Solidarität
Für das Jahr 2025 erwartet der Deutsche Spendenrat weniger Spendeneinnahmen. Doch Einzelne spenden mehr. © picture alliance / dpa Themendienst / Christin Klose
Spenden in der Krise

Ärzte ohne Grenzen, DRK oder UNICEF: Hilfsorganisationen sammeln Spenden, gerade zur Weihnachtszeit. Dieses Jahr könnten sie weniger Erfolg haben. Wie viel Geld spenden die Deutschen – und wäre da mehr drin?
Soll man für den Schutz der Demokratie spenden, für Notleidende im Sudan oder für ein Umweltprojekt in der Nachbarschaft? Viele Menschen fragen sich in dieser Zeit multipler Krisen, wo sie helfen und wem sie ihr Geld anvertrauen können.
In der Weihnachtszeit erzielen Spendenorganisationen rund ein Fünftel ihrer jährlichen Einnahmen. Der Deutsche Spendenrat bescheinigt den Menschen in Deutschland auch in diesem Jahr ein „deutliches Maß an Solidarität“. Dennoch rechnet er mit geringeren Spendeneinnahmen als 2024. Insgesamt spenden weniger Menschen, und sie bevorzugen häufiger lokale Projekte.
Der Sozialunternehmer Felix Oldenburg sieht große Herausforderungen: Hilfsorganisationen müssen digitaler werden und jüngere Zielgruppen erreichen. Und sie sollten „große Ideen“ entwickeln, um deutlich mehr Geld zu mobilisieren.
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Spendenvolumen sinkt – doch wer spendet, gibt mehr
Nach Angaben des Deutschen Spendenrats spendeten Privatpersonen in den ersten neun Monaten dieses Jahres 2,8 Milliarden Euro. Das sind 14 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Auch die Zahl der Spenderinnen und Spender in Deutschland sank leicht auf knapp zwölf Millionen.
Wer spendet, gibt jedoch pro Spende im Schnitt mehr: statt 38 nun 41 Euro. Änderungen gibt es auch in den Altersklassen: Die Generation 70plus, die früher einen großen Anteil der Spenden aufbrachte, gibt weniger. Die 60- bis 69-Jährigen und die 40- bis 49-Jährigen spenden dagegen mehr.
Für das Gesamtjahr rechnet der Dachverband gemeinnütziger Organisationen mit rund 4,7 Milliarden Euro Spenden – nach gut 5 Milliarden Euro 2024. Gründe für das erwartete Minus seien unter anderem die Inflation, hohe Lebenshaltungskosten und Unsicherheit über die künftige Rentenhöhe.
Der Spendenrat berücksichtigt bei seinen Erhebungen keine Spenden über 2.500 Euro. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hingegen bezieht Spenden bis 30.000 Euro ein. Es errechnete im vergangenen Jahr 12,5 Milliarden Euro an Geldspenden. Geschäftsführer Burkhard Wilke erwartet für 2025 höchstens wieder diese Summe – nach einem über Jahre leicht steigenden Spendenvolumen.
Spender setzen zunehmend auf lokale Projekte
Laut den Zahlen des Deutschen Spendenrats spendeten die Menschen in Deutschland 2024 am meisten für die Kinder- und Jugendhilfe. Danach folgten Spenden für Kirche und Religion, Nothilfe sowie andere humanitäre Hilfe.
In diesem Jahr gaben Befragte an, verstärkt auf lokale Projekte zu achten. Diese haben demnach einen Marktanteil von 34 Prozent. Der Politologe Karl-Rudolf Korte spricht von „Nutzenorientiertheit“: Wer das Gefühl hat, dass eine direkte Spende etwas bewirkt, spendet eher. Die Deutschen geben auch gern Geld für Tier-, Umwelt- und Klimaschutz.
In der Katastrophenhilfe bescheinigt das DZI den Deutschen weiterhin Solidarität mit den Menschen in und aus der Ukraine. Demnach spendete die Bevölkerung in Deutschland 2023 und 2024 hochgerechnet 73 bzw. 55 Millionen Euro für die Ukraine-Nothilfe.
Das ist zwar deutlich weniger als noch zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Jahr 2022, als rund eine Milliarde Euro zusammenkam. Dennoch zählen diese Summen zu den höchsten katastrophenbedingten Spendeneinnahmen, die bisher in Deutschland verzeichnet wurden.
Transparenz und Siegel: seriöse Organisationen sind erkennbar
Zur Orientierung hilft das Spendensiegel des DZI. Es bewertet unter anderem Finanzen, Kontrollmechanismen und Wirtschaftlichkeit. Auf der Liste stehen rund 230 Organisationen.
Geschäftsführer Burkhard Wilke empfiehlt, auf den Webseiten von NGOs, Vereinen oder Stiftungen nach aussagekräftigen Jahresberichten zu schauen. Neben der Wirtschaftlichkeit zähle auch die Wirksamkeit: Wie, wofür und mit welchem Erfolg wurden Spenden verwendet? Transparenz sei entscheidend.
Hilfe bieten auch das Zertifikat des Spendenrats und das Label Initiative Transparente Zivilgesellschaft.
Ob E-Mail, Spendenbrief oder Gespräch: Wird man fair und ohne Druck angesprochen, ist das laut Burkhard Wilke ein gutes Zeichen. Die meisten Organisationen seien seriös und würden eher informieren als druckvoll für sich werben.
Größe und Bürokratie hängen nicht zusammen
Je größer, desto bürokratischer: Das ist Wilke zufolge ein Vorurteil. Bei kleineren Organisationen sieht er allerdings den Vorteil, dass sie ihre klar abgegrenzte Zielgruppe und deren Bedarfe genau kennen. Sie können Spendern leichter eine konkrete Verwendung der Mittel nachweisen.
Auch andere Plattformen bieten Spendern gezielte Entscheidungshilfen. Wer sein Geld beispielsweise für die Förderung der Demokratie einsetzen will, findet bei Power for Democracies Empfehlungen.
Die unabhängige Forschungsplattform hat eine Methode entwickelt, um zivilgesellschaftliche Organisationen zu bewerten und die besonders wirksamen zu empfehlen. Derzeit gibt es Empfehlungen für die Türkei, Argentinien und die USA.
Groß denken, groß handeln – neue Wege für NGOs
Sozialunternehmer Felix Oldenburg warnt, dass gerade viele NGOs, die sich für die Demokratie einsetzen, in einem prekären Finanzierungsumfeld stecken. Ihnen gelinge es oft nicht, sich digital neu aufzustellen und die nächste Generation zu erreichen. Dabei leisteten sie „enorm wichtige Arbeit“ in einem Feld, aus dem sich der Staat zurückziehe.
Oldenburg, Mitgründer der Social-Finance- Plattform bcause, fordert moderne Tools und neue Geschäftsmodelle, damit Organisationen nicht nur Spenden annehmen, sondern auch Investitionen ermöglichen.
Notwendig sei ein Umdenken, das über das Werben um mehr Spender hinausgeht: „Das ist ein Umdenken in dem gesamten Sektor derjenigen, die die Welt verbessern wollen, die nicht mehr kleinteilig denken sollen, sondern wirklich große Ideen formulieren und dann auch aus der Mitte der Gesellschaft viel, viel mehr Geld mobilisieren.“
Oldenburg glaubt, dass das in Deutschland klappen kann. Es sei „eigentlich ein großzügiges Land“.
Beate Thomsen























