Die Sparks und ihr Filmmusical "Annette"
Adam Driver und Marion Cotillard in "Annette": Die Oscar-Nominierungen sind wohl sicher. © imago / Tribus P Film / CG Cinema / Scope Pictures
Subversive Showbiz-Parodie
05:57 Minuten

Die Sparks gelten als die Exzentriker des Pop. Mit dem Filmmusical „Annette“ haben sie sich einen Traum erfüllt und den stimmungsvollen Abschluss eines düsteren Jahres geliefert: 140 Minuten Liebe, Glück, Mord, Gier und absurde Gesangseinlagen.
Für Hollywood waren die Sparks immer zu schrullig und verquer. Ende der 80er standen sie vor einer Zusammenarbeit mit Regisseur Tim Burton – doch der sprang in letzter Minute ab.
Jetzt, zum 50. Dienstjubiläum des innovativen Pop-Duos, hat es endlich geklappt: Ron und Russell Mael präsentieren ihr Leinwand-Debüt „Annette“, ein Filmmusical, das heute in Deutschland startet.
„Es ist eine ganz andere Art von Film als etwa ´La La Land´ – einfach, weil er eine divergente Auffassung davon vertritt, was ein Filmmusical ist“, sagt Sänger Russell Mael. „Und wir sind stolz darauf, dass es nicht diesem stereotypen Ansatz von Tanzeinlagen und Choreografien folgt. Hinter Annette steckt ein völlig anderer Musical-Ansatz.“
Nämlich nichts Glitzerndes, Glamouröses, das in eine Traumwelt entführt. „Annette“ ist eher düster, beklemmend und ohne Happy End. Eine Abrechnung mit der amerikanischen Unterhaltungsindustrie, hinter deren glänzender Fassade Dunkelheit und Gewalt herrschen.
Das Drehbuch stammt vom Pop-Duo Sparks, als Regisseur fungiert das Enfant terrible des französischen Kinos: Leos Carax, bekannt für Filme wie „Die Liebenden von Pont Neuf“ – und bekennender Sparks-Fan.
Düstere, surreale Bildsprache
Das sei einer der Gründe, warum Carax acht Jahre in dieses Projekt investiert hat, so Mael. Etliche seiner Werke wiesen Musikszenen auf, aber „Annette“ sei wie der logische nächste Schritt seiner Karriere: "Es ist komplett musikalisch."
Und das mit Stücken von Carax' Lieblingsband. "Er hat uns erzählt, wie er als 15-Jähriger unsere Alben in Pariser Plattenläden geklaut hat, weil er kein Geld hatte. Das ultimative Indiz für einen Fan“, meint Mael.
Sparks und Leos Carax: Das passt. Der Franzose inszeniert das Liebesdrama zwischen einem zynischen Comedian und einer engelhaften Opernsängerin mit einer düsteren, surrealen Bildsprache in bester David-Lynch-Manier – und einem Liebeskind, Baby Annette, in Form einer Marionette.
Dazu Charaktere, die schnell als böse, eifersüchtig oder naiv auszumachen sind, aber auch absurde Gesangseinlagen beim Beischlaf, im Kreissaal oder beim Morden.
Carax persifliert das Genre des Filmmusicals, erschafft aber gleichzeitig einen neuen Star: Schauspieler Adam Driver, der ungeahntes Talent beweist. Meint auch Russel Mael: „Er hat Gesang und Musik am Julliard Konservatorium in New York studiert – was uns komplett überrascht hat.“
Die Rolle in dem Musical sei eine echte Herausforderung gewesen, „weil es keine traditionelle Broadway-Inszenierung ist, sondern einem Schauspieler wirklich alles abverlangt“. Er habe das hervorragend hinbekommen.
Cameo-Auftritte der Sparks
140 Minuten Liebe, Glück, Mord, Gier und kleine Showbiz-Wunder – aber kein Happy End, vielmehr Gefängnis und Tränen. Eine emotionale Tour de Force mit der Erkenntnis, dass Hollywood eine Schlangengrube ist, schöner Schein eine finstere Kehrseite hat und kein Verbrechen ungesühnt bleibt. Dazwischen darf auch mal gelacht werden. Etwa wenn sich die Sparks als Piloten eines Privatjets versuchen – in bester Laurel-und-Hardy-Manier.
„Ron und ich haben mehrere Cameos im Film“, erzählt Russell Mael. „Und wie bei Ostereiern muss man ein bisschen danach suchen. Wir verfolgen da den Ansatz von Alfred Hitchcock – mit vier oder fünf Auftritten.“
Für Ron und Russell Mael, studierte Film- und Theaterwissenschaftler, ist „Annette“ die Erfüllung eines Lebenstraums. Für Regisseur Leos Carax der gelungene Vorstoß in ein neues Genre, für Adam Driver und Partnerin Marion Cotillard eine sichere Oscar-Nominierung – und für den Zuschauer ein unkonventionelles, fast subversives Kino-Erlebnis. Kein „La La Land“, sondern typisch Sparks – und der stimmungsvolle Abschluss eines düsteren Jahres.