Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Sachsen-Anhalt machte 1998 den Anfang: Die SPD stellte eine Alleinregierung und wurde von der PDS-Opposition unterstützt. Im gleichen Jahr koalierten Sozialdemokraten und Linke in Mecklenburg-Vorpommern, 2001 folgte Berlin. Welche Chancen und Risiken das Bündnis bringt.
Sachsen-Anhalt

Von Susanne Arlt

(Schäfer) "Dr. Höppner, ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen?"
(Höppner) "Ja, ich nehme die Wahl an." (Beifall)

Keine 100 Tage, prophezeiten damals die Spötter der rot-grünen Minderheitsregierung, werde sich Reinhard Höppner als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt im Amt halten können. Das bundesweit umstrittene Modell, Politik mit wechselnden Mehrheiten zu gestalten, sei eine Gratwanderung. Das Wagnis, die fehlenden Stimmen bei der Opposition, entweder der PDS oder gar der CDU, einsammeln zu müssen, um eigene Gesetzesvorhaben im Parlament durchbringen zu können, sei einfach zu groß, glaubten die Kritiker. Zu Unrecht. Acht Jahre lang hielt sich Reinhard Höppner in seinem Amt - allerdings nur mit Billigung der PDS. Wulf Gallert, damals parlamentarischer Geschäftsführer, heute Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, sagt rückblickend:

"Dies war keine Diskussion, die die Partei intensiv geführt hätte. Das war tatsächlich damals ganz maßgeblich vom Landesvorsitzenden Claus initiiert worden, und zwar mit der eindeutigen Überlegung, gegenüber der damals schon ziemlich abgewirtschafteten CDU eine politische Wechseloption aufzumachen."

Im Sommer 1994 hatten die Sachsen-Anhalter ihr neues Parlament gewählt. Vier Parteien schafften es in den Landtag: CDU, SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen. Die Christdemokraten hatte 34,4 Prozent der Stimmen geholt, die Sozialdemokraten lagen knapp darunter. Da die CDU keine eigene parlamentarische Mehrheit fand, entstand die Idee des "Magdeburger Modells". Also eine Minderheitsregierung zu installieren, die dann mit wechselnden Mehrheiten das Land regiert. Diese Vorstellung musste allerdings schnell wieder begraben werden, denn die CDU lehnte das Modell strikt ab. Der PDS kam diese Entwicklung wie gerufen. Vier Jahre lang war man von den anderen demokratischen Parteien nahezu ignoriert worden. Und nicht nur das. Viele Bürger wendeten sich von der ehemaligen SED-Partei ab. Aus dieser Schmuddelecke, sagt Wulf Gallert, wollten wir raus.

"Natürlich hatte die PDS damals einen ganz schweren Stand. Die Mitglieder liefen immer noch zu Scharen weg, man war völlig stigmatisiert und isoliert. Da waren wir für viele andere noch die Unberührbaren, die also überhaupt keine gesellschaftliche Mehrheitsfähigkeit besitzen durften, das wäre alles ganz schlimm gewesen."

Das Angebot der PDS, eine rot-grüne Minderheit zu tolerieren, war also politisches Kalkül. Es gab zwar keinen Koalitionsausschuss, aber einen Ausschuss für Zusammenarbeit, der regelmäßig tagte. Das politische Kalkül ging nach acht Jahren auf. Zugunsten der PDS und zuungunsten der SPD, glaubt der Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch:

"Wenn sie fallweise Entscheidungen treffen oder nur für einen kurzen Zeitraum, ist natürlich eine Regierung ohne Mehrheit immer wieder in einer schwachen Lage, wo die andere Seiten sagen kann, nun wir stimmen zu, wenn wir die Gegenleistung bekommen. Man ist erpressbar."

Der frühere Ministerpräsident Reinhard Höppner sieht das ganz anders. Erpressbar sei er zu keinem Zeitpunkt gewesen, sagt der SPD-Politiker. Sein Kabinett sei nur dann der PDS entgegen gekommen, wenn man die Vorschläge auch akzeptieren konnte. Eine Minderheitsregierung provoziere aber mehr politische Transparenz:

"Was vielleicht als Problem erscheint, aber im Sinne der Demokratie eher besser ist: Es sind viele Probleme in der Öffentlichkeit des Landtages ausgetragen worden, die in Koalitionen normalerweise hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden."
Bei der nächsten Landtagswahl im Jahr 1998 erhielt die Sozialdemokraten dann 35,9 Prozent der Stimmen, die CDU rutschte auf 22 Prozent ab, die PDS blieb stabil bei knapp 20 Prozent. Fairerweise hätte die SPD nach einer vierjährigen Verlobung mit der PDS jetzt mit ihr Hochzeit feiern können. Doch das wollten wir nicht, sagt Reinhard Höppner. Denn wenige Monate später fand die Bundestagswahl statt. Eine rot-rote Regierung wollten die Sachsen-Anhalter dem damaligen SPD-Spitzenkandidaten Gerhard Schröder nicht zumuten. Die SPD regierte fortan allein und wurde weiter von der PDS toleriert. Im Nachhinein, sagt Höppner, erwies sich das aber als Fehler. Denn drei Jahre später führte die PDS einen aggressiven Wahlkampf gegen die SPD.

"Das ist sicherlich ein Mangel der Konstruktion gewesen, dass die PDS sich dann plötzlich aus der Verantwortung stehlen konnte nach dem Motto: Die guten Dinge haben wir durchgebracht und für die schlechten konnten wir leider nichts, weil wir nicht in der Regierung waren."

Auch Wulf Gallert, Fraktionschef der Linken, bezeichnet rückblickend die Fortsetzung des Magdeburger Modells als Fehler. Seine Gründe aber sind andere:

"Wir hätten eine Koalition machen müssen, weil das entscheidende Problem der Tolerierung war, die partielle und punktuelle Mehrheitsfindung jeweils an der Sachfrage. Das hört sich gut an, hat einen Nachteil: Man war nicht in der Lage mittel- und langfristige strategische Konzepte umzusetzen."

Doch ein Ziel hatte die PDS erreicht: Nach acht Jahren Tolerierung war sie nicht mehr die unberührbare Partei. Mit dem einst politischen Schmuddelkind fing man jetzt an, richtig zu spielen.

Mecklenburg-Vorpommern

Von Almuth Knigge

Linke-Basis in Mecklenburg-Vorpommern. Die Basis hier in Nordvorpommern ist unzufrieden. Sie sieht ihren Einfluss schwinden, und die Parteispitze erscheint zu sehr angekommen im Machtsystem des Kapitalismus.

(Frau) "Von Anfang an kennen wir nichts anderes als abgestempelt zu werden als Belzebub, weil der Antikommunismus nach wie vor unverändert seine Wirkung zeigt."

(Mann) "Eine sozialistische Partei oder auch linksorientierte Partei in einem kapitalistischen System sollte Opposition machen. Jeder Versuch, sich an der Regierung zu beteiligen, führt dazu, dass man nichts weiter macht als Steigbügelhalter der Bourgeoisie zu sein."

Bei den Diskussionen an der Basis geht es vor allem um die Ausrichtung der Partei. Helmut Holter kennt das. Er selber ist oft Mittelpunkt der Kritik, seit er 1998, damals noch als Parteivorsitzender der PDS, maßgeblich am Zustandekommen der ersten rot-roten Koalition mitgewirkt. Von Beginn an suchte er die Nähe zur SPD, zu Harald Ringstorf.

"Ich habe seit 1994 mit Harald Ringstorf ein gutes Verhältnis aufgebaut. Wir hatten 1994 das erste Mal eine Chance, hier in Schwerin eine Koalition einzugehen. Das ist damals abgelehnt worden, das war auch erstens viel zu früh und zweitens hat die SPD einen klaren Abgrenzungsbeschluss gefasst. Aber wir haben die Chance genutzt, uns ständig auszutauschen über Politik, aber auch die Situation in den Parteien, und haben dann Gesprächskontakte und Arbeitsbeziehungen entwickelt, die dann ermöglicht haben, 1998 mit ruhigem Gewissen und Überzeugung in diese Koalition zu gehen."

1998 dann der zweite Anlauf – die erste rot-rote Landesregierung im Bund. Damit begann das Dilemma der Linkspartei im Nordosten – dafür und gleichzeitig dagegen zu sein.

"Die Lehre für eine linke Partei ist, dass sie nicht ständig auf einem aufsteigenden Ast in der Wählergunst sein kann, denn auch das hab ich vor 98 immer gesagt, wer für etwas entscheidet, der muss sich auch gegen etwas entscheiden. Und natürlich, in dem Moment, wo es um politische Ausrichtung und Mittelverteilung geht, entscheidet man auch gegen Wünsche und gegen Erwartungen."

Bei den Landtagswahlen 2006 wurden sie dafür abgestraft. 16 Prozent reichten nicht mehr für Ministerehren. Die Regierungsbeteiligung hat Stimmen gekostet. Die Wähler warfen den Linken Profillosigkeit vor. Nach zwei Jahren in der Opposition hat sich das geändert, meint Holter:

"Ich spüre aber jetzt auch mit den acht Jahren Regierungserfahrung, dass die Diskussionen an der Basis ganz anders laufen, als sie vor 1998 gelaufen sind. Vor dem Regierungseintritt 1998 war erstmal die blanke Ablehnung vorhanden, jetzt wird die Frage gestellt, wie können wir denn eigentlich die Regierungsbildung vorantreiben? Und ist die SPD bereit dazu? Müssen wir uns nicht Sorgen um die Entwicklung der SPD machen, es könnte uns ja der Partner abhanden kommen. Das sind ganz andere inhaltliche Diskussionen, die jetzt geführt werden, als sie vor zehn Jahren geführt worden sind."

Anders ausgedrückt: Sozialismus ist bei den Linken im Osten nur noch in Spurenelementen zu spüren. Die Partei ist mehr als nur der Treuhänder der Volkswut, mehr als eine Milieupartei wegevaluierter DDR-Intelligenz, Wendeverlierern, alten Kadern und Linksalternativen, die nicht wissen, wo sie hingehören. Noch-Landeschef Peter Ritter:

"Also es geht für uns um machbare Alternativen. Wir dürfen jetzt nicht zurückverfallen in Wolkenkuckucksheime, weil wir haben acht Jahre lang gelernt, was in Regierungsbeteiligung auf Landesebene möglich ist, wo die Grenzen sind. Und insofern sind wir hier gefordert, viel intensiver an unserer eigenen Qualität zu arbeiten."

Es geht hier immer noch um Vergangenheitsbewältigung. Diesen Prozess haben Holter und Ritter gerade in diesem Jahr verstärkt vorangetrieben, damit der Wähler in zwei Jahren, bei der nächsten Landtagswahl, nicht mehr verunsichert ist, ob die Linke überhaupt mitregieren will.

(Holter) "Es geht auf der einen Seite immer um Vertrauen in der Partei, Vertrauen in der Regierung, aber auch Vertrauen in der Gesellschaft. Wenn wir uns erinnern, waren 98 die Schlagzeilen derart: In Mecklenburg-Vorpommern geht das Abendland unter. Und die Mauer wird wieder errichtet. Und alle Grausamkeiten wurden an die Wand gemalt, ist ja alles nicht eingetreten."

Harald Ringstorff hält sich in den ganzen Diskussionen um das Personal und die Koalitionsfähigkeit der Linkspartei zurück. Man müsse wissen, mit wem man es zu tun habe, ist das einzige, was man ihm entlocken kann. Zwischen den Zeilen kann man aber so etwas wie einen Tipp heraushören, den Ringstorff für die politisch Handelnden hat:

"Diese Koalition hat wohl auch ein bisschen dazu beigetragen, den Populismus der PDS zu drosseln und unter der Decke zu halten, denn wir haben ja nachher eine sehr solide Finanzpolitik gemacht. Und wir haben es immerhin geschafft, in dieser Konstellation einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Und wenn man die Stimmenergebnisse der PDS in Mecklenburg-Vorpommern sieht, muss man doch zu der Auffassung kommen, dass es kein Höhenflug war, den die PDS in Regierungsverantwortung angetreten hat."

Berlin

Von Günter Hellmich

Immerhin die Berliner Wähler wussten, worauf sie sich im Jahre 2001 einließen. Klaus Wowereit, der im Juni durch ein konstruktives Misstrauensvotum mit rot-rot-grüner Mehrheit als Nachfolger von Eberhard Diepgen zum Regierenden Bürgermeister eines rot-grünen Minderheitssenates gewählt worden war, hatte im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen: Er würde nach der vorgezogenen Neuwahl im Herbst notfalls auch die PDS mit in die Landesregierung gehen. Und so kam es dann auch. Gregor Gysi, der als Spitzenkandidat angetreten war, holte für seine Leute 22,6 Prozent der Zweitstimmen. Zusammen mit den knapp 30 Prozent der Sozialdemokraten war das die rot-rote Regierungsmehrheit. Die SED-Nachfolger als Partner im Senat - das war gerade hier in Berlin, für viele Westberliner, insbesondere auch zwölf Jahre nach dem Mauerfall, ein Affront. Klaus Wowereit riskierte den Tabubruch und zeigte sich zugleich verständnisvoll:

"Ich weiß auch, dass viele Menschen sowohl aus dem ehemaligen Ostteil der Stadt, wie aus dem ehemaligen Westteil der Stadt, Mühe haben, sich an diese Koalition zu gewöhnen."

Und in fast acht Jahren ist die Gewöhnung eingetreten, was wohl auch damit zu tun hatte, dass die PDS nicht die Kaderreserve der SED ins Rote Rathaus geschickt hatte, sondern einen politischen Entertainer wie Gysi als Galionsfigur und ansonsten mit Westlinken oder Nachwuchskräften in den Führungspositionen antrat. Dennoch: Mauer und Stacheldraht wirkten immer noch als Distanzmittel. Michael Müller, SPD-Landes- und Fraktionschef, sieht darin heute rückblickend den größten Konflikt, den die Koalition durchzustehen hatte:

"Der Start war sehr schwierig, der Start war auch für die SPD sehr schwierig, weil natürlich auch unterschiedliche politische Kulturen aufeinander geprallt sind. Und gerade für uns Berliner Sozialdemokraten war es natürlich von entscheidender Bedeutung, ob sich auch die PDS damals ja bekennt zu dem, was in der DDR passiert ist und sich eindeutig distanziert."

Das Schmuddelkind- und Rote Socken-Image des Koalitionspartners hatte Wowereit mit einkalkuliert, auf der anderen Seite stand die berechtigte Erwartung, dass die PDS für die Ehre in den Status einer "normalen" Partei erhoben zu werden auch bereit wäre, mit einem in der Politik besonders kostbaren Gut zu zahlen: mit Loyalität. Und nicht allein mit der im Parlament. Nur mit der Ost-Volkspartei PDS im Boot war es Wowereit und seinem Sparkommissar Sarrazin vermutlich möglich, derart einschneidende Sparmaßnahmen durchzusetzen, wie sie insbesondere der öffentliche Dienst der Stadt ertragen musste. Mit unter CDU-Ägide angesammelten Schulden von über 60 Milliarden Euro, einer sanierungsbedürftigen Landesbank und einer sich immer höher türmenden Zinslast begründete der Regierende Bürgermeister die Zumutungen des Landes an seine Bürger und Bediensteten:

"Berlin kann sich nicht am eigenen Schopf aus dem Wasser ziehen. Aber wir werden unsere Eigenverantwortung ernst nehmen. Erst wenn wir uns selbst geholfen haben, werden uns auch andere helfen. Berlin braucht einen tiefgreifenden Mentalitätswechsel. Seien wir doch ehrlich, wer in Berlin einen Veränderungsvorschlag macht, lebt gefährlich. Man muss immer damit rechnen, dass sich Interessengruppen nicht nur über den Vorschlag, nein, auch über seinen Urheber hermachen."

Natürlich gab es Proteste vor dem Roten Rathaus, die in der demogewohnten Hauptstadt allerdings wirkungslos verhallten. Schließlich hatten nach einem Treffen Wowereits mit Verdi-Chef Bsirske die Gewerkschaften einem sogenannten Solidarpakt zugestimmt, der neben dem Wegfall von tausenden von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst erhebliche Lohnkürzungen bis Ende 2009 festschrieb. Auch die PDS-Basis knurrte, aber - wie von Wowereit nicht anders erwartet - konnte sie von Gysi und Co zumeist eingebunden werden. Hier auf einem Parteitag 2002:

"Na meint Ihr, das macht Spaß, elf Bäder zu schließen? Was glaubt Ihr, was ich mir zu Hause anhören konnte dafür. Das hat ja unmittelbare Folgen so was. Bis hin zu den eigenen Kindern, dass ist doch ganz klar. Aber sie sind nicht mehr finanzierbar, wir können sie uns nicht mehr alle leisten. Das ist die Wahrheit. Und wenn wir eine Chance haben wollen in der Auseinandersetzung mit dem Bund, müssen wir Bedingungen schaffen, das wir sagen, jetzt kommt ihr nicht daran vorbei, das zu akzeptieren und das uns auch eine entsprechende Ergänzungszuweisung nach dem Grundgesetz zusteht, um von dem Schuldenberg irgendwie runterzukommen."

Die Klage um Bundeshilfe in Karlsruhe blieb bekanntlich erfolglos, aber Berlin war zum Vorbild für Sparmaßnahmen geworden, bundesweit – vor allem im öffentlichen Dienst und bei öffentlichen Dienstleistungen sowie beim Verkauf von landeseigenem Tafelsilber. Und das unter einer rot-roten Regierung. Wer sah, wie in der Bundespolitik, die dank Lafontaine zur "Linken" aufgewachsene PDS mit Hartz IV-Protesten woanders der SPD die Wähler abspenstig machte, kam aus dem Staunen nicht mehr raus, wie die gleichen Parteien hier gemeinsam die Erfolge ihrer Sparpolitik feierten. So viel Pragmatismus brachte den Berliner Linken 2006 neben Stimmenverlusten schließlich auch innerparteilichen Ärger ein und die Verordnung regelmäßiger Konsultationen mit der Bundespartei. Die bisherige Fraktionsvorsitzende und neue Sozialsenatorin sieht das gelassen und wünscht sich, dass andere Länder dem Berliner Vorbild folgen. Carola Bluhm:

"Für die Linke bleibt es ein Spagat, aber ein Spagat, den wir auch aushalten. Also auf der einen Seite regierungsbeteiligt zu sein und tatsächlich mit dem Möglichen umgehen zu müssen, und mit geringer werdenden Spielräumen in finanzieller Hinsicht, und auf der anderen Seite eine kraftvolle Opposition. Nun muss man sagen, dass die Krise tatsächlich uns da auch zusammengeführt hat."

Nimmt man das Berliner Ergebnis der letzten Bundestagswahl, hat die Linke die SPD mit gut 500 Stimmen überflügelt. Für die nächsten Abgeordnetenhauswahlen 2011 bedeutet das aber gar nichts, meint auch Carola Bluhm. Will sie die dann schon 10-jährige Koalition mit der SPD fortsetzen?

"Ja natürlich, also weil ich glaube das es dazu gar keine Alternative gibt."

Das sieht die CDU nach ihrem Erfolg am 27.September naturgemäß anders. In der Landespolitik hat sie, trotz der ursprünglich großen Vorbehalte in Presse und Öffentlichkeit gegen Wowereits Koalition mit der PDS, nicht profitieren können. Was an internen Zwistigkeiten liegt - man denke nur an das Scheitern von Friedbert Pflüger. Aber auch am Fehlen einer echten Machtoption, solange eine Koalition mit den Hauptstadt-Grünen, und sei es in der Jamaika-Version, völlig außer Reichweite ist. CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel ist nach dem großen Erfolg seiner Partei bei der Bundestagswahl dennoch optimistisch:

"Das gibt uns Rückenwind, das gibt Hoffnung und Zuversicht. Und ab heute - getreu dem Motto: Nach der Wahl ist vor der Wahl – liegt mein strategischer Fokus ganz klar auf dem Jahr 2011, hier wollen wir zu einer Ablösung von Rot-Rot beitragen."

So ganz unwahrscheinlich ist die Ablösung von Rot-Rot in zwei Jahren ja tatsächlich nicht. Rot-Rot-Grün könnten dann die Senatsfarben sein, so wie die der Oppositions-Parteien im Bundestag. Klaus Wowereit, dem man Ambitionen in der Bundespolitik nachsagt, die über das Amt eines stellvertretenden SPD-Vorsitzenden hinausgehen, könnte dann schon mal "vorbildliches" leisten – für eine Alternative zur dann amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung. Der Parteienforscher Richard Stöß von der FU Berlin sieht da noch einiges im Wege:

"Also ich würde mal vermuten, dass der Regierende Bürgermeister hier in Berlin viel zu tun hat. Er muss 2011 die Wahlen in Berlin gewinnen. Im Augenblick, mit Blick auf das Bundestagswahlergebnis, hat die SPD noch viel zu tun. Deswegen würde ich empfehlen, dass er sich erstmal um diese Aufgaben kümmert. Ich kann mir aber vorstellen, wenn es eine gemeinsame Oppositionsstrategie gibt 2013 bei der Bundestagswahl, dass er da als gemeinsamer Spitzenkandidat in Betracht kommt."