SPD-Politiker: Seehofer ist "Sheriff von Nottingham"

Florian Pronold im Gespräch mit Christopher Ricke |
Die SPD geht im Streit über die Erbschaftssteuer von einer Einigung mit der CDU/CSU aus. Eine Neuregelung der Erbschaftssteuer sei in naher Zukunft möglich, sagte Florian Pronold, Vorstandsmitglied der SPD-Bundestagsfraktion.
Christopher Ricke: Es scheint jetzt doch noch zu gelingen, die Erbschaftssteuerreform bis zum Jahresende umzusetzen, gerade so, wie es das Bundesverfassungsgericht der Politik ja aufgegeben hat. Bislang war die Bremse die CSU, es gibt aber jetzt offenbar Einigkeit bei den Unionsschwestern. Der neue CSU-Chef Horst Seehofer hat gesagt, die Union strebe bei der anstehenden Reform nun weitgehende Befreiungsmöglichkeiten an. Am Montag treffen sich Spitzenvertreter und Finanzexperten von Union und SPD. Der SPD-Finanzpolitiker Florian Pronold, der auch Vorsitzender der bayerischen SPD-Landesgruppe im Bundestag ist, war mein Gesprächspartner. Ich fragte ihn, Herr Pronold, haben wir denn in der kommenden Woche die Lösung des Erbschaftssteuer-Streits?

Florian Pronold: Also ich gehe davon aus, weil wir uns eigentlich bis auf Millimeter zwischen CDU und SPD schon seit April diesen Jahres geeinigt haben oder angenähert haben und wir jederzeit uns einigen hätten können. Aber die CSU hat Wahlkampf betrieben, hat völlig falsche Behauptungen in den Raum gestellt und hat sich selber auf Bäume gejagt, wo sie jetzt nur noch schwer wieder runter kommt.

Ricke: Es könnte aber auch noch einen kleinen Punktsieg für die CSU geben, wenn die CDU-Chefin der kleineren Schwester das zukommen lassen will?

Pronold: Ja, aber das, was hier verteilt wird, das war erst das Halbe. Wir reden heute davon, dass beim selbst genutzten Wohneigentum bereits nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf vermutlich 99 Prozent aller Eigenheime steuerfrei weitergegeben werden. Und wenn wir jetzt über eine Villa am Starnberger See reden, die zehn Millionen wert ist, dann ist das ein Luxusproblem, aber keines, das ernsthaft in der Erbschaftssteuer gelöst werden muss.

Ricke: Es gibt aber schon das Problem des Betriebsübergangs. Und da sind die Positionen nicht so deckungsgleich.

Pronold: Da sind wir auch sehr, sehr weit, und wir haben alles getan, dass man vernünftig da einen Betrieb übergeben kann. Da hat die Union sehr viel an Unsinn erzählt, weil auch hier über 90 Prozent der Betriebe überhaupt keine Erbschaftssteuer nach dem bereits vorliegenden Entwurf zahlen werden und wir im Rest das so ausgestaltet haben, dass es überhaupt keine Arbeitsplätze oder die Fortführung des Betriebes gefährdet, sondern praktisch alle Betriebe werden besser gestellt als nach dem bisherigen Recht. Und trotzdem scheint das nicht auszulangen. Wir sind immer bereit, an vernünftigen Lösungen mitzuarbeiten, aber ich habe den Eindruck, es wird jetzt hier darum gekämpft, dass man erklären kann. Man hat sich durchgesetzt, dass CSU, in Wirklichkeit sind wir eigentlich seit April auf dem Verhandlungswege schon einig, dass das genauso kommt, was dann am Montag als großer CSU-Erfolg verkauft werden soll.

Ricke: Sind Sie denn als SPD-Politiker bereit, noch ein ganz klein bisschen zuzugeben, damit der Koalitionspartner seinen Erfolg hat?

Pronold: Für uns gibt es nur zwei Maßstäbe: Erstens, wir haben gesagt, die Erbschaftssteuer muss weiterhin vier Milliarden einbringen, und zweitens, sie muss verfassungskonform sein. Und das sind die einzigen beiden Vorgaben, die es für uns gibt. Und wir waren immer bereit zu verhandeln, aber unsere Erfahrung war bisher, immer, wenn wir ein Zugeständnis gemacht haben an der einen Stelle, indem wir die Schraube gelockert haben, mussten wir sie, um die Verfassungsgemäßheit herzukriegen, an einer anderen Stelle wieder etwas anziehen. Und bei der nächsten Verhandlung kam dann die CDU/CSU wieder und sagt, ja, aber die angezogene Schraube, die müssen wir auch lockern. Bloß wenn man alle Schrauben locker macht, dann bricht das Ding zusammen. Und das geht nicht.

Ricke: Ist denn die Idee, dass die Erbschaftssteuer, die ja den Ländern zukommt, in Zukunft von den Ländern selbst erhoben wird, ganz vom Tisch?

Pronold: Die wird, glaube ich, formal von der CDU/CSU noch aufrechterhalten, aber soweit meine Informationen sind, will auch die Mehrheit der Unionsländer keinen Steuerwettbewerb um die Erbschaftssteuer zwischen den Ländern.

Ricke: Der Streit um die Erbschaftssteuer ist ja sozusagen das bundespolitische Entree des neuen bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer. Nötigt Ihnen dieses Entree Respekt ab?

Pronold: Nein, weil hier wirklich nur um (…) Halbe gekämpft wird. Und wenn die CSU einen Erfolg hat, dann wird der sich allenfalls in einem Prozent der Bevölkerung auswirken. Und das ist das oberste eine Prozent in der Reichtumsverteilung. Und es nötigt mir überhaupt keinen Respekt ab, sondern ich finde, Seehofer muss dann vor allem eines beantworten: Was man den Reichen schenkt, muss man den Armen nehmen.

Und in Bayern gibt es 800 Millionen Euro, die man an Erbschaftssteuer einnimmt. Und wenn er alles, was er dort macht und hergibt, das muss er über Studiengebühren oder andere Dinge wieder reinholen. Und da bin ich gespannt, ob er das Image vom Robin Hood noch aufrechterhalten kann. Ich glaube, es wird dann sehr schnell deutlich, auch am Beispiel der Erbschaftssteuer, dass er der Sheriff von Nottingham ist.