings, dass der Kirchentag sich zu wenig mit innerkirchlichen Fragen beschäftigt. Die gesamte Strukturdebatte, die aufgrund der Finanzkrise die Landeskirchen und die Gemeinden elementar beschäftigt, tauche auf dem Kirchentag kaum auf. Und dem jüngsten Vorschlag von Kirchentagspräsident Eckhard Nagel, langfristig auf die Kirchensteuer zu verzichten, kann Margot Käßmann nichts abgewinnen:

"Ich hab jetzt auch Angst, dass das auseinander geht: die Realität unserer Gemeinden. Die kämpfen um Arbeitsplätze, um den Erhalt der Diakoniestation und manche fühlen sich da mit dem Rücken zur Wand, weil wir seit 1992 ein Drittel unserer Einnahmen verloren haben, (...) und dass sich das nicht auf dem Kirchentag spiegelt, dass hat mich unruhig gemacht, dass ich dachte, der Kirchentag war immer auch Reformmotor für die real existierende Kirche , für die Institution, und da ist momentan die Frage: Nimmt der Kirchentag die Realität und das Ringen unserer Landeskirchen wahr - um Substanz, um Kraft und auch de facto um Mitglieder."

Die Attraktivität des Kirchentages scheint ungebrochen. Zum Abend der Begegnung werden 300.000 Besucher in Hannover erwartet. Und Landesbischöfin Margot Käßmann zeigt sich zufrieden, dass sich auch mindestens 100.000 Dauerteilnehmer angemeldet haben:

"Das war mir wichtig, dass deutlich wird, der Kirchentag wird nicht kleiner, weil die Kirchentage in Frankfurt und Stuttgart unter 100.000 lagen und ja so eine Frage war nach dem ökumenischen Kirchentag, macht ein evangelischer Kirchentag Sinn, und das ist offensichtlich so, und ist wohl auch attraktiv, wenn auch einige sagen, Hannover sei nicht die attraktivste Stadt, was ich ja bestreiten würde."