SPD-Politiker Edathy lehnt Untersuchungsausschuss zur CIA-Affäre gegenwärtig ab

Moderation: Birgit Kolkmann · 08.12.2005
Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy, hat sich gegen die umgehende Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur CIA-Affäre ausgesprochen. Ein Untersuchungsausschuss sei das schärfste Instrument des Bundestags und erst dann notwendig, wenn in den kommenden Tagen Fragen offen blieben, erklärte der SPD-Politiker.
Kolkmann: Ex-Innenminister Otto Schily spricht im "Zeit"-Interview heute Klartext. Es sei völlig inakzeptabel, dass hier in Europa Leute hops genommen werden, es dürfe im Kampf gegen den internationalen Terrorismus keine rechtsfreien Räume geben, erst recht keine Folter. Schily bestritt nicht über den Fall des entführten Deutsch-Libanesen informiert worden zu sein, allerdings erst nach dessen Freilassung. Die Opposition im Bundestag verlangt nun genaue Aufklärung darüber, wer was gewusst hat und wen informierte und welche Rolle zum Beispiel der neue Außenminister Steinmeier in seiner damaligen Funktion als Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator spielte. In der nächsten Woche wird es eine aktuelle Stunde im Bundestag geben. Wir sind jetzt verbunden mit dem Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestag Sebastian Edathy von der SPD. Schönen guten Morgen!

Edathy: Guten Morgen!

Kolkmann: Herr Edathy, wurde das parlamentarische Kontrollgremium bereits 2004 informiert?

Edathy: Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich diesem Gremium nicht angehöre und es geheim tagt. Aber die Nachrichtenlage deutet darauf hin. Es ist ja auch so, dass wir von Stunde zu Stunde schlauer werden. Es ist ja offenkundig nach den Einlassungen von Otto Schily so, dass er mitnichten, wie in der Presse behauptet worden ist, vor der Freilassung von El Masri informiert worden ist, sondern erst im Nachhinein. Also ich glaube, wir werden da jetzt in den nächsten Tagen noch mehr Klarheit bekommen, die Fakten werden vollständig auf den Tisch gelegt und dann werden die zu bewerten sein.

Kolkmann: Nun hat ja Bundeskanzlerin Merkel ihren Außenminister gebeten, das parlamentarische Kontrollgremium jetzt zu informieren. Sie sprachen es schon an, es tagt geheim, reicht das für die Aufarbeitung des Falles also nicht aus?

Edathy: Das reicht nicht aus. Das Thema hat in der Öffentlichkeit eine hohe Bedeutung erlangt und auch zu Recht. Es geht da um die Rechte eines deutschen Staatsbürgers und es muss sich jeder Mann und jede Frau in diesem Land darauf verlassen können, dass die Regierung alles dafür tut, dass die bürgerlichen Freiheitsrechte geschützt und gewahrt werden. Und wenn da der Verdacht im Raum steht, das könnte im konkret vorliegenden Fall nicht der Fall gewesen sein, dann muss das aufgeklärt werden. Dann muss das auch öffentlich aufgeklärt werden. Ich gehe davon aus, dass alle dafür in Frage kommenden Bundestagsausschüsse, das ist der Innenausschuss, der Menschrechtsausschuss, der auswärtige Ausschuss, sich mit der Fragestellung nächste Woche beschäftigen werden. Es steht jedenfalls auf der Tagesordnung des Innenausschusses und wir werden eine aktuelle Stunde haben. Also, das Thema muss in der Öffentlichkeit geklärt werden, weil die Fragen, die aufgeworfen worden sind, in der Öffentlichkeit behandelt werden.

Kolkmann: Also, die Ausschüsse werden befasst sein, die Frage ist, wie man dann weiter damit umgeht? Es gibt ja die Versuche, seitens der FDP vor allen Dingen, einen Untersuchungsausschuss einzurichten und auch der Bundestagspräsident Norbert Lammert hat diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen. Wie sehen Sie das als Vorsitzender des Innenausschusses?

Edathy: Einen Untersuchungsausschuss einzurichten, das ist die schärfste Waffe, die das Parlament hat. Ich gehe davon aus, dass man über diese Frage erst dann wird entscheiden müssen, wenn auf dem üblichen parlamentarischem Wege durch Auskunftsrechte, die der Bundestag hat gegenüber der Bundesregierung, diese offenen Fragen nicht beantwortet werden. Ich habe aber den Eindruck, dass die Bundesregierung selber ein großes Interesse daran hat, dass möglicherweise noch bestehende Unklarheiten beseitigt werden, dass Klarheit geschaffen wird. Ich glaube am Ende wird man wahrscheinlich keinen Untersuchungsausschuss benötigen und selbst die FDP sagt ja, nur in dem Falle, dass sie jetzt in den nächsten Tagen nicht umfassend informiert wird, zieht sie das in Betracht, die entsprechende Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen.

Kolkmann: Geht es im Prinzip auch darum, ob die Regierung Schröder Gefangennahme und Transporte von Terrorverdächtigen stillschweigend gebilligt hat?

Edathy: Es geht eigentlich um zwei Themenkomplexe, das eine ist das Verhalten amerikanischer Behörden. Wenn man da zur Kenntnis bekommt, dass ein deutscher Staatsbürger auf dem Weg in den Urlaub im europäischen Ausland von einem amerikanischem Geheimdienst, ja wie soll man sagen, gefangengenommen und anschließend verschleppt wird, dann wirft das eine Menge Fragen auf. Ich habe erhebliche Zweifel, ob das im Einklang steht mit dem Völkerrecht, und es ist natürlich Aufgabe der deutschen Regierung die amerikanische Regierung darauf hinzuweisen, dass geltende menschenrechtliche Bestimmungen selbstverständlich einzuhalten sind. Das gilt auch für das Thema CIA-Flüge. Der zweite Themenkomplex, das ist die Frage, was wusste die Bundesregierung, wann wusste sie es, und wie ist sie mit den Informationen, die sie bekommen hat, umgegangen. Das ist das, was zu klären ist. Wenn man dem früheren Innenminister glauben schenken darf, und ich tue das persönlich, weil ich Otto Schily da für einen ehrlichen Menschen halte, dann ist er von der amerikanischen Regierung, offenkundig von dem amerikanischen Botschafter, über den Fall von dem deutschen Staatsbürger Herrn El Masri informiert worden, nachdem dieser freigelassen worden ist. Dann stellt sich noch die Frage, ist Herrn El Masri da Beistand gewährt worden? Ist man seitens deutscher Behörden auf ihn zugegangen? Das sind Dinge, die wir in den nächsten Tagen zu klären haben werden. Aber der massivste Vorwurf nämlich, Herr El Masri habe sich noch in Gefangenschaft befunden, die deutsche Regierung sei informiert worden, hätte nicht gehandelt, dieser Vorwurf scheint mittlerweile ja entkräftet worden zu sein, aber es gibt noch einige offene Fragen und um die wird sich das Parlament im Interesse der Allgemeinheit kümmern müssen.

Kolkmann: Auch das Europaparlament überlegt ja in den Fraktionen, ob es tätig wird. Können sie sich auf eine gemeinsame Arbeit da verständigen? Es geht ja um die Beachtung der Menschrechtskonventionen und die Wahrung von Grundrechten. Muss es da ein größeres Nachspiel auch auf der Ebene des Europaparlaments geben?

Edathy: Es muss auf jeden Fall der amerikanischen Regierung deutlich vor Augen gehalten werden, dass es unter rechtstaatlichen Rahmenbedingungen überhaupt nicht akzeptiert werden kann, wenn ohne Konsultationen Zugriff genommen wird auf in diesem Falle einen deutschen Staatsbürger. Das ist ein unmögliches Verhalten, das ist wilder Westen, das ist nicht der Rechtsstandard, den wir von unseren Partnern erwarten und von dem wir auch ausgehen, dass er eingehalten werden muss. Und wenn die europäische Gemeinschaft da auch länderübergreifend ein klares Signal senden könnte nach Washington, wäre das sicherlich hilfreich.

Kolkmann: Bundeskanzlerin Merkel hat sich da ja relativ kritisch auch gegenüber der US-Außenministerin geäußert. Könnte es sein, dass es unterschiedliche Auffassungen über Rechtmäßigkeit und Geheimdienstaktivitäten, auch über den Folterbegriff gibt bei der US-Regierung und bei der Bundesregierung?

Edathy: Das wäre schlimm, wenn es so wäre. Ich habe Äußerungen der amerikanischen Außenministerin vernommen in den letzten Stunden, die gesagt hat, sie hätte noch mal alle, die im Auftrag der amerikanischen Regierung handeln, darauf hingewiesen, dass Folter unzulässig und verboten ist. Dass es dieses Klarstellungsbedarfes offenkundig bedarf, dass der vorhanden ist, wundert mich schon ein bisschen. Wir haben jedenfalls die Aufgabe von unserem Rechtsverständnis her, unsere amerikanischen Partner natürlich darauf auch hinzuweisen, dass wir davon ausgehen, dass die Völkerrechtsverträge, die auch von den Amerikanern unterzeichnet worden sind, eingehalten werden. Und was da passiert ist mit Herrn El Masri, ist nach meinem Dafürhalten eindeutig rechtswidrig.

Kolkmann: Das war der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag Sebastian Edathy von der SPD. Vielen Dank für das Interview in Deutschlandradio Kultur.