Spionagefilm und Familienmelodram

Von Hartwig Tegeler · 18.09.2013
"Lebensborn"-Kinder heißen die Kinder norwegischer Mütter und deutscher Soldaten-Väter, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR aufgewachsen sind. Von einem solchen erzählt "Zwei Leben". Und von einer sympathischen wie zwielichtigen Spionin, die verzweifelt, aber auch professionell-kühl mit den Dämonen ihrer Vergangenheit kämpft.
Ach, die heile Familienwelt. Katrine und ihre Mutter:

"Du hast bestimmt wieder nicht richtig gefrühstückt. Steck das ein. Für unterwegs. - Ja, ich muss gleich los. - Weißt du was, wenn du immer so hektisch bist, dann bleibe ich doch lieber hier. - Ja, Mama!"

Heile Welt? Nein, wenn etwas trügt in "Zwei Leben", dann der Schein. Das Leben dieser Katrine, die sich auch noch gegen die Fürsorge ihrer Mutter - Liv Ullmann - wehren muss, als sie selbst schon Großmutter ist, Katrines Leben beruht auf vielen Schichten ... falschen Scheins.

1990. Die Mauer ist gefallen. Die europäische Neuordnung hat auch Folgen für Katrine. Zwei Jahrzehnte lebte sie glücklich in Norwegen, mit etwas übergriffiger Mutter - das Übliche -, mit Traummann - Offizier bei den norwegischen Streitkräften -, Tochter und jetzt gar Enkeltochter. Das Normale, das Alltägliche eben.

"Du musst nicht für jeden die Mutter spielen, Mama."

Aufgewachsen war Katrine als "Lebensborn"-Kind in der DDR; mit 20 reiste sie nach Norwegen aus; fand ihre Mutter, der die Nazis diese Tochter, deren Vater ein deutscher Soldat war, weggenommen hatten. Nun ist alles wieder gut. Die schlimme Vergangenheit besänftigt, bewältigt? Nur auf den ersten Blick. Denn als ein Anwalt - Ken Duken - für die Nazi-Opfer wie Katrine und ihre Mutter Wiedergutmachung einklagen will, ist das für Katrine alles andere als ein Versprechen. Und immer mehr verstrickt sie sich in Widersprüche und Lügen. Ist Katrine wirklich die Tochter, das "Lebensborn"-Kind, wie sie behauptet? Stimmt die Geschichte, die sie ihrer Familie seit 20 Jahren auftischt.

"Zwei Leben" ist ein Spionagefilm und ein Familienmelodram. Denn Katrine, die Juliane Köhler großartig spielt, war - oder ist, Fragezeichen - Agentin der Stasi, die in den 1960er Jahren in Norwegen für Ost-Geheimdienst spionierte. Und sie ist eben nicht die Tochter, die sie zu sein behauptet. "Zwei Leben" erzählt von einer sympathischen wie zwielichtigen Spionin, die verzweifelt, aber auch professionell-kühl mit den Dämonen ihrer Vergangenheit kämpft.

"Du wirst deinem Mann sagen, dass du einen anderen liebst und mit ihm das Land. Und er muss es glauben. Du wirst morgen um 12.30 Uhr am Flughafen sein. Und ich werde da auf dich warten."

Als die wahre Identität der Spionin am Ende entlarvt ist, ist Katrines Familie schon nicht mehr das, was sie zu sein schien. Mann fragt seine Frau: Hast du mich auch ausspioniert? Nein, behauptet Katrine. Aber ob das stimmt? Zweite Frage:

"Wie hast du damit leben können? - Deine Liebe hat mich gehalten. Deine Liebe und unsere Familie."

Dieser vor Kitsch triefende Dialogsatz bildet zum Glück nicht die Abschlussszene in "Zwei Leben".

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