Spiel mit der Stadt
Wenn in Frankfurt in den nächsten zwei Wochen plötzlich jemand anfängt, im Müll zu leben, könnte es sich dabei um Kunst handeln. Die Frankfurter Schirn versucht mit dem Projekt "Playing the city" die Stadt als öffentlichen, gestaltbaren Raum zurückzugewinnen: mit Performances und kleinen Guerilla-Aktionen. Dafür stattet sie Interessierte auch mit entsprechender Ausrüstung aus. Erinnerungen an die "Situationistische Internationale" werden wach.
Noch sind die Bildschirme der schwarzglänzenden Videowand im "Playing the City"-Büro leer, aber bald schon wird sich Monitor um Monitor mit den Dokumentationen der laufenden Kunstereignisse füllen, wie ein Adventskalender. Mittendrin Max Hollein im Nadelstreifen, einen "backpack" von Nasan Tur auf dem Rücken. Mit solch einem vollgepackten Rucksackgestell schaut der Direktor der Schirn Kunsthalle wie ein Vogelhändler aus, aber Hollein hat unter den verschiedenen Modellen mit Mikro, Lautsprecher und Stativ, Tröte, Trommel und Blechschnarre oder Wasserkessel, Pfannen und Töpfen dann doch das Richtige gewählt:
"Ich habe mich jetzt mal für den schwersten und schwierigsten entschieden, nämlich den des Straßenkochs, der quasi für alle ein großes Mahl zubereiten kann. So ist man ja oft auch als Museumsdirektor oder Ausstellungskurator. Auf der anderen Seite können Sie sich von uns hier ausrüsten lassen als Demonstrant oder eben auch als Straßenmusiker."
Auch ein Sabotagerucksack findet sich in dem Sortiment. Wohl eher symbolisch, als Verweis darauf, dass hier nicht geduldiges Bildergucken gefragt ist, nicht kontemplative Betrachter, sondern Aktivisten, die die Dinge in Fluss und vielleicht sogar die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Kurator Matthias Ulrich:
"Es geht nicht um Verschönerung von Stadt, sondern es geht um Aktivität, die die Stadtbewohner hereinbringen. Die Projekte sind von kurzer Dauer lediglich, also sehr, sehr verschwindend in sich selber, als nichts eigentlich übrig bleibt."
Auffällige Wandbilder oder beiläufige Geräuschkulissen, alles kann sich aus dem Spiel mit der Stadt entwickeln. Mag sein, dass auch die One-Man-Demonstration auf dem Römer schon Teil des subversiven, nicht in allen Einzelheiten preisgegebenen Programms ist.
Der da so laut nach "summer in the city" schreit, bereitet er das Terrain für die Re-Inszenierung von "Fluid", einem Fluxus-Klassiker von Allan Kaprow aus dem Jahre 1967. Aus Eisblöcken wird ein Kunst-Haus gebaut, direkt vor der Schirn. Soviel wird verraten, aber haarklein ausgeschildert ist nicht ein einziges der 23 Projekte - mit Blick auf die geistigen Väter dieser Stadt- und Straßenkunst:
Matthias Ulrich: "Also dieser ganze verwaltete Raum mit Schildern, Wegen und so weiter, den zu verlassen war Teil der situationistischen Aktivitäten. Und Psychogeographie verlangt von demjenigen, der durch die Stadt läuft, eine viel stärkere Aufmerksamkeit, um überhaupt Raum wahrnehmen zu können."
Was die Pariser Situationisten um den Philosophen Guy Debord "Psychogeographie" nannten, verträgt keinen Audioguide, es ist wohl auch die einzige Geographie, die auf nüchterne Orientierung per GPS verzichtet. Stattdessen setzt die Metropolen-Avantgarde auf Poesie - attackiert dazu mit Witz und Ironie allzu vertraute Rollen. Dora Garcia zum Beispiel lässt Hollywood-Star William Holden nach Frankfurt kommen - in Gestalt eines unbekannten Schauspielers, der eigentlich Martin Kippenberger verkörpert, der vor Zeiten sozusagen unerkannt an der Kunstschule des Städel lehrte. Das Durcheinander ist Absicht, nur so geraten illustre Namen und prominente Gesichter ins verdiente Abseits: Starkult schickt sich nicht im Spiel mit der Stadt:
Matthias Ulrich: "Die Seele der Stadt kann man überall finden, ob das auf der Zeil ist oder auf dem Römerberg oder am Main. Es geht William Holden tatsächlich darum, dort sich so zu verhalten, als würde er schon Ewigkeiten da leben. Und also all die Alltäglichkeiten ausführen, die man durchführt, wenn man Bewohner der Stadt ist."
"Systemzwänge" nannten das die Achtundsechziger, und die Künstler jener Generation mochten sich mit derartigen Alltäglichkeiten nicht abfinden. Heute ist das anders, konstatiert Schirn-Direktor Max Hollein:
"Es ist deutlich weniger ein Happening, es ist auch deutlich weniger eine politische Aktion. Es geht weniger darum, am Rande der Gesellschaft stehend die Grundmauern eines Gesellschaftssystems ein wenig zu rütteln. Sondern es geht vielmehr darum, den urbanen Raum ein wenig zurückzugewinnen als einen gemeinschaftlichen Ort, als einen sympathischeren Ort, als einen Ort, der nicht nur um Kommerz und Arbeit handelt."
Hört sich schön an, aber was genau ist das Ziel der Frankfurter Interventionen im öffentlichen Raum?
"Eine Sperrmüllperformance etwa, wo eine Person plötzlich im Sperrmüll auf der Straße anfängt zu leben, wird natürlich auch ihre Wahrnehmung auf vier, fünf andere Male, wo sie Sperrmüll sehen, verändern. Das heißt, sie werden sich die Frage stellen, ist das jetzt noch ein Kunstwerk oder ist das jetzt Realität?"
Wenn Österreicher wie etwa Gouvernator Arnold Schwarzenegger von "Realitäten" sprechen oder annoncieren "Realitäten gesucht" - dann sind Immobilien gemeint, also die unumstößlichen Besitzverhältnisse. Selbst die scheinen jetzt auf dem Spiel zu stehen, denn Kurator Matthias Ulrich kündigt "Guerillaaktionen" an:
"Ich befürchte, Sie haben nichts zu befürchten, da die Guerillaaktion relativ unkriminell ablaufen wird. Es handelt sich dabei um eine Plakataktion, die die üblichen Wände aufsuchen wird, die man eben für solch eine Wildplakatiererei aussucht."
Immerhin bietet das die Gewähr, das Straßenkunst nicht mehr in Stadtmöblierung endet wie noch in den späten Achtzigern. Ein Hamburger Künstlerkollektiv gibt die Parole aus "A Wall is A Screen", die Truppe will Häuserwände für die Projektion von Kurzfilmen nutzen. Und damit bekommt auch das böse Wort von den "Fassadenspielereien" einen neuen, einen netten Sinn.
"Ich habe mich jetzt mal für den schwersten und schwierigsten entschieden, nämlich den des Straßenkochs, der quasi für alle ein großes Mahl zubereiten kann. So ist man ja oft auch als Museumsdirektor oder Ausstellungskurator. Auf der anderen Seite können Sie sich von uns hier ausrüsten lassen als Demonstrant oder eben auch als Straßenmusiker."
Auch ein Sabotagerucksack findet sich in dem Sortiment. Wohl eher symbolisch, als Verweis darauf, dass hier nicht geduldiges Bildergucken gefragt ist, nicht kontemplative Betrachter, sondern Aktivisten, die die Dinge in Fluss und vielleicht sogar die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Kurator Matthias Ulrich:
"Es geht nicht um Verschönerung von Stadt, sondern es geht um Aktivität, die die Stadtbewohner hereinbringen. Die Projekte sind von kurzer Dauer lediglich, also sehr, sehr verschwindend in sich selber, als nichts eigentlich übrig bleibt."
Auffällige Wandbilder oder beiläufige Geräuschkulissen, alles kann sich aus dem Spiel mit der Stadt entwickeln. Mag sein, dass auch die One-Man-Demonstration auf dem Römer schon Teil des subversiven, nicht in allen Einzelheiten preisgegebenen Programms ist.
Der da so laut nach "summer in the city" schreit, bereitet er das Terrain für die Re-Inszenierung von "Fluid", einem Fluxus-Klassiker von Allan Kaprow aus dem Jahre 1967. Aus Eisblöcken wird ein Kunst-Haus gebaut, direkt vor der Schirn. Soviel wird verraten, aber haarklein ausgeschildert ist nicht ein einziges der 23 Projekte - mit Blick auf die geistigen Väter dieser Stadt- und Straßenkunst:
Matthias Ulrich: "Also dieser ganze verwaltete Raum mit Schildern, Wegen und so weiter, den zu verlassen war Teil der situationistischen Aktivitäten. Und Psychogeographie verlangt von demjenigen, der durch die Stadt läuft, eine viel stärkere Aufmerksamkeit, um überhaupt Raum wahrnehmen zu können."
Was die Pariser Situationisten um den Philosophen Guy Debord "Psychogeographie" nannten, verträgt keinen Audioguide, es ist wohl auch die einzige Geographie, die auf nüchterne Orientierung per GPS verzichtet. Stattdessen setzt die Metropolen-Avantgarde auf Poesie - attackiert dazu mit Witz und Ironie allzu vertraute Rollen. Dora Garcia zum Beispiel lässt Hollywood-Star William Holden nach Frankfurt kommen - in Gestalt eines unbekannten Schauspielers, der eigentlich Martin Kippenberger verkörpert, der vor Zeiten sozusagen unerkannt an der Kunstschule des Städel lehrte. Das Durcheinander ist Absicht, nur so geraten illustre Namen und prominente Gesichter ins verdiente Abseits: Starkult schickt sich nicht im Spiel mit der Stadt:
Matthias Ulrich: "Die Seele der Stadt kann man überall finden, ob das auf der Zeil ist oder auf dem Römerberg oder am Main. Es geht William Holden tatsächlich darum, dort sich so zu verhalten, als würde er schon Ewigkeiten da leben. Und also all die Alltäglichkeiten ausführen, die man durchführt, wenn man Bewohner der Stadt ist."
"Systemzwänge" nannten das die Achtundsechziger, und die Künstler jener Generation mochten sich mit derartigen Alltäglichkeiten nicht abfinden. Heute ist das anders, konstatiert Schirn-Direktor Max Hollein:
"Es ist deutlich weniger ein Happening, es ist auch deutlich weniger eine politische Aktion. Es geht weniger darum, am Rande der Gesellschaft stehend die Grundmauern eines Gesellschaftssystems ein wenig zu rütteln. Sondern es geht vielmehr darum, den urbanen Raum ein wenig zurückzugewinnen als einen gemeinschaftlichen Ort, als einen sympathischeren Ort, als einen Ort, der nicht nur um Kommerz und Arbeit handelt."
Hört sich schön an, aber was genau ist das Ziel der Frankfurter Interventionen im öffentlichen Raum?
"Eine Sperrmüllperformance etwa, wo eine Person plötzlich im Sperrmüll auf der Straße anfängt zu leben, wird natürlich auch ihre Wahrnehmung auf vier, fünf andere Male, wo sie Sperrmüll sehen, verändern. Das heißt, sie werden sich die Frage stellen, ist das jetzt noch ein Kunstwerk oder ist das jetzt Realität?"
Wenn Österreicher wie etwa Gouvernator Arnold Schwarzenegger von "Realitäten" sprechen oder annoncieren "Realitäten gesucht" - dann sind Immobilien gemeint, also die unumstößlichen Besitzverhältnisse. Selbst die scheinen jetzt auf dem Spiel zu stehen, denn Kurator Matthias Ulrich kündigt "Guerillaaktionen" an:
"Ich befürchte, Sie haben nichts zu befürchten, da die Guerillaaktion relativ unkriminell ablaufen wird. Es handelt sich dabei um eine Plakataktion, die die üblichen Wände aufsuchen wird, die man eben für solch eine Wildplakatiererei aussucht."
Immerhin bietet das die Gewähr, das Straßenkunst nicht mehr in Stadtmöblierung endet wie noch in den späten Achtzigern. Ein Hamburger Künstlerkollektiv gibt die Parole aus "A Wall is A Screen", die Truppe will Häuserwände für die Projektion von Kurzfilmen nutzen. Und damit bekommt auch das böse Wort von den "Fassadenspielereien" einen neuen, einen netten Sinn.