SPD-Haushaltspolitiker: Keine Wahlgeschenke ohne Gegenfinanzierung

Jörg Degenhardt im Gespräch mit Carsten Schneider |
Angesichts der morgen beginnenden Haushaltsberatungen im Bundestag hat die SPD ihr Ziel, bis 2011 einen ausgeglichenen Etat vorzulegen, bekräftigt. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider, betonte, mit seiner Partei werde es keine Wahlgeschenke ohne Gegenfinanzierung geben.
Jörg Degenhardt: Nicht nur der Sommer 2008 hat sich nun wohl endgültig verabschiedet, auch die Sommerpause unserer Abgeordneten in Berlin, die ist definitiv vorbei. Alles, was in der Bundespolitik Rang und Namen hat, hat sich wieder an der Spree eingefunden. Und das ist auch gut so, die Haushaltswoche steht an. Morgen stellt der Finanzminister den Bundeshaushalt 2009 und die Finanzplanung bis 2012 im Bundestag vor. Steinbrücks Ziel: ab 2011 keine neuen Schulden mehr. Am Mittwoch ergreift dann die Kanzlerin in der Generaldebatte das Wort im Bundestag. Der Etat des Kanzleramtes ist traditionell Anlass zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Nach dem Führungswechsel in der SPD dürfte es aber auch spannend sein zu beobachten, wie sich das Klima in der Koalition selbst zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer entwickelt. Am Telefon begrüße ich Carsten Schneider, den haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Schneider!

Carsten Schneider: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Degenhardt: Ihre Partei mit einer neuen Spitze, die sich profilieren will, der heraufziehende Wahlkampf, die abschwellende Konjunktur, die aktuellen schlechten Nachrichten aus der amerikanischen Bankenwelt. Wird die diesjährige Haushaltsdebatte mehr als eine Routineveranstaltung?

Schneider: Na ja, es ist ja immer der Höhepunkt des parlamentarischen Jahres, zumindest behaupten die Haushalter das. Aber die Debatte um den Kanzleretat am Mittwoch ist ja klassischerweise die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition. Und ich glaube, es wird auch noch Regierung und Opposition sein. Das heißt, einen aufziehenden Vorwahlkampf zwischen dem richtigem Kanzlerkandidaten und der Kanzlerin sehe ich eigentlich noch nicht. Das ist noch lange hin.

Degenhardt: Wo liegen denn aus Ihrer Sicht die Hauptrisiken für den neuen Haushalt?

Schneider: Na ja, in der wirtschaftlichen Entwicklung. Das Niveau ist sehr gut. Wir haben die Kreditaufnahme nicht nur halbiert, sondern deutlich, deutlich strukturell verringert: von knapp 60 Milliarden auf jetzt fast 15 Milliarden Defizit, nur noch, beim Bund. Aber es hängt natürlich davon ab, ob das wirtschaftliche Wachstum und der Abbau der Arbeitslosigkeit auch in 2009 noch so vorangeht, wie es prognostiziert ist. Und das weiß man zurzeit nicht so genau.

Degenhardt: Was ist mit den aktuellen Finanzturbulenzen in den Vereinigten Staaten? Werden die uns demnächst in Deutschland, überhaupt in Europa auch erreichen?

Schneider: Das, was da in der Nacht zum Sonntag passiert ist, ist schon etwas, was ich mir hätte nicht mehr vorstellen können. Es gab ja eine Nachricht nach der anderen, angefangen von der großen Bank Bear Stearns, jetzt auch noch Lehman, die anderen Banken. Ich glaube, da haben die Amerikaner nicht nur in den Abgrund geschaut, sondern die sind ganz unten angekommen. Und das wird mit Sicherheit Auswirkungen auch auf das Zinsniveau, auf die Wirtschaftsentwicklung, auf Eigentümerstrukturen und mit Sicherheit auch auf uns haben.

Degenhardt: Das heißt, Sie sehen da schon ein Risiko für den aktuellen Haushalt, was man jetzt noch nicht so genau benennen kann?

Schneider: Jeder hat gesagt, es ist vorbei in den USA, im Februar, dann im Mai noch mal, jetzt sind wir im September, die Krise ist über ein Jahr alt. Und wir scheinen jetzt erst mal ganz unten angekommen zu sein. Und wenn man noch sieht, wie viele Milliarden die amerikanische Regierung mittlerweile an Konjunkturprogramm ausgegeben hat und Billionen, um die Banken zu retten, Fannie Mae, die großen Kreditversicherer oder Hypothekenbanken, dann sind wir bisher noch sehr glimpflich davongekommen.

Degenhardt: Steinbrücks Ziel habe ich schon genannt. Passt denn sein Sparkurs überhaupt noch in die Zeit? Schuldenabbau in der Zeit wirtschaftlichen Abschwungs, ist das durchsetzbar?

Schneider: Na ja, es ist auf jeden Falls schwieriger, und es ist dann auch nicht mehr die Hauptpriorität. In so einem Fall des wirtschaftlichen Abschwungs, des Zurückgehens von Steuereinnahmen und der Erhöhung der Arbeitslosigkeit wäre ich immer dafür, die sogenannten automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Das heißt, diese beiden Faktoren einfach in den Soll zu schreiben und die Kreditaufnahme zu erhöhen und sie im Aufschwung wieder zu korrigieren und zurückzuführen. Soweit sind wir noch nicht. Selbst wenn wir die Prognose des Kieler Instituts, die mit 0,2 Prozent für nächstes Jahr in den Ring gestiegen sind, nehmen, wäre das eine Mindereinnahme beim Bund von höchstwahrscheinlich 2,5 Milliarden Euro. Das wäre verkraftbar und das könnte ich mir auch noch vorstellen, im Laufe der Beratungen umzuschichten und die Kreditaufnahme zu halten. Ganz so dramatisch ist es nicht, zumal ja unsere Hausaufgaben auch gemacht sind und wir in Europa die Wirtschaftsregion jetzt sind, mit der Bundesrepublik, die am wenigsten belastet ist und die Lokomotive auch noch ist.

Degenhardt: Steht denn die SPD wirklich geschlossen hinter dem Sparkurs des Finanzministers, oder gibt es da ein Wackeln auch mit Blick auf anstehende Wahlen, weil vielleicht einige Ihrer Genossen Entlastungen der Verbraucher, ich sage nur steigende Energiepreise, im Auge haben?

Schneider: Na gut, das ist immer der Unterschied zwischen Fachpolitik und auch Haushaltspolitik in großer Linie. Da gibt es immer einzelne Interessen, die dann auch bedient werden wollen, für die es auch eine Berücksichtigung gibt. Ich sage mal, in der SPD gibt es diesen Streit aber nicht. Der ist vor allen Dingen in der Union zwischen CSU und CDU oder Fraktion und Bundeskanzlerin. Die haben ja auf der Klausurtagung beschlossen: zehn Milliarden Entlastung, ohne eine Gegenfinanzierung zu haben.

Degenhardt: Das heißt, Sie wollen keine Wohltaten verteilen als Wahlgeschenke?

Schneider: Wenn sie nicht gegenfinanziert sind, nicht, nein. Das Einzige, was wir gemacht haben in den vergangenen beiden Jahren an Mehrausgaben, die man als Wohltaten bezeichnen kann, ist die BAföG-Erhöhung um zehn Prozent und die Verdopplung des Wohngeldes. Aber beide sind gegenfinanziert gewesen und somit auch noch in Ordnung.

Degenhardt: Vor der Haushaltsdebatte im Bundestag in dieser Woche ist Haushaltswoche in Berlin. Das war Carsten Schneider, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herr Schneider, vielen Dank für das Gespräch!

Schneider: Ja, ich danke Ihnen, tschüss!

Das gesamte Gespräch können Sie bis zum 15. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio