SPD-Politiker: Verhalten der Schweiz ist "heuchlerisch"

Joachim Poß im Gespräch mit Birgit Kolkmann · 25.03.2009
Der SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß hat der Schweiz vorgeworfen, Steuerhinterzieher auch weiterhin schützen zu wollen. Verbale Bekundungen, man werde in Zukunft stärker kooperieren, reichten nicht aus, sagte Poß. Die Schweiz lebe seit Jahrzehnten gut davon, dass Steuern in Milliardenhöhe hinterzogen würden.
Birgit Kolkmann: Den Schweizern sagt man nach, dass sie sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen. Aber Peer Steinbrück hat das geschafft mit seinem Spruch von den Steueroasen, die wie Indianer seien, gegen die die Kavallerie ausreiten könnte. Das gab Krach in der Koalition. Die Union warf dem SPD-Finanzminister vor, er bewege sich auf internationalem Parkett wie ein Elefant im Porzellanladen. In der Schweiz löste sein Spruch eine Welle der Empörung aus. Der Verteidigungsminister will ein Rüstungsgeschäft verzögern und kündigte erst mal an, seinen Mercedes-Dienstwagen gegen ein französisches Modell zu tauschen. Die Schweizer sind heute zu Gast in Berlin, und zwar die Schweizer Bankiervereinigung bei einer Anhörung des Bundestagsfinanzausschusses zum Thema Steueroasen. Sie ist der Meinung, die Schweiz habe nun genug Kooperationsbereitschaft gezeigt. Wir sprechen jetzt mit dem finanzpolitischen Sprecher der SPD. Schönen guten Morgen, Joachim Poß!

Joachim Poß: Guten Morgen.

Kolkmann: Herr Poß, die Liechtensteiner kommen heute ja auch mit dazu. Diese Finanzplätze wollen mit ihren Angeboten natürlich konkurrenzfähig bleiben, unterstützen aber auch nachdrücklich die Bestrebungen gegen Steuerhinterziehung. Reicht Ihnen das immer noch nicht aus?

Poß: Das sind ja verbale Bekundungen. Wir reden ja zum Beispiel mit der Schweizer Bankiervereinigung schon seit Jahrzehnten, kann man sagen. Jedenfalls habe ich im letzten Jahrzehnt mehrere Gespräche mit dieser Vereinigung geführt, die ja Jahr für Jahr auch nach Berlin kommt. Und von daher: Die Schweizer werden jetzt im Rückzug etwas flexibler, aber sie erfüllen das, was erforderlich ist im internationalen Verkehr, also auch Informationsaustausch unaufgefordert nicht nur bei Steuerbetrug, wo man mit Nachweispflichten arbeiten muss, sie erfüllen diese Standards nach wie vor nicht und sie nutzen diese Äußerungen von Steinbrück, die ja gar nicht gemünzt waren auf die Schweiz, sondern auf alle Steueroasen, um so in einer Welle der Empörung das etwas zu kaschieren. Die Schweiz gehört zu den Staaten, die wie andere auch sozusagen zu Lasten der ehrlichen deutschen Steuerzahler, die ja die Last hier unserer Aufwendungen und unserer Ausgaben tragen muss, seit Jahrzehnten gut davon lebt, dass in Milliardenhöhe Steuern hinterzogen werden. Das weiß jeder, das ist heuchlerisch, diese Position, die da eingenommen wird.

Kolkmann: Aber die Schweizer Regierung hat doch nun auch beschlossen, den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen zu übernehmen.

Poß: Sie hat das aber noch nicht erfüllt.

Kolkmann: Warum reicht Ihnen das aber nicht aus? Ich meine, nun muss das alles umgesetzt werden. Es geht doch den Schweizern offenbar nur darum, dass sie erst dann tätig werden, wenn der Tatbestand der Steuerhinterziehung hier in Deutschland erfüllt ist.

Poß: Nein. Bis jetzt ist es ja anders. Sie verlangen bestimmte Nachweise darüber, die es im praktischen Verkehr fast unmöglich machen, da den Steuerhinterziehern auf die Schliche zu kommen. Das sind ja Zufallsfunde, die mit dem Namen Zumwinkel und anderen dort verbunden sind. Deswegen ist man erst überzeugt, wenn die Schweiz dieser Ankündigung auch Taten folgen lässt. Die verbalen Bekundungen reichen da nicht aus. Es muss erreicht werden, dass kein Steuerhinterzieher sich mehr hinter einer Briefkastenfirma oder einem Strohmann verstecken kann. Das ist das Ziel, das wir hier anstreben. Und wie gesagt, glaubwürdig ist die Aufregung in der Schweiz nicht.

Kolkmann: Nun geht ja der Streit auch innerhalb der Koalition wieder weiter. Heute sollte das Thema eigentlich auf der Agenda der Kabinettssitzung sein, es wurde wieder abgesetzt. Die Union findet, dass das alles viel zu weit geht, was sich Finanzminister Steinbrück da ausgedacht hat, und auch die Wirtschaftsverbände sagen, das ginge viel zu weit. Können Sie sich vorstellen, dass Sie für den Gesetzentwurf noch einmal nachdenken und das Ganze etwas entschärfen?

Poß: Nun, es gab ja in den letzten Wochen viele Gespräche zwischen den beteiligten Ministerien zu dieser Frage. Es geht ja darum, dass hier die Beschränkung des Austausches von Bankinformationen auf Fälle des Steuer- und Abgabenbetrugs, wie es in der Schweiz erfolgt, offen als Wettbewerbsvorteil für den eigenen Bankensektor dargestellt wird, dass wir das so nicht weiter hinnehmen und dass wir - die deutschen Steuerzahler - in einem gewissen Umfange, wenn es Geschäftsbeziehungen zu solchen Ländern gibt, darum bitten, mitzuwirken bei den Informationen. Wir wollen damit das Entdeckungsrisiko von Steuerverkürzungen deutlich erhöhen und dabei sowohl präventiv als auch repressiv wirken, und ich denke und hoffe doch, dass in den nächsten Wochen, spätestens nach Ostern die Union einlenken wird.

Kolkmann: Könnte es denn sein, dass dieser Gesetzentwurf auch schneller scheitert, als es der SPD lieb ist, weil er im internationalen Vergleich einfach mehr will als andere?

Poß: Das stimmt ja auch nicht. Diese Behauptungen stimmen nicht. Es gibt etwa 20 Staaten im OECD-Bereich, die einen ähnlichen nationalen Ansatz verfolgen oder beabsichtigen, oder bei denen das jetzt in der Diskussion ist. Wir müssen ja feststellen, dass bei einem Thema, das jahrzehntelang stagniert hat, was eigentlich ein Skandal ist, wenn man denkt, was da stattgefunden hat, wie gesagt alles zu Lasten der ehrlichen deutschen Steuerzahler, endlich Bewegung reingekommen ist und wir brauchen solche auch einseitigen Schritte, die die USA ja zum Beispiel in ganz anderer Form gemacht haben. Das war ja auch in den letzten Wochen zu besichtigen, wie die USA ihre Vorstellungen durchsetzt. Wir brauchen auch diese Schritte, um den Druck zu erhöhen und diesem Skandal der Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung hier endlich ein Ende zu bereiten.

Kolkmann: Nun wird mit diesem Thema auch wieder kräftig Wahlkampf gemacht, siehe der Streit in der Koalition. Der Bundespräsident hat gestern in seiner "Berliner Rede" die politischen Schaukämpfe gegeißelt, aber genau das spielt sich wieder ab, während er noch redet. Schämen Sie sich nicht?

Poß: Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Ich fühle mich da nicht angesprochen. Ich verfolge zum Beispiel seit Jahren die Veränderungen, die bei der OECD diskutiert werden. Das ist die Stelle, die da wirklich sachkundig ist, zusammen mit der Steuergewerkschaft. Und ich sehe jetzt Fortschritte, die eben seit Jahren undenkbar waren, und da geht es um das Interesse des Gemeinwesens und die Finanzierung des Gemeinwesens, eine faire Besteuerung, und es geht darum zu verhindern, dass Leute oftmals auch mit besonders hohem Einkommen sich dieser Steuerpflicht in unserem Gemeinwesen entziehen. Es geht hier nicht um Schaukämpfe und deswegen hoffe ich auch sehr, dass bei der Union noch Einsicht einkehrt. Ich will keinen Wahlkampf mit diesem Thema führen. Man wird es machen müssen, wenn die Union nicht einlenkt.

Kolkmann: Klare Worte von Joachim Poß, dem finanzpolitischen Sprecher der SPD. Vielen Dank fürs Gespräch!

Poß: Bitte schön!


Das Interview mit Joachim Poß können Sie bis zum 25. August 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio