Sphärische Klänge

Musik zum Abtauchen

Ökologischer Markt in der Wörther Strasse am Kollwitzplatz, Berlin-Prenzlauer Berg
Ökologischer Markt in der Wörther Strasse am Kollwitzplatz, Berlin-Prenzlauer Berg © dpa / picture alliance / Manfred Krause
Von Elmar Krämer |
Im Frühling geht es am Berliner Kollwitzplatz wieder spektakulär zu: Der US-Amerikaner Naftali spielt dort auf seinem Halo - einem seltenen Instrument, das wie ein Ufo aussieht und sphärische Klänge von sich gibt.
"Also, meine Wohnung ist ziemlich klein, das ist auf Englisch ein Studio-Appartement, also alles in einem Zimmer. Jetzt gehen wir in die musikalische Ecke, wo alle meine Instrumente sind. Hier ist mein Cachon. Das ist eine Shruti-Box aus Indien..."
Kleine Küche, kleiner Esstisch, kleines Sofa, aber sehr gemütlich und im vierten Stock. Da die gegenüberliegenden Häuser nicht so hoch sind, hat er einen Blick über die Dächer Neuköllns. Und das in Westrichtung, das heißt abends scheint die Sonne durch die Fenster - in Naftalis Musikecke und auf sein Lieblingsinstrument:
"Ja, das Zauberinstrument!"
Es sieht aus wie ein Ufo oder wie zwei zusammengeklebte Wok-Töpfe mit Dellen – das Hang. Erfunden von zwei Schweizer Instrumentenbauern, wird das Instrument unter anderem Namen längst auch von anderen Instrumentenbauern hergestellt.
Naftali scheint in eine andere Welt abzutauchen, wenn er auf seinem Halo – der amerikanischen Version des Hang - spielt.
"Es gibt was in diesem Klang, das ist so anders und so besonders, das schafft eine Atmosphäre. Die erste Note von Hang und plötzlich gibt es ein anderes Gefühl im Raum. Ich finde das auch etwas Schönes."
Musik hatte eine religiöse Bedeutung
Geboren wurde Naftali in Philadelphia in den USA. Sein Vater ist Engländer, die Mutter Amerikanerin – streng gläubige Juden.
"Auch in der Religion Singen war sehr wichtig für mich und ein sehr schöner Teil der Tradition."
Musik spielt in der Familie eine große Rolle. Naftali und seine vier Geschwister müssen Instrumente lernen. Er entscheidet sich für die Geige. Jahrelang hat er klassischen Unterricht, mit mäßigem Spaß:
"Und dann hab ich das aufgegeben und dachte, ich bin nicht so musikalisch begabt oder so."
Als Naftali zehn Jahre alt ist, ziehen die Eltern mit der Familie nach Israel. Vor allem für seine Geschwister ein harter Schnitt.
"Also ich war sowieso ein bisschen introvertiert, also mehr in meiner eigene Welt und das war für mich nicht so schlimm, für mich war das mehr so ein Abenteuer. Neue Sprache, neue Kultur."
Er bricht mit der Religion, studiert Literatur
Ginge es nach den Eltern, würde er Rabbi werden, doch der Druck ist ihm zu groß: Mit 20 Jahren bricht er dann mit der Religion, geht zum Studium zurück in die USA, studiert Literatur und Philosophie – aber auch das ist es noch nicht. Naftali macht eine Schauspielausbildung, doch der Wendepunkt in seinem Leben ist eine zufällige Begegnung im Central Park in New York, wo er eine alte Straßenmusikerin kennenlernt:
"Sie hat ganz schöne Celtic-Musik gespielt und ich war so verzaubert, ich habe da für ein halbe Stunde gestanden und zugehört und dann haben wir angefangen zu reden und ich habe gesagt: Wow! Ich würde so gerne Musik machen, aber ich glaube, ich bin kein Musiker. Sie hat mir gesagt, weißt du was, ich habe das mit 30 Jahren angefangen. Ich dachte, ich lerne ein Lied und wenn ich das schaffe, dann bin ich glücklich. Ich habe das gemacht - und dann noch eins und noch eins. Und so habe ich angefangen und wenn du Lust hast, du musst das einfach machen. Und ich war so inspiriert und irgendwas in mir hat so geklickt: Ja, Ja!"
Naftali packt seine alte Geige aus, stürzt sich auf die Musik, hält sich mit Jobs über Wasser: Er geht mit Hunden Gassi und gibt Nachhilfe. Dann lernt er eine Deutsche kennen, verliebt sich und kommt nach Berlin.
"Das mit der Frau hat nicht geklappt, aber ich bin in Kreuzberg gelandet und total verliebt in diese Stadt und den Lebensstil und dann bin ich geblieben."
In der Berliner Musikszene trifft er auf Gleichgesinnte und eines Tages dann auf eine Frau, die Hang spielt. Es ist so ähnlich, wie damals im Central Park in New York: Naftali ist gefesselt und er muss dieses Instrument lernen.
"Ich habe das das erste Mal gespielt und dann war alles anders und dann musste ich eine haben. Und ich hatte viel Glück mit der Hang. Es gibt Leute, die warten drei, vier Jahre für eine oder länger – es gibt nur vielleicht fünf Leute in der Welt, die das richtig gut bauen können."
Naftalis Instrument, sein Halo, kommt wie er aus den USA. Der Amerikaner ist froh, dass er in Berlin gelandet ist. Berlin ist eine perfekte Stadt für Straßenmusiker, so sagt er, die Menschen sind aufgeschlossen. Und wenn er dann im Sommer auf dem Kollwitzplatz-Markt im Prenzlauer Berg spielt, dann geht es vielen Passanten so, wie es ihm schon so oft ging:
"Die Leute sind so wie ich mein erstes Mal war, sehr verzaubert und plötzlich stehen sie schlagartig dort und gucken: Hey, was ist das – was für ein schöner Klang!"