SPD-Ortsverbände und Kanzlerfrage

"Wir haben nicht genügend Alternativen"

Sigmar Gabriel (v.l.), Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann 2013 bei einer Fraktionssitzung.
Sigmar Gabriel (v.l.), Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann bei einer Fraktionssitzung © dpa / picture-alliance / Michael Kappeler
Von Vivien Leue |
Gestandene SPD-Kommunalpolitiker in der Stadt Essen sind ratlos. Die Sozialdemokraten schlagen sich doch gut auf Bundesebene - aber wer um Himmels willen könnte Merkel bei den Bundestagswahlen den Sieg streitig machen?
"Viele üben Kritik an Gabriel, aber ich bin der Meinung, dass er für uns ein guter Vorsitzender ist."
Das ist Karl-Heinz Völker, SPD Mitglied in Essen – und das seit 61 Jahren. Es ist Freitag, kurz vor zehn. Vor dem Rathaus in der Innenstadt von Essen herrscht schon geschäftiges Treiben, im Rathaus ist es heute dagegen relativ ruhig. Vereinzelt steigen Männer und Frauen aus dem Fahrstuhl im zweiten Stock. Hier liegen die Fraktionsräume der SPD Essen. Dunkelbraune Ledercouchen stehen im Flur, die Wand ist mit mahagonifarbenem Holz getäfelt, auf dem Boden liegt grauer Teppich. Aus einem Sitzungssaal mit Blick auf die Straßen der Stadt kommt Kaffeegeruch und leises Stimmengewirr …
"Wir sind die Arbeitsgemeinschaft 60 plus, wir sind die stärkste Organisation.
Karl-Heinz Völker ist stellvertretender Schriftführer der AG 60plus, die sich heute zu ihrer monatlichen Vorstandssitzung trifft. Mit dem Auftreten seiner Partei vor Ort ist Völker nicht ganz zufrieden – die Kommunalwahlen hätten besser laufen können. Aber in der Bundespolitik schlägt sich die SPD gut, findet der 84-Jährige. Und den Vorsitzenden, Sigmar Gabriel, hat er auch schon persönlich getroffen:
"Am 1. Mai machen wir ja von den Gewerkschaften immer große Kundgebungen. Und da hatten wir den Gabriel hier, den Vorsitzenden der SPD. Der hat also eine tolle Rede gehalten und er macht für mich, auch als Vizekanzler macht er für mich einen guten Eindruck."

Meinen Sie denn er wird auch Kanzlerkandidat?
"Also da bin ich fest überzeugt von, dass er Kanzlerkandidat wird."
Dass das in seiner Partei zurzeit nicht alle Mitglieder so sehen, weiß Völker. Das ist ja selbst innerhalb seiner AG 60plus so:
"Aber er macht einen guten Job, also da … - gegen die Frau Merkel kommt er nicht an, ob er einen guten Job macht oder nicht. Das ist das große Problem. Und wenn die Frau Merkel es nicht mehr macht, dann kommt die Frau von der Leyen."
Während Völker und sein Vorstandskollege weiter diskutieren, füllt sich der Sitzungssaal. Mittlerweile sind nur noch wenige der rund 20 Plätze an dem ovalen Tisch noch frei. Die SPD-Mitglieder nutzen die noch freien Minuten für einen Kaffee und einen kurzen Plausch.
"Jetzt ist ein ganz wichtiger Mann gekommen. Der Bezirksbürgermeister von Rüttenscheid und Umgebung. Den müssen sie mal dran nehmen da."
Wie sich herausstellt, hat sich Gerhard Barnscheidt auch schon so seine Gedanken zum bundespolitischen Erfolg – oder Misserfolg seiner Partei gemacht:
"Wie kriegt man da ein eigenes Profil hin?"
"Die Problematik ist, wie kriegt man jetzt – die Koalition muss laufen, die ist auch gut. Aber wie kriegt man ein eigenes Profil da hin? Das ist die Schwierigkeit. Und ich finde schon, unser Vorsitzender macht das eigentlich ganz gut."
Meinen Sie denn der Gabriel macht's?
"Was meinen Sie, als Kandidat?"
Ja, als Kandidat.
"Hm, weiß ich nicht so genau. Wir haben nicht genügend Alternativen. Wir haben noch einen zweiten Mann, Steinmeier, … Kraft hat abgesagt. Das wäre die Richtige gewesen. Als Kontrapunkt zu Merkel. Ich denke schon, dass Sigmar sich das überlegt."
Aber hätte Sigmar Gabriel denn eine Chance gegen Merkel? Bei dieser Frage wird der Sitzungssaal dann plötzlich wieder ganz ruhig.
"Ja, sie hat einen Bonus, der ist eigentlich nicht zu übertreffen, obwohl sie nichts macht, sie macht ja nichts. Sie wartet solange immer ab, bis es entschieden ist und dann setzt sie sich oben drauf. Das hat der Kohl auch schon so gemacht. Der hat das auch alles ausgesessen. Ja, natürlich … - und die Bürger die sehen das wohl nicht ganz so politisch. Die sehen, da ist die Bundeskanzlerin, die tut letztlich was und honorieren das. Eigentlich tut sie nichts. Die SPD - beziehungsweise Gabriel - hat doch schon vor Monaten, oder ich weiß gar nicht wie lange das her ist, schon vor Monaten gefordert, dass wir ein anderes Asylrecht haben müssen. Und jetzt plötzlich macht es klick und da hüpft die da drauf."
Das ist für viele das große Problem ihrer Partei: Die SPD sagt etwas, aber so richtig gehört wird es erst, wenn Merkel das auch sagt. Da kommt noch einmal Karl-Heinz Völker dazu. Er will das nicht so stehen lassen und zeigt Verständnis für die schwierige Lage seiner SPD
"Gegen Merkel hat’s jeder schwer, würde ich sagen. Also da kann man so bekannt sein, wie man will: Solange die kandidiert … - also da gebe ich unseren Leuten, naja Gott, sicherlich eine gute Chance, aber ob man’s dann auch wird, das kommt ja dann auch auf die Wähler an."
Mehr zum Thema