Spektakel im Grand Palais
Leuchtende Worte, Satzfetzen, flackernde Bilder gleiten als Projektion über den Grand Palais in Paris: Mit dem großangelegten Multimedia-Spektakel "Bilder in der Nacht" beschließt Frankreich eindrucksvoll die Europäische Kultursaison. Doch außer dem Lichtkunstwerk am Grand Palais hatte die Kultursaison während der französischen EU-Ratspräsidentschaft wenig Aufregendes zu bieten.
Zur Vorweihnachtszeit sind es abends die Champs-Elysées, die die Touristen, aber auch die Pariser in Scharen anziehen. Dieses Jahr scheinen im Sekundentakt Sternschnuppen in den Baumkronen zu beiden Seiten der Prachtmeile niederzugehen, die technische Raffinesse der unzähligen Lichter-Girlanden macht es möglich. Doch seit kurz vor Weihnachten und bis zum Silvesterabend hat das nächtliche Spektakel Konkurrenz bekommen, denn über die gigantische Fassade des angrenzenden Grand Palais flirren unaufhaltsam projizierte Satzfetzen und Wörter.
Das Grand Palais, Schaufenster für die Kunst, die der französische Staat präsentiert sehen möchte, steht für vierzehn Nächte ganz im Zeichen der zu Ende gehenden EU-Ratspräsidentschaft der Franzosen. "Bilder in der Nacht" nennt sich die Ausstellung, die wie mit einem letzten Paukenschlag die europäische Kultursaison in Frankreich ausklingen lässt. Ausgedacht hat sich die ambitiöse Schau der Regisseur, Fotograf und Schriftsteller Alain Fleischer, der in Tourcoing bei Lille die "Schule für Audiovisuelle Kunst - Le Fresnoy" leitet:
"Speziell für unsere Ausstellung wurde ein großer öffentlicher Auftrag vergeben. Er ging an den schottischen Künstler Charles Sandison, der in Finnland lebt. Entstanden ist ein monumentales Kunstwerk, das sich über die gesamte Fassade des Grand Palais' erstreckt. Hierauf werden nach Einbruch der Dunkelheit Tausende von Wörtern projiziert, die aus der 'Charta der Grundrechte der Europäischen Union' stammen. Ein Werk, das die imposante Fassade erleuchtet, durch die dann die Besucher das Grand Palais betreten. Hier erwartet sie ein magisches Universum, das durch die Projektionen unzähliger Bilder und Filme entsteht."
Doch vor dem Eintritt in die nächtliche Bilderwelt des Grand Palais' drängt sich die Frage auf: Was hatte in den vergangenen sechs Monaten der französischen EU-Ratspräsidentschaft die aus diesem Anlass eingeläutete "Saison culturelle européenne" sonst noch zu bieten?
Unzählige Ausstellungen, Tanz- und Theateraufführungen, Lesungen, oder Film- und Musikfestivals durften sich mit dem Label der "Europäischen Kultursaison" schmücken. Den Kulturen der anderen 26 EU-Mitgliedsstaaten in Frankreich eine Plattform zu bieten, war hierbei das erklärte Ziel.
Bei den traditionellen Bällen am Vorabend des französischen Nationalfeiertags am 14. Juli erklangen dieses Jahr bei den "Bals d'Europe" auch osteuropäische Fanfaren oder katalanische Volkmusik.
Europäisch ging es auch bei "Paris Plage", am ephemeren Pariser Seine-Strand zu, der im Juli mit der Europahymne eröffnet wurde. Gibt es ein europäisches Kino? Darüber konnten Kinofans im Sommer in der Pariser Cinemathèque debattieren. Im August gab es unter freiem Himmel filmische Liebeserklärungen an europäische Städte: Wien und "Der Dritte Mann", Milos Forman und sein Prag oder Stockholm aus dem Blickwinkel Ingmar Bergmanns standen auf dem Programm. Auch die ihr 10-jähriges Bestehen feiernde Techno Parade firmierte diesen Herbst unter dem Label der "Europäischen Kultursaison". Die altehrwürdige Comédie Française tourt momentan noch mit Stücken von Molière und Scimone, inszeniert von einem Engländer und einem Bulgaren, durch die zehn jüngsten Mitgliedsstaaten der EU.
Die französische Starschauspielerin Juliette Binoche wagte sich erstmals auf eine renommierte Pariser Bühne zusammen mit dem britischen Solotänzer und Choreografen Akram Khan zur getanzten Völkerverständigung.
Fotografie aus Düsseldorf im städtischen Pariser Museum für moderne Kunst und die Ausstellung "Projektion Ruhr", die sich dem Emscher Park als urbanem Labor in der renommierten Cité de l'architecture widmete, beleuchteten unter anderem das Kulturschaffen beim deutschen Nachbarn. Jedoch gehörten beide Projekte eigentlich zum "Frankreich-Nordrhein-Westfalen-Jahr 2008/2009".
So wurden die wenigstens Veranstaltungen des vergangenen halben Jahres, die sich mit dem wohlklingenden Label der "Saison culturelle européenne" schmückten, auch explizit aus diesem Anlass ins Leben gerufen. Die von Alain Fleischer im Pariser Grand Palais inszenierte Schau bildet da eine gelungene Ausnahme:
"Unser Ziel, Künstler aus allen 27 EU-Mitgliedsstaaten hier zu vereinen, haben wir erreicht. Aber es sind auch Werke europäischer Künstler dabei, die nicht aus den Mitgliedsstaaten der EU kommen, zum Beispiel aus der Schweiz oder aus Weißrussland. Darüber hinaus haben wir aber auch Künstler aus China, Kanada, den USA, Australien, Südafrika, Mexiko oder Moldawien eingeladen. Eines war uns jedoch sehr wichtig: alle gezeigten Werke, unabhängig davon, aus welchem Land der Künstler stammt, sind in Frankreich entstanden."
Lautsprecher, Bildschirme und Projektionsflächen, teilweise bis zu über dreißig Metern Höhe, füllen die immense Halle des Grand Palais. Kurze Dokumentarfilme, Standbilder oder Computeranimationen tauchen aus dem Dunkeln auf. Die Entscheidung, welcher Sequenz der Besucher folgen soll, fällt schwer. Die geplante Zerstörung eines Wohnviertels in Shanghai, eindringlich dokumentiert in Interviews von Betroffenen, überdimensionale Schattenspiele, deren Figuren sich allmählich aufzulösen scheinen, auf den Betrachter drohend zurollende Wellen am Meeresstrand oder eine Projektionswand aus eng aneinander gereihten Zahlen in ständigem Wechsel, Metapher für den digitalen Informationsaustausch - die audiovisuelle Überflutung des Besuchers ist garantiert und ganz im Sinne des Organisators.
"Ich möchte, dass das Publikum in eine Art Bilder-Dschungel vordringt. Es ist beabsichtigt, dass hierin eine Orientierung zunächst schwerfallen muss, denn es gibt tatsächlich keinen vorgeschriebenen pädagogischen Parcours. Der Eindruck soll vermieden werden, man wolle durch die Einteilung in Kapitel oder mit Texttafeln dem Publikum etwas beibringen. Es geht vielmehr um eine neue Erfahrung. Die Bilder sollen ohne Vorwissen oder gar Vorurteile entdeckt werden. Das Ziel ist hierbei, erfahrbar zu machen, dass zeitgenössische Kunst für jeden interessant sein kann und eben nicht nur für Kunstspezialisten."
Das großangelegte Multimedia-Spektakel "Bilder in der Nacht" beschließt eindrucksvoll die "Europäische Kultursaison" der französischen EU-Ratspräsidentschaft, die ansonsten wenig Aufregendes zu bieten hatte.
Das Grand Palais, Schaufenster für die Kunst, die der französische Staat präsentiert sehen möchte, steht für vierzehn Nächte ganz im Zeichen der zu Ende gehenden EU-Ratspräsidentschaft der Franzosen. "Bilder in der Nacht" nennt sich die Ausstellung, die wie mit einem letzten Paukenschlag die europäische Kultursaison in Frankreich ausklingen lässt. Ausgedacht hat sich die ambitiöse Schau der Regisseur, Fotograf und Schriftsteller Alain Fleischer, der in Tourcoing bei Lille die "Schule für Audiovisuelle Kunst - Le Fresnoy" leitet:
"Speziell für unsere Ausstellung wurde ein großer öffentlicher Auftrag vergeben. Er ging an den schottischen Künstler Charles Sandison, der in Finnland lebt. Entstanden ist ein monumentales Kunstwerk, das sich über die gesamte Fassade des Grand Palais' erstreckt. Hierauf werden nach Einbruch der Dunkelheit Tausende von Wörtern projiziert, die aus der 'Charta der Grundrechte der Europäischen Union' stammen. Ein Werk, das die imposante Fassade erleuchtet, durch die dann die Besucher das Grand Palais betreten. Hier erwartet sie ein magisches Universum, das durch die Projektionen unzähliger Bilder und Filme entsteht."
Doch vor dem Eintritt in die nächtliche Bilderwelt des Grand Palais' drängt sich die Frage auf: Was hatte in den vergangenen sechs Monaten der französischen EU-Ratspräsidentschaft die aus diesem Anlass eingeläutete "Saison culturelle européenne" sonst noch zu bieten?
Unzählige Ausstellungen, Tanz- und Theateraufführungen, Lesungen, oder Film- und Musikfestivals durften sich mit dem Label der "Europäischen Kultursaison" schmücken. Den Kulturen der anderen 26 EU-Mitgliedsstaaten in Frankreich eine Plattform zu bieten, war hierbei das erklärte Ziel.
Bei den traditionellen Bällen am Vorabend des französischen Nationalfeiertags am 14. Juli erklangen dieses Jahr bei den "Bals d'Europe" auch osteuropäische Fanfaren oder katalanische Volkmusik.
Europäisch ging es auch bei "Paris Plage", am ephemeren Pariser Seine-Strand zu, der im Juli mit der Europahymne eröffnet wurde. Gibt es ein europäisches Kino? Darüber konnten Kinofans im Sommer in der Pariser Cinemathèque debattieren. Im August gab es unter freiem Himmel filmische Liebeserklärungen an europäische Städte: Wien und "Der Dritte Mann", Milos Forman und sein Prag oder Stockholm aus dem Blickwinkel Ingmar Bergmanns standen auf dem Programm. Auch die ihr 10-jähriges Bestehen feiernde Techno Parade firmierte diesen Herbst unter dem Label der "Europäischen Kultursaison". Die altehrwürdige Comédie Française tourt momentan noch mit Stücken von Molière und Scimone, inszeniert von einem Engländer und einem Bulgaren, durch die zehn jüngsten Mitgliedsstaaten der EU.
Die französische Starschauspielerin Juliette Binoche wagte sich erstmals auf eine renommierte Pariser Bühne zusammen mit dem britischen Solotänzer und Choreografen Akram Khan zur getanzten Völkerverständigung.
Fotografie aus Düsseldorf im städtischen Pariser Museum für moderne Kunst und die Ausstellung "Projektion Ruhr", die sich dem Emscher Park als urbanem Labor in der renommierten Cité de l'architecture widmete, beleuchteten unter anderem das Kulturschaffen beim deutschen Nachbarn. Jedoch gehörten beide Projekte eigentlich zum "Frankreich-Nordrhein-Westfalen-Jahr 2008/2009".
So wurden die wenigstens Veranstaltungen des vergangenen halben Jahres, die sich mit dem wohlklingenden Label der "Saison culturelle européenne" schmückten, auch explizit aus diesem Anlass ins Leben gerufen. Die von Alain Fleischer im Pariser Grand Palais inszenierte Schau bildet da eine gelungene Ausnahme:
"Unser Ziel, Künstler aus allen 27 EU-Mitgliedsstaaten hier zu vereinen, haben wir erreicht. Aber es sind auch Werke europäischer Künstler dabei, die nicht aus den Mitgliedsstaaten der EU kommen, zum Beispiel aus der Schweiz oder aus Weißrussland. Darüber hinaus haben wir aber auch Künstler aus China, Kanada, den USA, Australien, Südafrika, Mexiko oder Moldawien eingeladen. Eines war uns jedoch sehr wichtig: alle gezeigten Werke, unabhängig davon, aus welchem Land der Künstler stammt, sind in Frankreich entstanden."
Lautsprecher, Bildschirme und Projektionsflächen, teilweise bis zu über dreißig Metern Höhe, füllen die immense Halle des Grand Palais. Kurze Dokumentarfilme, Standbilder oder Computeranimationen tauchen aus dem Dunkeln auf. Die Entscheidung, welcher Sequenz der Besucher folgen soll, fällt schwer. Die geplante Zerstörung eines Wohnviertels in Shanghai, eindringlich dokumentiert in Interviews von Betroffenen, überdimensionale Schattenspiele, deren Figuren sich allmählich aufzulösen scheinen, auf den Betrachter drohend zurollende Wellen am Meeresstrand oder eine Projektionswand aus eng aneinander gereihten Zahlen in ständigem Wechsel, Metapher für den digitalen Informationsaustausch - die audiovisuelle Überflutung des Besuchers ist garantiert und ganz im Sinne des Organisators.
"Ich möchte, dass das Publikum in eine Art Bilder-Dschungel vordringt. Es ist beabsichtigt, dass hierin eine Orientierung zunächst schwerfallen muss, denn es gibt tatsächlich keinen vorgeschriebenen pädagogischen Parcours. Der Eindruck soll vermieden werden, man wolle durch die Einteilung in Kapitel oder mit Texttafeln dem Publikum etwas beibringen. Es geht vielmehr um eine neue Erfahrung. Die Bilder sollen ohne Vorwissen oder gar Vorurteile entdeckt werden. Das Ziel ist hierbei, erfahrbar zu machen, dass zeitgenössische Kunst für jeden interessant sein kann und eben nicht nur für Kunstspezialisten."
Das großangelegte Multimedia-Spektakel "Bilder in der Nacht" beschließt eindrucksvoll die "Europäische Kultursaison" der französischen EU-Ratspräsidentschaft, die ansonsten wenig Aufregendes zu bieten hatte.