Spionageverdacht

Erdogans Prediger - Razzia bei Ditib-Imamen

Ditib-Moschee in Köln
Ditib-Moschee in Köln: Imame des Moscheeverbandes sollen Anhänger der Gülen-Bewegung bespitzelt haben. © picture alliance/dpa/Foto: Oliver Berg
Von Kemal Hür · 15.02.2017
Vier Geistlichen des deutsch-türkischen Islamverbandes Ditib wird geheimdienstliche Agententätigkeit vorgeworfen. Beamte des Bundeskriminalamts und der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz haben am Mittwoch mehrere Wohnungen durchsucht.
Der religionspolitische Sprecher der Grünenfraktion im Bundestag, Volker Beck, hatte bereits im Dezember wegen der Spionagetätigkeit von Ditib-Imamen Strafanzeige gestellt. Dass erst heute Wohnungen von verdächtigen Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durchsucht werden, findet Beck viel zu spät.
"Man hätte schon im Dezember agieren müssen, um gegebenenfalls durch Haftbefehle oder andere Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Tatverdächtigen das Land nicht verlassen können. Die Ditib hat selbst erklärt, Religionsattachés und Imame sind abberufen worden. Deshalb ist die Vermutung naheliegend, dass gar nicht mehr alle Tatverdächtige in Deutschland für Strafermittlungsverfahren und Ermittlungen zur Verfügung stehen."
Die Ditib-Zentrale in Köln hatte die Anschuldigungen erst zurückgewiesen, dann aber erklärt, einzelne Imame hätten ohne Wissen des Bundesverbands Fehler begangen. Übersetzt bedeutet das, sie haben auf Anweisung des türkischen Religionspräsidiums Informationen über mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und an Ankara übermittelt. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch im Sommer verantwortlich. Zuletzt versuchte die Ditib, sich mit einem vermeintlichen Schachzug aus der Affäre zu ziehen. Sie erklärte, nicht sie, sondern das türkische Religionspräsidium sei der Arbeitgeber der Imame.

Heiko Maas: "Der Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib ist zu groß"

Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD erklärte heute schriftlich:

"Nichts rechtfertigt die Begehung von Straftaten. Wer den Islam nur als Deckmantel für Spionage benutzt, kann sich nicht auf die Religionsfreiheit berufen. Grundsätzlich gilt: Der Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib ist zu groß. Der Verband muss sich glaubhaft von Ankara lösen. Die Ditib sollte ihre Satzung ändern, die die enge Verbindung zur türkischen Religionsbehörde Diyanet festschreibt. Nur als unabhängiger deutscher Verband hat die Ditib eine Zukunft als verlässlicher Partner."
Dass die Ermittler heute nur die Wohnungen von vier Imamen durchsuchten, könnte ein Indiz dafür sein, dass andere Tatverdächtige sich bereits in der Türkei aufhalten. Denn es liegen Berichte von mehr als zehn Imamen aus den Zuständigkeitsbereichen der türkischen Konsulate in Köln, Düsseldorf und München vor. Die Imame berichten darin ausführlich über angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung.(*)

Islamverband vertritt bundesweit mehr als 900 Moscheen

Für eine Stellungnahme waren heute weder Alboga noch die Pressestelle der Ditib zu erreichen. Der Islamverband vertritt bundesweit mehr als 900 Moscheen und ist laut eigener Satzung eine Vertretung des türkischen Religionspräsidiums. Alle Entscheidungen werden in Ankara getroffen und über die Religionsattachés in den Konsulaten in die Landesverbände und einzelne Moscheen hinein getragen. Die Attachés sind türkische Diplomaten. Dennoch muss auch gegen sie vorgegangen werden, sagt Volker Beck.
"Da versucht man mit diplomatischer Höflichkeit den Konflikt zu vermeiden. Mitarbeiter der Türkischen Republik, die diplomatischen Schutz haben, können hier nicht belangt werden. Aber dann muss auch gesagt werden, wir wollen keine Religionsattachés mehr in Deutschland einreisen lassen, die diese Funktion ausüben, um hier illegale Aktivitäten über die Ditib-Strukturen in unserem Land zu betreiben."
Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Agententätigkeit. Eine Erklärung zu den Razzien wird sie am frühen Nachmittag geben.
(*) Anmerkung der Redaktion: Wir haben an dieser Stelle eine Passage gelöscht, weil in der ersten Beitragsfassung ein falscher Zusammenhang hergestellt wurde.
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