Spannend wie ein Krimi

19.08.2008
Es gibt wohl kaum einen Forschungszweig, der so viele Hoffnungen macht und gleichzeitig so viele Ängste weckt wie die Genforschung. Mit ihr lassen sich auch Rätsel lösen, an denen sich Generationen von Wissenschaftlern die Zähne ausgebissen haben. Davon berichtet Dirk Husemann in seinem Sachbuch "Vaterschaftstest für Pharao".
In seinem Buch "Vaterschaftstest für Pharao. Wie Genforschung archäologische Rätsel entschlüsselt" erzählt Dirk Husemann anhand von Beispielen die Geschichte der Paläogenetik. Der Autor beschreibt, wie die Menschen von Afrika aus die Welt besiedelt haben, spekuliert über mögliche Treffen zwischen Neandertalern und modernen Menschen und zeigt, woher die sagenumwobenen Etrusker kamen.

Diese Dinge sind zwar alle bekannt, aber das Faszinierende an diesem Buch ist, dass Husemann seine Leser mitnimmt in die Labore der Forscher und zeigt, wie sie zu ihren Erkenntnissen und Theorien gekommen sind. Das liest sich spannend wie ein Krimi.

Dirk Husemann beginnt mit einem Überblick über die Geschichte der Genetik von den ersten Erbsenzuchtversuchen Gregor Mendels über die Suche nach der Struktur der DNA bis hin zum Fund von Erbgut in Neandertalerknochen. Das alles unter Überschriften wie "Augenwischerei im Bananenbrei", "Watson, Crick und die dunkle Dame der DANN" oder "Ritterschlag für den genetischen Fingerabdruck". Dabei spart sich der Autor, einen Großteil der komplexen Methoden der Genforschung im Detail zu erklären, sondern konzentriert sich stattdessen auf die Geschichten hinter den Entdeckungen.

Die Eifersüchteleien zwischen Forschern spielen eine Rolle, die Repressalien für Entdecker, die ihrer Zeit voraus waren, und natürlich die manchmal verwunderlichen Wege zur Erkenntnis. So zeigt er, dass ein Gen Aufschluss über frühe Kannibalen gegeben hat, oder wie Ratten erwiesen haben, auf welchem Weg die Südsee besiedelt wurde und was Kühe über die Reisen der Etrusker verraten.

Dabei geht der Autor weitestgehend chronologisch vor. Die Trennung zwischen Menschen und Affen steht am Anfang. Ein ganzes Kapitel widmet sich dem Neandertaler, ein anderes den Wanderrouten der frühen Menschen bis nach Amerika und Australien.

Dann folgt das Kapitel, das dem Buch seinen Namen gab, und Husemann beschreibt die lange Suche nach der Mumie der Pharaonin Hatschepsut. Die altägyptische Königin, die von 1479 bis 1458 vor Christus regierte, wurde von Forschern in ihrer schlichten Grabkammer mehrfach übersehen und nur mithilfe der Genforschung als die Herrscherin erkannt, die sie war.

Dirk Husemann hat Ur- und Frühgeschichte, klassische Archäologie und Ethnologie studiert. Er arbeitet heute als Wissenschaftsjournalist, und das merkt man seinen Texten an: Immer wieder schafft er es, Forschung und ihre Ergebnisse korrekt und trotzdem kurzweilig und unterhaltsam darzustellen.

Wenn es zum Beispiel um die Untersuchung der ägyptischen Mumien geht, beschränkt er sich nicht auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern ordnet sie ein, erzählt von den Empfindlichkeiten ägyptischer Behörden, ihrer Skepsis genetischer Forschung gegenüber und dem Eifer britischer Kuratoren, mehr über "ihre" Mumien zu erfahren.

Der Leser erfährt Geschichten von schlampigen Mumifizierern, vertauschten Leichen und von Verwandtschaftsverhältnissen, die erst nach dreitausend Jahren geklärt werden konnten.

Dabei sind die Texte verständlich und spannend geschrieben und die wenigen verwendeten Fachbegriffe werden in einem Glossar erklärt. Schade ist nur, dass Husemann oft abgegriffene Floskeln in seinen Texten verwendet. Wenn man zum wiederholten Mal von "der versalzten Suppe" hört, "den Sturm im Reagenzglas" oder die "heiße Eisen" liest, dann stört das. Ein guter Lektor hätte hier Abhilfe geschaffen. Trotzdem: Dirk Husemann legt ein überzeugendes und unterhaltsames Buch vor.
Auch dann, wenn er am Ende einen Ausblick auf einige der noch immer ungelösten Rätsel der Geschichte wagt: auf den angeblichen Schädel Mozarts, der laut DNA-Analysen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Mozart gehört hat, auf den Streit zwischen Kirche und Wissenschaft über die Identität der weiblichen Leiche, die mit Galileo Galilei zusammen beerdigt wurde oder die Herkunft der Knochen unter der Basilika San Marco, die nur vielleicht dem heiligen Markus gehörten.

Wissenschaft, das macht Husemann mit "Vaterschaftstest für Pharao" mehr als deutlich, ist nicht statisch, sondern immer in Bewegung.

Rezensiert von Monika Seynsche

Dirk Husemann: Vaterschaftstest für Pharao.
Wie Genforschung archäologische Rätsel entschlüsselt

Theiss Verlag
208 Seiten, 22,90 Euro
erscheint am 28. August