SPD auf Profilsuche

Von Ernst Rommeney |
Die Sozialdemokraten haben sich selbst und ihr Thema gefunden. Sie nennen es "Gute Arbeit". Diese Überschrift klingt, als würde sie mit "frisierter Schnauze" gesprochen, wie der Berliner sagt. Sie ist aber nicht für ein Poesiealbum gedacht, sondern kennzeichnet einen Leitantrag für den nächsten Bundesparteitag.
Und der wäre ohne die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nicht sonderlich interessant geworden. So aber haben Franz Müntefering und Kurt Beck erst einmal selbst gute Arbeit geleistet. Schon frühzeitig hatte der SPD-Vizekanzler der Union gedroht, aus der Kontroverse "Mindestlohn" ein Wahlkampfthema zu machen.

Der Zorn über das magere Ergebnis der letzten Koalitionsrunde - ob nun echt oder gut gespielt – wurde innerparteilich zum Impuls, unterstützt von der öffentlichen Meinung, die endlich einmal in einer Frage mehrheitlich die SPD unterstützt. Zugleich lässt Kurt Beck die Reformagenda 2010 auslaufen.

Mit versöhnlichen Gesten trennte sich am Montag die Parteispitze von den Gewerkschaftsführern aus der SPD. Lange Zeit – bis hin zum letzten Punkt der Rente mit 67 – hatte sie ihre Anhänger arg strapaziert. Eine weitergehende Reform der Sozialversicherungen wäre zwar notwendig, da ist sich die Große Koalition durchaus einig, aber sie vermag ihre unterschiedlichen Konzepte nicht zu harmonisieren.

Die Agenda 2010 ist also, soweit realisierbar, abgearbeitet, und damit annähernd auch das Reformpotenzial der Großen Koalition. Und wenn der Wähler es zulässt, wird dieses schwarz-rote Bündnis 2009 beendet. Bis dahin wollen die Sozialdemokraten, in Grenzen loyal, in der Regierungsarbeit punkten. Neben den Feldern "solider Haushalt" und "ehrgeiziger Umweltschutz" bietet sich da eine "gute Arbeitsmarktpolitik" an.

Mindestlöhne einzuführen, betriebliche Altersvorsorge zu fördern, Mitarbeiterbeteiligung anzuregen, Leiharbeit kritisch zu prüfen: diese Ideen – nicht neu, aber zueinander passend – greifen dabei Hand in Hand. Soweit verstand es eine gute Regie, mit dem Thema "Gute Arbeit" eine Wende einzuleiten. Wohin sie führen soll, scheint allerdings völlig offen.

Sie strebten eine soziale und ökologische Wirtschaftspolitik an, sagten die Sozialdemokraten in Hannover auf ihrem Zukunftskongress. Ihr Markenzeichen bleibe die soziale Gerechtigkeit. Mit den Leuten um Lafontaine streiten sie sich um das linke Profil, hauen der "neuen Linken" den "Sozialismus" und die "alte DDR" verbal um die Ohren. Besser wäre, es gelänge ihnen wirklich, sich inhaltlich auseinander zu setzen.

Die "Linke" schroff abzulehnen, aber um die FDP zu werben, mag zur Regie gehören. Doch eine rot-gelb-grüne Ampel-Koalition könnte nicht mehr erreichen als das Bündnis heute mit der Union. Die Sozialpolitik gerät mit Konservativen wie mit Liberalen zum kritischen Moment.

Vielleicht würde es den Sozialdemokraten – anders als vermutet – helfen, vom neoliberalen Geist zu lernen, also sich beim Streit um den jeweils geeigneten Rahmen für diese unsere Marktwirtschaft zu profilieren. Sie wird dabei ihren Kurs weniger ideologisch, denn pragmatisch bestimmen, will sie in Bund, Ländern, Kommunen regierungsfähig bleiben. Und die Länder und damit den Bundesrat müsste sie zunächst erobern, wollte sie ohne die Union erfolgreich im Bund regieren. Ihre neue Agenda schreibt die SPD demnach für die Zeit der Opposition. Die Erfolge der Großen Koalition braucht sie nur noch, um glaubwürdig zu bleiben, und dadurch Profil zu zeigen.