SPD will Gelder für Kinderbetreuung gerechter verteilen

Moderation: Birgit Kolkmann |
In der Diskussion um die Absetzbarkeit der Betreuungskosten für Kinder hat sich der SPD-Politiker Olaf Scholz für eine gerechtere Verteilung der vorgesehenen Gelder ausgesprochen. "Es müssen alle davon profitieren, auch diejenigen, die wenig haben", sagte Scholz. Insgesamt aber solle der mit der Union vereinbarte Rahmen von 460 Millionen Euro beibehalten werden. Eine Abschaffung der Kita-Gebühren bezeichnete Scholz als wünschenswert. Das aber sei Sache der Kommunen und Gemeinden.
Kolkmann: Herr Scholz, kommt mit Platzeck nun wieder die soziale Wärme in die SPD?

Scholz: Sie war nie draußen, aber sie ist mit Platzeck da.

Kolkmann: Der neue Platzeck-Stil soll ja nun eine neue Offenheit und Diskussionsfreude gebracht haben, davon schwärmte zumindest Kurt Beck nach der Klausur in Mainz. Das klingt nach Aufbruch. Wohin brechen Sie denn auf?

Scholz: Wir brechen auf, dafür zu sorgen, dass wir die Zukunftsthemen anpacken, die unsere Gesellschaft demnächst bewegen werden. Das eine große Thema ist Bildung, wie können wir dafür sorgen, dass alle Menschen eine gleich gute Chance auf gute Bildung immer wieder haben, um teilzuhaben an unserer Gesellschaft. Das zweite große Thema, das die Sozialdemokraten genauso wie das erste, aber schon als Tradition begleiten, das ist Familie, Kinder, wie sorgen wir dafür, dass alle Menschen so leben können, wie sie das gerne wollen, und dass die Kinder in unserem Land die besten Bedingungen vorfinden.

Kolkmann: Damit sind Sie im Prinzip auch auf zu alten Ufern, alten Werten, Familie, Kinder, Bildung, das Füreinandereinstehen. Das klingt durchaus konservativ. Im positiven Sinne?

Scholz: Das ist nicht konservativ, aber das ist eine Sache, die gut ist für unsere Gesellschaft, die ist notwendig, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben ja seit langem auch den Ruf als Familienpartei schon gewonnen. Das war ja das, was so überraschend war für die CDU in den letzten Jahren, und alle Versuche, dort etwas zu ändern, haben bis jetzt nicht gefruchtet. Jetzt in der gemeinsamen Regierungszeit mit uns wirkt das ganz ansteckend. Ich will nur daran erinnern, dass die Erhöhung des Kindergeldes in den letzten Jahren, der Aufbau der Kinderbetreuung, alles Ergebnisse sozialdemokratischer Initiativen gewesen sind, und da wollen wir weitermachen, weil wir noch lange nicht so gut sind, wie unsere Gesellschaft sein muss, damit mehr Kinder geboren werden, weil die Eltern die Bedingungen, die sie dazu benötigen, vorfinden.

Kolkmann: Sucht die SPD da auch den Streit in der Regierung? Denn Sie rücken mit diesen noch weitergehenden Forderungen von den Genshagener Beschlüssen in der Koalition ab.

Scholz: Wir suchen nicht den Streit in der Regierung, aber natürlich ergibt sich aus unserer klaren Ausrichtung an den Bedürfnissen von Kindern, von berufstätigen Eltern, von Eltern insgesamt, manches, was davon kommt, und das bedeutet natürlich, dass wir das hineintragen müssen in die Regierung, damit da etwas Gutes draus wird.

Kolkmann: Ursula von der Leyen, die Familienministerin, hat auch schon reagiert auf Forderungen aus der SPD, hat gesagt, das ist alles gut und schön im Prinzip – ich paraphrasiere das jetzt mal -, aber wie das finanziert werden soll, dass die Betreuungskosten gleich ab dem ersten Euro absetzbar sind, das haben Sie nicht gesagt.

Scholz: Wir haben gesagt, dass der Aufwand, der insgesamt betrieben werden soll, 460 Millionen Euro betragen soll, wie vereinbart auch in Genshagen. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung, dass wir da nicht mit Fantasiezahlen arbeiten. Aber wie diese 460 Millionen Euro gewissermaßen entstehen, wer davon profitiert, das kann man noch etwas gerechter machen, als das bisher angedacht ist. Es müssen alle davon profitieren, auch diejenigen, die wenig haben.

Kolkmann: Aber mit 460 Millionen Euro kann man nicht die Betreuungskosten steuerlich absetzbar machen und dann auch alle Kitas und Kindergärten kostenlos.

Scholz: Ja, der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber, die Bundesregierung, sind nicht diejenigen, die die Kitas betreiben und darüber zu entscheiden haben, welche Gebühren da erhoben werden. Wer sich in Deutschland umguckt, weiß, dass in jeder Gemeinde, in jedem Bundesland ganz unterschiedliche Gebührenpraxen existieren, und das ist sicherlich richtig, wenn Frau von der Leyen an etwas anknüpft, das wir in unserem Wahlprogramm geschrieben haben, nämlich langfristig wünschen wir uns dort Gebührenfreiheit. Aber es geht darum, dass das jetzt bezahlt werden muss, und wir als Bundespolitiker – das trifft Frau von der Leyen genauso wie uns – können über die Haushalte von Gemeinden und Ländern nicht beschließen. Deshalb sollten wir uns auf das konzentrieren, was wir zu bewegen haben, und das sind Bundesgesetze.

Kolkmann: Es geht ja bei dieser Diskussion um die Kostenfreiheit für Kitas und Kindergärten auch darum, welches Klima man für Familien, für Kinder schafft. Sie wollen vor allen Dingen ja auch mehr soziale Gerechtigkeit erreichen. Aber geht das nur durch Bildung?

Scholz: Nein, zur sozialen Gerechtigkeit gehört alles das, was wir in Deutschland an Sozialstaat entwickelt haben. Da gehört als Sicherheit, auf die man sich verlassen kann, unsere großen Institutionen wie Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung dazu. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört natürlich auch ein faires Steuersystem, das dazu beiträgt, dass diejenigen, die etwas kräftigere Schultern haben, auch mehr beitragen zu unserer Gesellschaft, und dazu gehört natürlich aber auch Bildung, weil es über die Chancen in unserer Gesellschaft entscheidet, und es kann nicht sein, dass von der Geburt und von der Herkunft abhängt, welche Bildungschancen und welche beruflichen Chancen man im Laufe seines Lebens hat.

Kolkmann: Also Sie wollen abgucken bei skandinavischen Vorbildern?

Scholz: Da sind ja viele Sozialdemokraten im Gange, und da sind viele Dinge, die wir dort lernen können.

Kolkmann: Können wir davon noch lernen, dass wir unsere Steuern im Prinzip noch raufsetzen müssen?

Scholz: Ich glaube, dass die Steuersysteme Skandinaviens und Mitteleuropas, wenn man so sagen will und sich nicht auf Deutschland beschränken will, nicht vergleichbar sind. Wir haben unterschiedliche Pfade beschritten vor langer Zeit. Unsere soziale Sicherheit wird – ich habe es eben schon gesagt – zu einem ganz erheblichen Teil gestärkt durch die sozialen Sicherungssysteme. Das sind Institutionen, die sind teilweise weit über 100 Jahre alt, entstanden im vorletzten Jahrhundert in der Auseinandersetzung zwischen Bismarck und den Sozialdemokraten, und das sind Institutionen, die wir nicht über Bord werfen sollten, nur weil wir mal eben in ein Nachbarland geguckt haben. Wir haben Sozialversicherung und Steuern. Dort wird der Sozialstaat weitgehend über Steuern finanziert. Ich finde, wir sollten unser System fit für die Zukunft machen, das ist eine ausreichend schwere Aufgabe.

Kolkmann: Danke für das Interview.