SPD-Poltikerin fordert Sparpolitik vor NRW-Wahl
Die SPD-Haushaltsexpertin Petra Merkel hat die Bundesregierung ermahnt, an eine Sparpolitik nicht erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu denken. Vor der Debatte im Bundestag forderte sie Union und FDP auf, ihre Sparpläne auf den Tisch zu legen.
Nana Brink: Vier Tage lang diskutieren die Abgeordneten des Bundestages den Haushaltsentwurf 2010 der Bundesregierung, und eines ist jetzt schon mal klar: Die neue Regierung steht vor einem Dilemma – einerseits muss der Haushalt saniert werden und andererseits das Koalitionsversprechen nach Steuersenkungen eingehalten werden.
Und noch etwas anderes ist klar: Der Haushalt umfasst 320 Milliarden, und die Nettoneuverschuldung ist mit exakt 85 Milliarden Euro die höchste in der Geschichte der Bundesrepublik – nur mal zum Verhältnis. Und ich spreche jetzt mit der SPD-Abgeordneten Petra Merkel. Sie ist Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages. Schönen guten Morgen, Frau Merkel!
Petra Merkel: Guten Morgen!
Brink: Wenn ich jetzt zum Schuldnerberater gehe, erklärt er mir erstens, machen Sie einen Kassensturz, und zweitens, zahlen Sie keine Schulden mit neuen Schulden. Ist der Haushaltsausschuss in der Rolle eines Schuldnerberaters?
Merkel: Ja, eigentlich immer wieder. Wir gucken sehr stark darauf, wie das Geld ausgegeben wird, und wir gucken auch darauf, wofür wir neue Schulden machen.
Wir müssen ja trotz alledem feststellen, wir sind in einer der größten Wirtschaftskrisen, die die Bundesrepublik, Europa und ja vielleicht sogar die Welt aufgerüttelt haben, und wir müssen gucken, wie wir es hinbekommen, dass dieses Land handlungsfähig ist, dass der Staat handlungsfähig ist. Und ich glaube, das ist uns in den letzten zwei Jahren wirklich ganz gut geglückt, trotz der Aufnahme neuer Schulden.
Brink: Der Schuldnerberater fragt ja immer, wo machen Sie denn die meisten Schulden. Wo machen wir die meisten Schulden?
Merkel: Das Geld ist ja nicht markiert. Wir geben ja immerhin ungefähr 325 Milliarden Euro aus in dem gesamten Bundeshaushalt 2010, und davon ist zwei Drittel blockiert, das ist festgelegt, das ist festgelegtes Geld, und zwar schon für Ausgaben, die feststehen, die wir gesetzlich gebunden haben, wie die Sozialausgaben, die Personalausgaben und die Zinsen.
Und der Rest, was übrig bleibt, der kann dann noch mal verteilt werden. Wir müssen gucken, inwieweit wir wirklich alles unter die Lupe nehmen - das ist die Aufgabe der Haushälterinnen und Haushälter, und zwar fraktionsübergreifend. Wenn dann allerdings auf der anderen Seite Steuersenkungen gemacht werden, dann liegt das Ganze nicht mehr im Gleichgewicht.
Brink: Aber schauen wir jetzt trotzdem auf den Haushalt, den Sie ja auch vor Augen haben, zumindest auf dem Tisch haben: Wo setzen Sie denn an, wo setzt die SPD an, wo kann Ihrer Meinung nach denn gespart werden?
Merkel: Ja, es ist die Frage, inwieweit wir sparen oder inwieweit wir auch Möglichkeiten nutzen, neue Einnahmen zu erzielen. Wir müssen auf die Ausgaben gucken und müssen alles unter die Lupe nehmen, das finde ich immer ein wesentliches Element. Darin sind sich übrigens auch Haushälterinnen und Haushälter aller Fraktionen einig. Aber jeder untersch …
Brink: Wobei der Finanzminister Schäuble gesagt hat, Pardon, Finanzminister Schäuble ja gesagt hat, sparen erst ab 2011.
Merkel: Ja, das ist es eben. Wer schnell fährt – und das machen wir im Augenblick mit einer hohen Staatsverschuldung – wer schnell fährt, steht eher, wenn er schneller auf die Bremse tritt. Und deswegen sind wir dafür, nicht erst 2011 anzufangen, sondern man muss im Haushalt 2010 sparen – das sagt ja auch Schäuble –, nur er sagt, ich sage es erst nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Und im Grunde genommen gibt es gar nicht viel Manövriermasse, wo man sparen kann, und die Punkte muss die CDU/CSU und die FDP auf den Tisch legen, damit die Bevölkerung nicht hinters Licht geführt wird.
Brink: Wo sehen Sie denn Manövriermasse, die SPD? Wir sehen im Augenblick wenig Manövriermasse zum Einsparen, aber wir können uns sehr wohl vorstellen, dass man diejenigen, die an der Finanzkrise beteiligt waren und davon profitiert haben, dass man die auch mit zur Kasse bittet.
Wir haben im Wahlkampf gesagt, wir wollen so etwas wie einen Bildungssoli einführen, weil wir wissen, wir müssen eine Ausgabe auf jeden Fall machen – das ist die für Bildung, Bildung, Bildung. Und wir sehen die Gefahr, dass wenn wir jetzt weiter Steuern senken, das Ungleichgewicht noch erheblich größer wird. Wir müssen ran an die Frage: Was passiert nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen? Und ich glaube, es gibt viel zu wenig Zeit für die Regierung und für die Regierungsfraktionen, innerhalb eines Monats wirklich alles auf den Tisch zu legen, was sie an Kürzungen vorschlagen wollen.
Merkel: Aber Sie können das ja schon mal tun. Bleiben wir doch mal beim Beispiel des Schuldnerberaters, der fordert ja auch eine solide Finanzplanung. Wie sähe die denn für die SPD aus, mehr Schwerpunkt auf Sparen oder Ausgeben?
Brink: Ausgeben muss der Staat immer, weil er auch mit Arbeitsplätze initiiert. Wir können sie nicht schaffen, aber wir können sie initiieren. Und in einer Krisensituation glaube ich auch, dass es vernünftig ist zu gucken, wo wir die einzelnen Möglichkeiten, wirklich Arbeitsplätze zu schaffen, unterstützen. Das ist uns in der Krise insofern gelungen, als wir sehr viel investiert haben zum Beispiel in Kurzarbeit, damit die Leute nicht entlassen werden.
Ich kann mir vorstellen, dass das noch länger gefahren werden muss. Aber wir haben ja auch als SPD zum Beispiel mit dem Deutschlandplan vorgelegt, in welchen Bereichen es in Deutschland Arbeitsplätze gibt mit Perspektive. Die müssen wir anregen, damit wir die Menschen in Arbeit bringen. Das ist der beste Weg, um rauszukommen aus der Wirtschaftskrise, wie wir sie im Augenblick noch haben und wie wir auch die Möglichkeit überbrücken, diese demografische Entwicklung, die Fachkräftemangel jetzt schon sich abzeichnen lässt, wie wir die wirklich in den Griff bekommen.
Merkel: Noch eine abschließende Frage: Wie viel Einfluss haben denn die Abgeordneten beziehungsweise der Haushaltsausschuss überhaupt?
Brink: Na, wir sind der Ausschuss, in dem alle Ministerinnen und Minister den Haushalt mit uns diskutieren. Das heißt, sie kommen, sie reden mit uns, und wir intervenieren, mehr oder weniger, je nach Zuständigkeit, je nach Rolle. Ich glaube, dass daraus natürlich auch ein besonderes Verhältnis erwächst und auch ein besonderer Machtfaktor.
Ich habe erfahren, dass wir wirklich akzeptiert werden als diejenigen, die die Kontrolle mit den anderen Kolleginnen und Kollegen im Parlament über die Regierung ausübt. Das ist unsere Rolle, und die nehmen wir gerne wahr.
Merkel: SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Merkel. Sie ist Vorsitzende des Haushaltsausschusses, und wir sprachen über die Debatte über den Bundeshaushalt 2010. Vielen Dank für das Gespräch!
Und noch etwas anderes ist klar: Der Haushalt umfasst 320 Milliarden, und die Nettoneuverschuldung ist mit exakt 85 Milliarden Euro die höchste in der Geschichte der Bundesrepublik – nur mal zum Verhältnis. Und ich spreche jetzt mit der SPD-Abgeordneten Petra Merkel. Sie ist Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages. Schönen guten Morgen, Frau Merkel!
Petra Merkel: Guten Morgen!
Brink: Wenn ich jetzt zum Schuldnerberater gehe, erklärt er mir erstens, machen Sie einen Kassensturz, und zweitens, zahlen Sie keine Schulden mit neuen Schulden. Ist der Haushaltsausschuss in der Rolle eines Schuldnerberaters?
Merkel: Ja, eigentlich immer wieder. Wir gucken sehr stark darauf, wie das Geld ausgegeben wird, und wir gucken auch darauf, wofür wir neue Schulden machen.
Wir müssen ja trotz alledem feststellen, wir sind in einer der größten Wirtschaftskrisen, die die Bundesrepublik, Europa und ja vielleicht sogar die Welt aufgerüttelt haben, und wir müssen gucken, wie wir es hinbekommen, dass dieses Land handlungsfähig ist, dass der Staat handlungsfähig ist. Und ich glaube, das ist uns in den letzten zwei Jahren wirklich ganz gut geglückt, trotz der Aufnahme neuer Schulden.
Brink: Der Schuldnerberater fragt ja immer, wo machen Sie denn die meisten Schulden. Wo machen wir die meisten Schulden?
Merkel: Das Geld ist ja nicht markiert. Wir geben ja immerhin ungefähr 325 Milliarden Euro aus in dem gesamten Bundeshaushalt 2010, und davon ist zwei Drittel blockiert, das ist festgelegt, das ist festgelegtes Geld, und zwar schon für Ausgaben, die feststehen, die wir gesetzlich gebunden haben, wie die Sozialausgaben, die Personalausgaben und die Zinsen.
Und der Rest, was übrig bleibt, der kann dann noch mal verteilt werden. Wir müssen gucken, inwieweit wir wirklich alles unter die Lupe nehmen - das ist die Aufgabe der Haushälterinnen und Haushälter, und zwar fraktionsübergreifend. Wenn dann allerdings auf der anderen Seite Steuersenkungen gemacht werden, dann liegt das Ganze nicht mehr im Gleichgewicht.
Brink: Aber schauen wir jetzt trotzdem auf den Haushalt, den Sie ja auch vor Augen haben, zumindest auf dem Tisch haben: Wo setzen Sie denn an, wo setzt die SPD an, wo kann Ihrer Meinung nach denn gespart werden?
Merkel: Ja, es ist die Frage, inwieweit wir sparen oder inwieweit wir auch Möglichkeiten nutzen, neue Einnahmen zu erzielen. Wir müssen auf die Ausgaben gucken und müssen alles unter die Lupe nehmen, das finde ich immer ein wesentliches Element. Darin sind sich übrigens auch Haushälterinnen und Haushälter aller Fraktionen einig. Aber jeder untersch …
Brink: Wobei der Finanzminister Schäuble gesagt hat, Pardon, Finanzminister Schäuble ja gesagt hat, sparen erst ab 2011.
Merkel: Ja, das ist es eben. Wer schnell fährt – und das machen wir im Augenblick mit einer hohen Staatsverschuldung – wer schnell fährt, steht eher, wenn er schneller auf die Bremse tritt. Und deswegen sind wir dafür, nicht erst 2011 anzufangen, sondern man muss im Haushalt 2010 sparen – das sagt ja auch Schäuble –, nur er sagt, ich sage es erst nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Und im Grunde genommen gibt es gar nicht viel Manövriermasse, wo man sparen kann, und die Punkte muss die CDU/CSU und die FDP auf den Tisch legen, damit die Bevölkerung nicht hinters Licht geführt wird.
Brink: Wo sehen Sie denn Manövriermasse, die SPD? Wir sehen im Augenblick wenig Manövriermasse zum Einsparen, aber wir können uns sehr wohl vorstellen, dass man diejenigen, die an der Finanzkrise beteiligt waren und davon profitiert haben, dass man die auch mit zur Kasse bittet.
Wir haben im Wahlkampf gesagt, wir wollen so etwas wie einen Bildungssoli einführen, weil wir wissen, wir müssen eine Ausgabe auf jeden Fall machen – das ist die für Bildung, Bildung, Bildung. Und wir sehen die Gefahr, dass wenn wir jetzt weiter Steuern senken, das Ungleichgewicht noch erheblich größer wird. Wir müssen ran an die Frage: Was passiert nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen? Und ich glaube, es gibt viel zu wenig Zeit für die Regierung und für die Regierungsfraktionen, innerhalb eines Monats wirklich alles auf den Tisch zu legen, was sie an Kürzungen vorschlagen wollen.
Merkel: Aber Sie können das ja schon mal tun. Bleiben wir doch mal beim Beispiel des Schuldnerberaters, der fordert ja auch eine solide Finanzplanung. Wie sähe die denn für die SPD aus, mehr Schwerpunkt auf Sparen oder Ausgeben?
Brink: Ausgeben muss der Staat immer, weil er auch mit Arbeitsplätze initiiert. Wir können sie nicht schaffen, aber wir können sie initiieren. Und in einer Krisensituation glaube ich auch, dass es vernünftig ist zu gucken, wo wir die einzelnen Möglichkeiten, wirklich Arbeitsplätze zu schaffen, unterstützen. Das ist uns in der Krise insofern gelungen, als wir sehr viel investiert haben zum Beispiel in Kurzarbeit, damit die Leute nicht entlassen werden.
Ich kann mir vorstellen, dass das noch länger gefahren werden muss. Aber wir haben ja auch als SPD zum Beispiel mit dem Deutschlandplan vorgelegt, in welchen Bereichen es in Deutschland Arbeitsplätze gibt mit Perspektive. Die müssen wir anregen, damit wir die Menschen in Arbeit bringen. Das ist der beste Weg, um rauszukommen aus der Wirtschaftskrise, wie wir sie im Augenblick noch haben und wie wir auch die Möglichkeit überbrücken, diese demografische Entwicklung, die Fachkräftemangel jetzt schon sich abzeichnen lässt, wie wir die wirklich in den Griff bekommen.
Merkel: Noch eine abschließende Frage: Wie viel Einfluss haben denn die Abgeordneten beziehungsweise der Haushaltsausschuss überhaupt?
Brink: Na, wir sind der Ausschuss, in dem alle Ministerinnen und Minister den Haushalt mit uns diskutieren. Das heißt, sie kommen, sie reden mit uns, und wir intervenieren, mehr oder weniger, je nach Zuständigkeit, je nach Rolle. Ich glaube, dass daraus natürlich auch ein besonderes Verhältnis erwächst und auch ein besonderer Machtfaktor.
Ich habe erfahren, dass wir wirklich akzeptiert werden als diejenigen, die die Kontrolle mit den anderen Kolleginnen und Kollegen im Parlament über die Regierung ausübt. Das ist unsere Rolle, und die nehmen wir gerne wahr.
Merkel: SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Merkel. Sie ist Vorsitzende des Haushaltsausschusses, und wir sprachen über die Debatte über den Bundeshaushalt 2010. Vielen Dank für das Gespräch!