Spektakuläre Kunstschau

Von Barbara Wiegand · 11.07.2007
Die Ausstellung "Rohkunstbau" im Potsdamer Schloss Sacrow widmet sich mit unterschiedlichen Mitteln dem Thema Gleichheit. Die Schau zeigt Zeichnungen, Fotografien, Malerei und Filminstallationen von zehn internationalen Künstlern.
Schäferhunde hetzen hechelnd und bellend durch den dunklen Wald, ein Skinhead mit Reichsadler-Tatoo nimmt ein Bad im See, während der Wanderer wie von Caspar David Friedrich gemalt auf die Havel blickt, auf der bald darauf ein Schiff mit Deutschlandfahnen schwenkenden Fußball-Fans vorbeifährt – der Videokünstler Julian Rosefeldt hat die wechselvolle Geschichte des 1764 erbauten Hauses zum Thema gemacht. Vom Schloss und Erholungsheim bis hin zum DDR-Ausbildungszentrum für Hunde im Grenzeinsatz und beliebtem Ausflugsziel nach der Wende. Der vor Ort gedrehte mehrteilige Film ist eine Chronologie aus deutschen Landen, die jetzt zeitgleich über vier Bildschirme flimmert.

Kurator Mark Gisbourne: "Die Arbeit von Julian Rosefeldt ist ein Schlüsselwerk der Ausstellung: Sie nimmt Bezug auf die Geschichte des Hauses, die sehr mit der Musik und Literatur verbunden ist, Mendelssohn Bartholdy war hier, de la Motte Fouque arbeitete an der Nibelungen Sage. Also, je mehr sie die Arbeit betrachten, desto mehr entdecken sie die Bezüge zu Sacrow. Zur Romantik und damit auch zu Caspar David Friedrich."

Rosefelds Videoinstallation ist das einzige Kunstwerk, das sich so direkt mit der Historie des Ausstellungsortes auseinandersetzt. Sonst sind es eher verdeckte Andeutungen, entfernte Anspielungen - passend zu den leeren Räumen, die offensichtlich nichts von dem erzählen, was gewesen ist. Außer, dass sie ihre beste Zeit hinter sich haben: Der Putz blättert von den Wänden, hier und da hängt wenig prunkvoll ein Kronleuchter von der Decke, die Spiegel im einstigen Kaminzimmer sind halbblind.

Ganz im Gegensatz dazu der teilweise von Lennee gestaltete, frisch restaurierte Park des Hauses, mit der zu DDR-Zeiten wahrhaft eingemauerten Heilandskirche an der Havel. Ein Gegensatz zwischen drin und draußen, der sich häufig in der Kunst wieder findet. Ayse Erkmen verstellt die Sichtachse von der Haupthalle über die Terrasse bis hinunter zum Wasser mit einem rankenartigen Gitter, das Begrenzung und Zierde zugleich ist, verspieltes Ornament und starre Struktur.

Maria Chevska setzt dem lebendigen Grün des Landschaftsgartens im ersten Stock eine grauweiß bebilderte, seltsame Leere entgegen: Kleine, an die Wände gehängte und gelehnte Gemälde zeigen Ausschnitte von Treppenhäusern und Räumen, die überall und nirgends sein könnten.

"Als ich das Haus sah, mit seiner wechselvollen Geschichte, dem Gegensatz zwischen dem Park und dem Inneren des Gebäudes, das immer wieder zerstört und wiederaufgebaut wurde, da wurde mir klar, dass dieses Haus für eine Geschichte steht, wie sie sich im 20. Jahrhundert immer wieder abspielte. Und das es manchmal schwer ist, diese Geschichte sichtbar, ja greifbar zu machen. Draußen ist also alles schön - hier drin ist man sich da nicht so sicher."

Genauso selten wie der direkte Bezug zur Geschichte ist die erkennbare Verbindung zum Thema: Der zweite Teil der an Krzystof Kieslowski angelehnten Trilogie "Drei Farben Blau Weiß Rot" befasst sich mit der Nicht-Farbe Weiß – und dem Grundwert der Gleichheit. Arvid Boellert, der künstlerische Leiter des Rohkunstbaus:

"Das Jahr Gleichheit oder das weiße Jahr ist das schwierigste Jahr. Das wäre sicher auch in Großleuthen so geworden. Deshalb hat der Kurator auf Basis meiner Gesamtkonzeption gesagt: Wir wollen diese zwei Fragmente haben. Wir wollen Erzählfragmente, private, persönliche Geschichten, oder Geschichten der Historie an der Berliner Mauer, wo abgekapselt wurde um sozusagen absolute Gleichheit zu erzeugen. Man hat nur völlige Ungleichheit, eine Teilung, erreicht. Das ist natürlich erstmal ein trockeneres Thema, aber wenn, dann überhaupt an so einem Ort erfahrbar, oder verstehbar. Gleichheit kann man nur anstreben, ist nur ein Wunsch. Etwas, was nur im Wunsch existiert und immer wenn es radikal verfolgt wird, erzeugt es eine Ungleichheit oder Gewalt."

Erfreulich leicht nahm Thomas Rentmeister die schwierige Sache mit der Gleichheit und mauerte eine Wand aus aufeinander geschichteten Bettlaken und dazwischen geschobenen Toilettenartikeln. Alltägliche Dinge, von allen benutzt. Enttäuschend einfallslos dagegen die Südafrikanerin Candice Breitz, die auf immergleichen Hotelspiegeln individuelle Spuren hinterlassen hat und Zeilen ihrer Lieblings-Morgenlieder eingravierte. Beeindruckend einfach zeigt Gerhard Richter auf einer 1969 entstandenen Fingermalerei, dass vieles weder schwarz noch weiß noch gleich ist - sondern vieldeutig grau.

Hier offenbart sich aber auch die Crux des diesjährigen Rohkunstbaus. Gerhard Richters Bild wirkt - genau andere sehenswerte Arbeiten – trotz, nicht mit dem Ausstellungsort. Ganz im Gegensatz zum Credo des 1994 entwickelten Projektes, sich mit eben diesem Ort auseinanderzusetzen.

Eine Crux, die vielleicht auch dem Umzug geschuldet ist - während in der Vergangenheit das Wasserschloss Groß Leuthen die oft rüden Spuren seiner vielseitigen Geschichte mit viel eigenem Charme offenbarte, steht hier einfach ein ernüchternd sanierungsbedürftiges Schloss in einem wunderbar wiederhergestellten Park.

Bleibt zu hoffen, dass die nächste Ausgabe der zeitgenössischen Kunstschau - die wohl auch auf Sacrow stattfinden wird - mit mehr Vorbereitungszeit und weniger strengen Auflagen des Denkmalschutzes den ursprünglichen, ungewöhnlichen Charakter des Rohkunstbaus wiederbelebt.