Spionage- und Liebes-Thriller
Bei „Trade – Willkommen in Amerika“ geht es um globalen Menschenhandel. „Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene“ dreht sich um einen Doppelagenten, der für den FBI arbeitete und für die Russen spionierte. „Gefahr und Begierde“ ist eine Art atmosphärischer Liebes-Thriller. „Invasion“ ist nach dem Urteil von Hans-Ulrich Pönack ein „cineastischer Blindgänger“.
„Trade – Willkommen in Amerika“
USA /BRD 2007, Regie: Marco Kreuzpaintner, Darsteller: Kevin Kline, Alicja Bachleda, Paulina Gaitan
„Trade – Willkommen in Amerika“ ist der erste Hollywoodfilm des 30-jährigen, in Rosenheim geborenen Regisseurs und Drehbuchautors Marco Kreuzpaintner. Der Sohn einer Sekretärin und eines Briefträgers erlernte das Filmhandwerk autodidaktisch bei Jobs in der Film- und Werbebranche sowie bei Musikproduktionen. Er studierte Kunstgeschichte in Salzburg, war Assistent bei Edgar Reitz und Peter Lilienthal.
1999 übernahm er die deutsche Synchronassistenz für den letzten Stanley-Kubrick-Film „Eyes Wide Shut“. Im gleichen Jahr lief sein erster Kurzfilm – „Entering Reality“ – auf einigen Filmfestivals und bekam außergewöhnlichen Zuspruch. „Ganz oder gar“ war 2003 sein erster Spielfilm. Ein Jahr darauf folgte die Homo-Komödie „Sommersturm“. Jetzt also Hollywood (USA/D), mit immerhin Roland Emmerich ("The Day After Tomorrow") als namhaften Co-Produzenten.
Der Film basiert auf dem am 25. Januar 2004 im „New York Times Magazine“ veröffentlichten Artikel „The Girl Next Door“ des Journalisten Peter Landesman. In dem geht es um die „vielleicht Zehntausenden“ von mexikanischen Mädchen/Frauen und Jungen, die gegen ihren Willen in den USA als Sexsklaven festgehalten würden. Um das Netzwerk des Sex-Handels also zwischen Mexiko/USA und Europa. Dieser globale Menschenhandel steht im Blick- und Mittelpunkt des Films. Dessen Entstehung von Hilfsorganisationen wie UNICEF, terre des hommes und amnesty international unterstützt wurde: „Jährlich werden 2,4 Millionen Menschen verkauft“, heißt es z. B. bei amnesty international. Damit würden pro Jahr rund 32 Milliarden Dollar verdient. Der Handel findet vor allem dort statt, wo Armut herrscht. Etwa zwölf Millionen Menschen leben zurzeit weltweit in moderner Sklaverei.
Tatort Mexiko-City. Am helllichten Tag wird dort die 13-jährige Adriana verschleppt. Ihr kleinkrimineller 17-jähriger Bruder Jorge nimmt die Verfolgung auf. Zeitgleich gerät auch die Polin Veronica in die Fänge der Mädchenhändler. Sie wurde mit dem Versprechen auf Arbeit nach Mexiko gelockt. Der Film verfolgt fortan parallel die widerwärtigen Spuren dieser beiden (wie auch anderer) Opfer-Ware. Zugleich wird – nach etwa einer Stunde – die Figur des amerikanischen Versicherungspolizisten Ray miteingeflochten. Er, der selbst einst seine Tochter verloren hat (und sie immer noch sucht), kommt mit Jorge in Kontakt. Nach anfänglichem Misstrauen und einiger Skepsis werden sie zu Verbündeten, die sich nach und nach auch anzufreunden beginnen.
Die Absicht steht hier im Vordergrund und erscheint wichtiger als die mit einigen (Hollywood-)Debütanten-Schwächen begleitete Dramaturgie/Erzählweise. Denn die hantiert desöfteren mit stumpfen Moralbotschaften, mit Klischees (= notorisch korrupte mexikanische Polizisten...) und nicht präzise wie tiefer beschriebenen Details bzw. Entwicklungen. Zwar gelingt es Kreuzpaitner Emotionen wie Hilflosigkeit, Wut und Scham näherzubringen, doch bevor sie „wirklich ankommen“, saust er bereits zum nächsten Motiv/Ort.
Zudem werden die Opfer nur beziehungsweise zu sehr nur in ihrer Leidensrolle vorgestellt. Ihre Identitäten bleiben weitgehend unbekannt/viel zu anonym. Und auch in der Beschreibung der aufkeimenden Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Schnüffler-Profi geht es dramaturgisch viel zu lax zu. Also: Aus dem Thema hätte eigentlich viel mehr herausgeholt werden müssen, hätte viel mehr als nur die thematische wie menschliche Oberfläche angekratzt werden dürfen. Und schließlich gleitet das „seriöse Drama“ in einen „spannenden Groschenroman-Thriller“ mit (zu) viel epischer Musik-Soße über. Kreuzpaintner, so hat es den Eindruck, wollte das amerikanische wie europäische/deutsche Kino-Publikum in der brisanten wie hochaktuellen Geschichte um die Zerstörung menschlichen Lebens gleichermaßen „bedienen“ und verhedderte sich dabei in der Machart ein ums andere mal.
Allerdings: „Oscar“-Preisträger Kevin Kline ("Ein Fisch namens Wanda") überzeugt in der desillusionierten „Vater“-Figur des Polizisten und führt/hält den Spannungsbogen, während seine schauspielerische Umgebung bemüht mithält. Fazit: Ein vor allem nur im Kopf bedeutender, wichtiger Film, der dort gut aufrüttelt und packt, während das Interesse an Figuren/Schauplätze/Bilder eher begrenzt ist, aber durchaus stets wach bleibt.
Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene
USA 2007, Regie: Billy Ray, Hauptdarsteller: Chris Cooper, Ryan Phillippe
Der Film von Drehbuch-Autor und Regisseur Billy Ray (Regie-Debüt „Shattered Glass"/2002; Co-Autor bei „Flightplan – Ohne jede Spur“ mit Jodie Foster/2005), ist ein hochkarätiges Spannungsding. Das dem Motto folgt: Wenn Du Spitzenschauspieler an der Hand hast, hast Du im Grunde schon gewonnen. Hier sind es zwei Klasse-Mimen, die einen dadurch erstklassigen Thriller adeln: Der bei uns leider immer noch viel zu wenig bekannte/beachtete „Oscar“-Preisträger Chris Cooper (gerade in „Operation: Kingdom“, davor u. a. in „Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg“ als Pferde-Trainer/2003; „Adoption – Der Orchideendieb"/"Oscar"/2002 und vor allem in „American Beauty“ als grantiger Cornel-Nachbar) sowie der ebenfalls hierzulande immer noch viel zu sehr „unterschätzte“ Ryan Philipppe ("Flags of Our Fathers“ von Clint Eastwood; „Eiskalte Engel"/1999; „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast"/1997).
„Enttarnt“ erzählt die aufregende Geschichte um einen Jungspunt, der beim FBI Karriere als Agent machen möchte. Als er einem neuen Boss als Mentor „zugeteilt“ wird, bekommt er seine große Chance. Denn dieser Boss, Robert Hanssen, ein pathologischer Katholik, wird verdächtigt, seit vielen Jahren den Sowjets bzw. dann den Russen hochkarätigstes Geheim-Material besorgt/verkauft zu haben. Eric O`Neill soll letzte Beweise ´ranschaffen. Was so platt und dürftig klingt, entpuppt sich in Wahrheit als exzellenter Spannungsfilm, der auf authentischen Figuren/auf authentischem Material basiert. FBI-Agent Robert Hanssen wurde 2001 festgenommen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er zählt zu den „größten Spionen“ in der Geschichte der USA überhaupt. Der Film erzählt klar, nüchtern, sachlich von den Beteiligten. Zeigt/schildert überzeugend die Komplexität der zwischenmenschlichen Beziehungen. Bleibt ohne Übertreibungen/Pathos an den außerordentlichen wie spannenden Fakten; ist zugleich auch ein fesselnder Psycho-Thriller. Wirkt angenehm-unaufgeregt wie bestechend charakter-dramatisch. Ein erstklassiges Spannungs-Movie mit zwei großartigen Hauptakteuren. Wie die sich packend-duellieren, wird atmosphärisch-prima „durchgezogen“. In weiteren Rollen u. a. Laura Linney ("Die Truman Show"), Bruce Davison, Caroline Dhavernas. Ein Highlight von „ganz anderem Agenten-Thriller“.
Invasion
USA 2007, Regie: Oliver Hirschbiegel, Hauptdarsteller: Nicole Kidman, Daniel Craig
Dieser Hollywoodfilm wurde ursprünglich vom deutschen Regisseur Oliver Hirschbiegel, dem Hamburger des Jahrgangs ´57, inszeniert. Doch der Regisseur des vieldiskutierten Hitler-Films „Der Untergang“ (2004/mit Bruno Ganz), der schon 2001, mit seinem Regie-Erstling „Das Experiment“, mit Moritz Bleibtreu, brillierte, hatte bei/mit seinem ersten filmischen Amerika-Ausritt Pech.
Sein mit „Oscar“-Preisträgerin Nicole Kidman ("The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit"/2003) und dem Danach-neuen-Bond Daniel Craig ("Casino Royale") hochkarätig besetzter, bereits Ende 2005 gedrehter Streifen trägt zwar immer noch seinen Regie-Namen, dennoch stammt er in weiten Teilen von den Wachowski-„Matrix“-Brüdern und dem Regisseur James McTeigue ("V wie Vendetta"/2006). Das „Warner“-Auftrags-Studio/der Star-Produzent Ron Silver (die „Lethal Weapon“-/die „Stirb langsam“-Reihen) mochten Hirschbiegels Endschnitt nicht, unterzogen dem Produkt einer ziemlich radikalen Revision.
Was dem „neuen Film“ aber auch nichts nutzte, er floppte total an den amerikanischen Kinokassen. „Invasion“ basiert auf der Novelle „Invasion of the Body Snatchers“ von Jack Finney (1911-1995). Unter dem Titel „Die Dämonischen“ brachte Don Siegel den kultigen Schwarz-Weiß-Film 1956 in die Kinos. Mit „Die Körperfresser kommen“ von Philip Kaufman (1978/mit Donald Sutherland) und „Body Snatchers“ von Abel Ferrara (1993) folgten zwei weitere Remake-Versionen. Jetzt also die uninspirierte, weitgehend spannungsarme, ziemlich vorhersehbar-konfuse „moderne Story“. Von der menschlichen/gesellschaftlichen Gleichmacherei durch eine „außerirdische Infektion“, die Menschen im Schlaf zu „emotionslosen Automaten“ umpolt. Die Kidman als ahnende, dagegen kämpfende Psychotherapeutin wirkt völlig sinnfremd-unterfordert; das Drumherum kann sich überhaupt nicht zwischen Action-/Horror-/Science Fiction-Film oder zwischen der Rühr-Geschichte Mutti rettet tapfer den Sohnematz entscheiden. Und als politische Allegorie auf USA-Zustände heute läuft die Chose völlig albern, doof, daneben. Geschätzte 50 Millionen Dollar wurden hier an Produktionskosten verbraten/in den dünnen Spannungssand gesetzt. Ein cineastischer Blindgänger-Langweiler.
Gefahr und Begierde
China/USA 2007, Regie: Ang Lee, Hauptdarsteller: Tony Leung, Joan Chen
Der 53-jährige taiwanesische Regisseur und Drehbuch-Autor Ang Lee, der an der New Yorker Universität Theater- und Filmproduktion studierte, zählt derzeit zu den innovativsten, spannendsten Filmkünstlern überhaupt. Der gleich mit seinen ersten Filmen Aufsehen erregte: „Eat Drink Man Woman“ (1994), „Sinn und Sinnlichkeit“ (1995), „Der Eissturm“ (1997). Für „Tiger and Dragon“ gab es 2001 gleich vier „Oscars“, darunter die Trophäe für den „besten fremdsprachigen Film“. Für die Schwulen-Beziehung „Brokeback Mountain“ (2005) wurde Lee mit Preisen überhäuft, darunter war der Regie-„Oscar“ sowie der Venedig-Hauptpreis, der „Goldene Löwe“. Sein neuestes Werk, basierend auf einer Kurzgeschichte von Eileen Chang (1920-1995), entstand als Co-Produktion USA/Hongkong, hatte seine Welturaufführung kürzlich ebenfalls im Wettbewerbsprogramm der Filmfestspiele von Venedig und wurde dort erneut mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet. Es ist eine Art atmosphärischer Liebes-Thriller.
Er ist im Shanghai Ende der 30er Jahre angesiedelt, während der japanischen Besetzung. Eine studentische Theatergruppe gründet eine Widerstandszelle. Mit der Absicht, einen gefährlichen Kollaborateur umzubringen, wird eine junge Frau als Lockvogel engagiert/angesetzt. Der erste Versuch scheitert, drei Jahre später aber ergibt sich eine „neue Chance/Gelegenheit“. 156 Minuten lange Kameraeinstellungen, schleichende Charakterentwicklungen, sinnliche Bett-Gymnastik. Motto: Die Untergrund-Aktivistin und der böse Charme-Wolf. Ihre Intimität wird außergewöhnlich detailliert, aber auch unvoyeuristisch präsentiert. Als dramaturgische Fick-Poesie, zur Erklärung/zum Begreifen von Gewalt und Abhängigkeit. Seltsam kalt wirkt der Film. Unnahbar, für unsere Augen hier auch irgendwie beliebig. Aber spannend in den Akteuren: Der chinesische Superstar Tony Leung ("In The Mood For Love“; „2046") gibt den coolen Macht-Haber, den skrupellosen Folterer, Herrn Yi, während die Newcomerin Tang Wei das zerbrechlich- wirkende Polit-Fräulein mimt. Ein aufwendig gestalteter Historienfilm mit Kamasutra-Appeal und dem Geschmack eines Spionage-Thrillers. Die computer-entwickelte Rekonstruktion vom Shanghai der 30er Jahre beschwört den Mythos vom „New York des Fernen Ostens“, ist zunächst faszinierend, wirkt aber dann auch irgendwie blutleer. Weil Figuren/Ort/Story/Ideen/Gefühle/Bewegungen an einem „vorbeiziehen“, ohne zu packen, ohne wirklich zu interessieren. „Gefahr und Begierde“ ist ein neuer Ang-Lee-Film, mit dem ich mich/bei dem ich mich ziemlich „schwer tue“.
USA /BRD 2007, Regie: Marco Kreuzpaintner, Darsteller: Kevin Kline, Alicja Bachleda, Paulina Gaitan
„Trade – Willkommen in Amerika“ ist der erste Hollywoodfilm des 30-jährigen, in Rosenheim geborenen Regisseurs und Drehbuchautors Marco Kreuzpaintner. Der Sohn einer Sekretärin und eines Briefträgers erlernte das Filmhandwerk autodidaktisch bei Jobs in der Film- und Werbebranche sowie bei Musikproduktionen. Er studierte Kunstgeschichte in Salzburg, war Assistent bei Edgar Reitz und Peter Lilienthal.
1999 übernahm er die deutsche Synchronassistenz für den letzten Stanley-Kubrick-Film „Eyes Wide Shut“. Im gleichen Jahr lief sein erster Kurzfilm – „Entering Reality“ – auf einigen Filmfestivals und bekam außergewöhnlichen Zuspruch. „Ganz oder gar“ war 2003 sein erster Spielfilm. Ein Jahr darauf folgte die Homo-Komödie „Sommersturm“. Jetzt also Hollywood (USA/D), mit immerhin Roland Emmerich ("The Day After Tomorrow") als namhaften Co-Produzenten.
Der Film basiert auf dem am 25. Januar 2004 im „New York Times Magazine“ veröffentlichten Artikel „The Girl Next Door“ des Journalisten Peter Landesman. In dem geht es um die „vielleicht Zehntausenden“ von mexikanischen Mädchen/Frauen und Jungen, die gegen ihren Willen in den USA als Sexsklaven festgehalten würden. Um das Netzwerk des Sex-Handels also zwischen Mexiko/USA und Europa. Dieser globale Menschenhandel steht im Blick- und Mittelpunkt des Films. Dessen Entstehung von Hilfsorganisationen wie UNICEF, terre des hommes und amnesty international unterstützt wurde: „Jährlich werden 2,4 Millionen Menschen verkauft“, heißt es z. B. bei amnesty international. Damit würden pro Jahr rund 32 Milliarden Dollar verdient. Der Handel findet vor allem dort statt, wo Armut herrscht. Etwa zwölf Millionen Menschen leben zurzeit weltweit in moderner Sklaverei.
Tatort Mexiko-City. Am helllichten Tag wird dort die 13-jährige Adriana verschleppt. Ihr kleinkrimineller 17-jähriger Bruder Jorge nimmt die Verfolgung auf. Zeitgleich gerät auch die Polin Veronica in die Fänge der Mädchenhändler. Sie wurde mit dem Versprechen auf Arbeit nach Mexiko gelockt. Der Film verfolgt fortan parallel die widerwärtigen Spuren dieser beiden (wie auch anderer) Opfer-Ware. Zugleich wird – nach etwa einer Stunde – die Figur des amerikanischen Versicherungspolizisten Ray miteingeflochten. Er, der selbst einst seine Tochter verloren hat (und sie immer noch sucht), kommt mit Jorge in Kontakt. Nach anfänglichem Misstrauen und einiger Skepsis werden sie zu Verbündeten, die sich nach und nach auch anzufreunden beginnen.
Die Absicht steht hier im Vordergrund und erscheint wichtiger als die mit einigen (Hollywood-)Debütanten-Schwächen begleitete Dramaturgie/Erzählweise. Denn die hantiert desöfteren mit stumpfen Moralbotschaften, mit Klischees (= notorisch korrupte mexikanische Polizisten...) und nicht präzise wie tiefer beschriebenen Details bzw. Entwicklungen. Zwar gelingt es Kreuzpaitner Emotionen wie Hilflosigkeit, Wut und Scham näherzubringen, doch bevor sie „wirklich ankommen“, saust er bereits zum nächsten Motiv/Ort.
Zudem werden die Opfer nur beziehungsweise zu sehr nur in ihrer Leidensrolle vorgestellt. Ihre Identitäten bleiben weitgehend unbekannt/viel zu anonym. Und auch in der Beschreibung der aufkeimenden Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Schnüffler-Profi geht es dramaturgisch viel zu lax zu. Also: Aus dem Thema hätte eigentlich viel mehr herausgeholt werden müssen, hätte viel mehr als nur die thematische wie menschliche Oberfläche angekratzt werden dürfen. Und schließlich gleitet das „seriöse Drama“ in einen „spannenden Groschenroman-Thriller“ mit (zu) viel epischer Musik-Soße über. Kreuzpaintner, so hat es den Eindruck, wollte das amerikanische wie europäische/deutsche Kino-Publikum in der brisanten wie hochaktuellen Geschichte um die Zerstörung menschlichen Lebens gleichermaßen „bedienen“ und verhedderte sich dabei in der Machart ein ums andere mal.
Allerdings: „Oscar“-Preisträger Kevin Kline ("Ein Fisch namens Wanda") überzeugt in der desillusionierten „Vater“-Figur des Polizisten und führt/hält den Spannungsbogen, während seine schauspielerische Umgebung bemüht mithält. Fazit: Ein vor allem nur im Kopf bedeutender, wichtiger Film, der dort gut aufrüttelt und packt, während das Interesse an Figuren/Schauplätze/Bilder eher begrenzt ist, aber durchaus stets wach bleibt.
Enttarnt – Verrat auf höchster Ebene
USA 2007, Regie: Billy Ray, Hauptdarsteller: Chris Cooper, Ryan Phillippe
Der Film von Drehbuch-Autor und Regisseur Billy Ray (Regie-Debüt „Shattered Glass"/2002; Co-Autor bei „Flightplan – Ohne jede Spur“ mit Jodie Foster/2005), ist ein hochkarätiges Spannungsding. Das dem Motto folgt: Wenn Du Spitzenschauspieler an der Hand hast, hast Du im Grunde schon gewonnen. Hier sind es zwei Klasse-Mimen, die einen dadurch erstklassigen Thriller adeln: Der bei uns leider immer noch viel zu wenig bekannte/beachtete „Oscar“-Preisträger Chris Cooper (gerade in „Operation: Kingdom“, davor u. a. in „Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg“ als Pferde-Trainer/2003; „Adoption – Der Orchideendieb"/"Oscar"/2002 und vor allem in „American Beauty“ als grantiger Cornel-Nachbar) sowie der ebenfalls hierzulande immer noch viel zu sehr „unterschätzte“ Ryan Philipppe ("Flags of Our Fathers“ von Clint Eastwood; „Eiskalte Engel"/1999; „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast"/1997).
„Enttarnt“ erzählt die aufregende Geschichte um einen Jungspunt, der beim FBI Karriere als Agent machen möchte. Als er einem neuen Boss als Mentor „zugeteilt“ wird, bekommt er seine große Chance. Denn dieser Boss, Robert Hanssen, ein pathologischer Katholik, wird verdächtigt, seit vielen Jahren den Sowjets bzw. dann den Russen hochkarätigstes Geheim-Material besorgt/verkauft zu haben. Eric O`Neill soll letzte Beweise ´ranschaffen. Was so platt und dürftig klingt, entpuppt sich in Wahrheit als exzellenter Spannungsfilm, der auf authentischen Figuren/auf authentischem Material basiert. FBI-Agent Robert Hanssen wurde 2001 festgenommen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Er zählt zu den „größten Spionen“ in der Geschichte der USA überhaupt. Der Film erzählt klar, nüchtern, sachlich von den Beteiligten. Zeigt/schildert überzeugend die Komplexität der zwischenmenschlichen Beziehungen. Bleibt ohne Übertreibungen/Pathos an den außerordentlichen wie spannenden Fakten; ist zugleich auch ein fesselnder Psycho-Thriller. Wirkt angenehm-unaufgeregt wie bestechend charakter-dramatisch. Ein erstklassiges Spannungs-Movie mit zwei großartigen Hauptakteuren. Wie die sich packend-duellieren, wird atmosphärisch-prima „durchgezogen“. In weiteren Rollen u. a. Laura Linney ("Die Truman Show"), Bruce Davison, Caroline Dhavernas. Ein Highlight von „ganz anderem Agenten-Thriller“.
Invasion
USA 2007, Regie: Oliver Hirschbiegel, Hauptdarsteller: Nicole Kidman, Daniel Craig
Dieser Hollywoodfilm wurde ursprünglich vom deutschen Regisseur Oliver Hirschbiegel, dem Hamburger des Jahrgangs ´57, inszeniert. Doch der Regisseur des vieldiskutierten Hitler-Films „Der Untergang“ (2004/mit Bruno Ganz), der schon 2001, mit seinem Regie-Erstling „Das Experiment“, mit Moritz Bleibtreu, brillierte, hatte bei/mit seinem ersten filmischen Amerika-Ausritt Pech.
Sein mit „Oscar“-Preisträgerin Nicole Kidman ("The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit"/2003) und dem Danach-neuen-Bond Daniel Craig ("Casino Royale") hochkarätig besetzter, bereits Ende 2005 gedrehter Streifen trägt zwar immer noch seinen Regie-Namen, dennoch stammt er in weiten Teilen von den Wachowski-„Matrix“-Brüdern und dem Regisseur James McTeigue ("V wie Vendetta"/2006). Das „Warner“-Auftrags-Studio/der Star-Produzent Ron Silver (die „Lethal Weapon“-/die „Stirb langsam“-Reihen) mochten Hirschbiegels Endschnitt nicht, unterzogen dem Produkt einer ziemlich radikalen Revision.
Was dem „neuen Film“ aber auch nichts nutzte, er floppte total an den amerikanischen Kinokassen. „Invasion“ basiert auf der Novelle „Invasion of the Body Snatchers“ von Jack Finney (1911-1995). Unter dem Titel „Die Dämonischen“ brachte Don Siegel den kultigen Schwarz-Weiß-Film 1956 in die Kinos. Mit „Die Körperfresser kommen“ von Philip Kaufman (1978/mit Donald Sutherland) und „Body Snatchers“ von Abel Ferrara (1993) folgten zwei weitere Remake-Versionen. Jetzt also die uninspirierte, weitgehend spannungsarme, ziemlich vorhersehbar-konfuse „moderne Story“. Von der menschlichen/gesellschaftlichen Gleichmacherei durch eine „außerirdische Infektion“, die Menschen im Schlaf zu „emotionslosen Automaten“ umpolt. Die Kidman als ahnende, dagegen kämpfende Psychotherapeutin wirkt völlig sinnfremd-unterfordert; das Drumherum kann sich überhaupt nicht zwischen Action-/Horror-/Science Fiction-Film oder zwischen der Rühr-Geschichte Mutti rettet tapfer den Sohnematz entscheiden. Und als politische Allegorie auf USA-Zustände heute läuft die Chose völlig albern, doof, daneben. Geschätzte 50 Millionen Dollar wurden hier an Produktionskosten verbraten/in den dünnen Spannungssand gesetzt. Ein cineastischer Blindgänger-Langweiler.
Gefahr und Begierde
China/USA 2007, Regie: Ang Lee, Hauptdarsteller: Tony Leung, Joan Chen
Der 53-jährige taiwanesische Regisseur und Drehbuch-Autor Ang Lee, der an der New Yorker Universität Theater- und Filmproduktion studierte, zählt derzeit zu den innovativsten, spannendsten Filmkünstlern überhaupt. Der gleich mit seinen ersten Filmen Aufsehen erregte: „Eat Drink Man Woman“ (1994), „Sinn und Sinnlichkeit“ (1995), „Der Eissturm“ (1997). Für „Tiger and Dragon“ gab es 2001 gleich vier „Oscars“, darunter die Trophäe für den „besten fremdsprachigen Film“. Für die Schwulen-Beziehung „Brokeback Mountain“ (2005) wurde Lee mit Preisen überhäuft, darunter war der Regie-„Oscar“ sowie der Venedig-Hauptpreis, der „Goldene Löwe“. Sein neuestes Werk, basierend auf einer Kurzgeschichte von Eileen Chang (1920-1995), entstand als Co-Produktion USA/Hongkong, hatte seine Welturaufführung kürzlich ebenfalls im Wettbewerbsprogramm der Filmfestspiele von Venedig und wurde dort erneut mit dem „Goldenen Löwen“ ausgezeichnet. Es ist eine Art atmosphärischer Liebes-Thriller.
Er ist im Shanghai Ende der 30er Jahre angesiedelt, während der japanischen Besetzung. Eine studentische Theatergruppe gründet eine Widerstandszelle. Mit der Absicht, einen gefährlichen Kollaborateur umzubringen, wird eine junge Frau als Lockvogel engagiert/angesetzt. Der erste Versuch scheitert, drei Jahre später aber ergibt sich eine „neue Chance/Gelegenheit“. 156 Minuten lange Kameraeinstellungen, schleichende Charakterentwicklungen, sinnliche Bett-Gymnastik. Motto: Die Untergrund-Aktivistin und der böse Charme-Wolf. Ihre Intimität wird außergewöhnlich detailliert, aber auch unvoyeuristisch präsentiert. Als dramaturgische Fick-Poesie, zur Erklärung/zum Begreifen von Gewalt und Abhängigkeit. Seltsam kalt wirkt der Film. Unnahbar, für unsere Augen hier auch irgendwie beliebig. Aber spannend in den Akteuren: Der chinesische Superstar Tony Leung ("In The Mood For Love“; „2046") gibt den coolen Macht-Haber, den skrupellosen Folterer, Herrn Yi, während die Newcomerin Tang Wei das zerbrechlich- wirkende Polit-Fräulein mimt. Ein aufwendig gestalteter Historienfilm mit Kamasutra-Appeal und dem Geschmack eines Spionage-Thrillers. Die computer-entwickelte Rekonstruktion vom Shanghai der 30er Jahre beschwört den Mythos vom „New York des Fernen Ostens“, ist zunächst faszinierend, wirkt aber dann auch irgendwie blutleer. Weil Figuren/Ort/Story/Ideen/Gefühle/Bewegungen an einem „vorbeiziehen“, ohne zu packen, ohne wirklich zu interessieren. „Gefahr und Begierde“ ist ein neuer Ang-Lee-Film, mit dem ich mich/bei dem ich mich ziemlich „schwer tue“.