Spaß am gemeinschaftlichen Singen

Von Susanne Arlt |
Im Cantamus-Chor in Magdeburg ist jeder herzlich willkommen. Hauptsache man hat Spaß am gemeinschaftlichen Singen und will dabei nicht im Mittelpunkt spielen. Obwohl der Cantamus-Chor Magdeburg ausschließlich aus Laien besteht hat er viele Auftritte im Jahr.
Jens Klimek verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse. Mämämä, das klingt in seinen Ohren schief. Der 24-jährige Chorleiter spart schon beim Einsingen nicht mit Kritik. Ihm gegenüber stehen 50 Frauen und Männer. Die meisten Mitglieder des Cantamus-Chores Magdeburg sind älter als Jens Klimek, der Älteste 73 Jahre.

Der forsche Tonfall stört uns aber nicht, versichert Vereinsvorsitzender Günter Leinung.

Günter Leinung: "Das Positive, dass Miteinander gegeben ist, aus verschiedenen Bevölkerungsschichten kommen unsere Mitglieder, Ärzte, Pädagogen, Anwälte, Krankenschwester, Handwerker, Studenten, Schülerinnen, also in der Palette von 17 bis über 70 Jahren."

Gesangskollegin Marion steht neben ihm und nickt heftig mit dem Kopf. Seit mehreren Jahren ist die Magdeburgerin arbeitslos. Das Singen im Chor, sagt sie, gebe ihr Halt.

Marion: "In der heutigen Zeit fällt das sowieso positiv auf, wenn man so einen Zusammenhalt hat, das hat man ja nicht mehr. Ist ja wie ne große Familie sind wir hier."

Jeden Montagabend proben die 50 Mitglieder zwei Stunden lang im Gesellschaftshaus in Magdeburg. Die meisten haben da schon einen anstrengend Arbeitstag hinter sich. Trotzdem fällt es uns leicht, anschließend zur Chorprobe zu gehen, sagt Gundel Tannenberg. Sie singt seit sechs Jahren mit und fühlte sich auf Anhieb von den anderen angenommen.

Gundel Tannenberg: "Das ist ein wunderbarer Abend dieser Montagabend mit der Probe. Das ist ein Abschluss des Tages, man geht völlig gelöst und frei nach Hause und sagt wunderbar. Es gibt viele freundschaftliche Beziehungen. Ich glaube, dass gibt es nicht überall."

Der Cantamus-Chor sei ein Stadtchor, betont Jens Klimek, kein Kirchenchor. Das Repertoire reicht von Volksliedern, über spirituelle Lieder bis hin zu Popsongs. Das Gesellschaftshaus in Magdeburg ist heute Sitz des Georg-Phillip-Telemann-Zentrums, das sich der Pflege und Forschung des bedeutenden Sohnes der Stadt Magdeburg widmet. Chormusik aus dem 18. Jahrhundert steht aber auch an diesem Abend nicht auf dem Gesangsplan des Cantamus-Chores.

Die Sopranistinnen stehen in der ersten Reihen, dahinter positionieren sich Tenöre, Bässe und schließlich die Altstimmen.

Der junge Chorleiter gibt seit drei Jahren im Cantamus-Chor den Ton an. In Wernigerode besuchte er das renommierte Landesgymnasium für Musik, jetzt studiert er in Magdeburg Musik und Englisch auf Lehramt. Als Komponist für zeitgenössische Chormusik ist er so erfolgreich, dass er davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Der Anspruch hier aber sei das gemeinschaftliche Singen, sagt Jens Klimek. Trotzdem, je höher man seine Ziele stecke, umso besser.

Jens Klimek: "Aber es ist jetzt nicht Sinn und Zweck Rundfunkchorreif zu werden. Ich bin lockerer geworden. Als ich angefangen habe, war ich wirklich noch sehr streng mit diesem hohen Anspruch man kommt aus Wernigerode, man setzt die Leiste wirklich schon sehr hoch an."

Jens Klimek ist der fünfte Leiter in der Geschichte des Cantamus-Chores Magdeburg. Das Ensemble entstand Mitte der 70er Jahre aus einem Klampfenchor und einer Volkstanzgruppe. Vereinsvorsitzender Günter Leinung tanzte schon als junger Student mit.
Günter Leinung: "Und irgendwann sind wir zu alt geworden, sind wir zu schwer geworden, die Frauen, wir konnten sie nicht mehr heben. Da wir aber die Geselligkeit liebten haben wir gesagt o.k., singen kann eigentlich jeder, wir brauchen nur einen Chorleiter, der uns richtig führt."


Schließlich haben die Mitglieder des Cantamus-Chores mehrmals im Jahr öffentliche Auftritte. An diesem Nachmittag treten sie in der Pauluskirche auf. Die Bänke sind bis auf die letzte Reihe besetzt.

Jens Klimek: "Es kann nur was werden, ob gut oder schlecht, macht auf die Tür."


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