Spanische Häftlinge im KZ Mauthausen

Von Hitler zu Franco

07:36 Minuten
Die 11. Panzerdivision der US-Armee erreicht am 06. Mai 1945 das Konzentrationslager Mauthausen und wird von spanischen Antifaschisten begrüßt.
Spanische Antifaschisten begrüßen die Befreier des Konzentrationslagers Mauthausen am 6. Mai 1945. © Imago / United Archives International
Von Wolfgang Martin Hamdorf · 13.05.2020
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Fast 15.000 sogenannte "Rotspanier", die im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft hatten, waren in deutschen Konzentrationslagern interniert. Ihr Schicksal und die Mitschuld, die das Franco-Regime daran trug, wurden lange totgeschwiegen.
Als die ersten Verbände der amerikanischen Armee am 5. Mai 1945 in Mauthausen eintreffen, sehen sie am Eingang über dem wuchtigen Bruchsteintor ein Transparent in spanischer Sprache: "LOS ESPAÑOLES ANTIFASCISTAS A LAS FUERZAS LIBERADORAS!" - "Die spanischen Antifaschisten grüßen die Befreiungstruppen!"
Fast 15.000 sogenannte "Rotspanier", wie die Nazis sie nannten, waren in deutschen Konzentrationslagern interniert, die meisten davon in Mauthausen. Fast alle hatten im Spanischen Bürgerkrieg für die Republik gekämpft und waren Anfang 1939 nach Frankreich geflohen. Viele hatten 1940 als Bauhelfer oder Fremdenlegionäre mit der französischen Armee gegen die deutsche Wehrmacht gekämpft. Nach der Niederlage Frankreichs wurden sie zunächst noch nach internationalen Konventionen wie Kriegsgefangene behandelt. Aber dann lieferte sie das Franco-Regime bewusst der NS-Vernichtungsmaschinerie aus, sagt der spanische Historiker Fermín Mayorga:
"Hitler hatte sich an die Behörden des Franco-Staates gewandt und gefragt, was mit den gefangenen Spaniern geschehen sollte, er wollte an Spanien ausliefern. Aber Francos Schwager Ramón Suñer antwortete, nein, das seien Gegner des Regimes und keine Spanier mehr, die Nazis sollten sie so behandeln, wie sie es verdienten."

Systematische Vernichtung durch Arbeit

Am 25. September 1940 ordnete ein Führerbefehl die Einlieferung aller gefangenen Spanier in deutsche Konzentrationslager an, sagt der Geschichtswissenschaftler Benito Bermejo aus Madrid:
"Die sogenannten 'Rotspanienkämpfer' mussten von den anderen Kriegsgefangenen getrennt und in Konzentrationslager gebracht werden. Mauthausen wird nicht explizit genannt, aber dort kamen fast alle Häftlinge hin. Bis 1942 kamen immer neue spanische Häftlinge dorthin und wir wissen ja, was mit ihnen geschah."
In Mauthausen wurden die Häftlinge durch die Arbeit in den Steinbrüchen systematisch vernichtet, sagt der Historiker Benito Bermejo aus Madrid. Erst ab 1942 verbesserte sich die Situation der Häftlinge, als das Lager in die Produktion kriegswichtiger Güter einbezogen wurde.
"Die meisten starben in Folge der harten Arbeit und der schlechten Ernährung. Als sich die Situation in Mauthausen etwas verbesserte, weil das Lager eine neue Aufgabe bekam, waren mehr als zwei Drittel der Spanier umgekommen."
Als nach der Befreiung 1945 fast alle Überlebenden von den Regierungen ihrer Heimatländer zurückgeholt werden, bleiben die Spanier zurück, denn für spanische Militärdiktatur gilt jeder von ihnen als "persona non grata", sagt die deutsche Historikerin Anna Catharina Hofmann:
"Ein Teil dieser Häftlinge, der Überlebenden, kehrt nach Spanien zurück, der Großteil bleibt in Frankreich oder geht ins Exil nach Lateinamerika. Teilweise bleiben auch Häftlinge in Österreich wohnen, also rund um Mauthausen. In Spanien selbst spielt das keine Rolle, genauso wenig wie die Erinnerung von den besiegten Republikanern eine Rolle spielt. Und KZ-Häftlinge sind doppelt stigmatisiert, zum einen als Verlierer des Bürgerkriegs und zum anderen als Überlebende der NS-Gewaltherrschaft in Europa. Und über diese Erlebnisse können sie bis 1975 nicht sprechen, weil dort ein Mantel des Schweigens darüber gebreitet wird."

Auch die spanischen Sozialisten schwiegen

Unter dem Franco-Regime war das Schicksal der Spanier in deutschen Konzentrationslagern ein Tabu. Erst nach Francos Tod am 20. November 1975 gab es eine öffentliche Auseinandersetzung mit Krieg und Diktatur. Sie endete aber sehr schnell Ende der 70er-Jahre. Die Historikerin Anna Catharina Hofmann führt das auf die Besonderheiten der "Transición", des schwierigen Übergangs von der Diktatur zur Demokratie, zurück:
"1975 ist eben kein klarer Bruch, sondern ein paktierter Übergang in diese parlamentarische Monarchie, der entscheidend mitgetragen wird von den ehemaligen franquistischen Eliten, also, es gibt in Spanien eben keinen Elitenaustausch, keinen klaren Bruch mit der Vergangenheit. Und die franquistischen Eliten sitzen weiter an den Schaltstellen der politischen Macht. Interessant ist, dass dieser Pakt des Schweigens dann erst in den 80er-Jahren richtig zu greifen beginnt. Das kann man zum einen mit dem Militärputsch im Februar 1981 erklären, der eben deutlich zeigt, die Franquisten sind nicht einfach weg, sondern diese Bedrohung ist immer noch da.
Und dann unter der Regierung Felipe González, also der ersten sozialdemokratischen Regierung in Spanien ab 1982, etablieren sie ein positives, zukunftsgewandtes Geschichtsbild: Spanien kommt in Europa an, ist ein normaler europäischer Staat, und eine Erinnerung an den Bürgerkrieg ist den Sozialdemokraten in Spanien einfach ungelegen. Und dass man diese Vergangenheit verschweigt, ist auch Teil des Wegzolls, den die spanische Sozialdemokraten dafür zahlen, dass sie mitmachen dürfen in diesem Post-Franco-System."
Das hatte auch bereits zum 60. Jahrestag der Befreiung des Lagers Alfonso Guerra, unter Felipe Gónzales Vizeministerpräsident, selbstkritisch eingeräumt:
"Seit dem Ende der 1970er-Jahre bis vor wenigen Jahren fiel Mauthausen erneut in Vergessenheit. Das ist eine traurige Bilanz, denn zunächst wurde die Erinnerung an sie in der jahrzehntelange Franco-Diktatur gelöscht. Aber in der kollektiven Erinnerung, die sich in der Demokratie bildete, fanden sie auch keinen Platz."

Bis heute gibt es keine Entschuldigung

Erst mit den Bürgerinitiativen und Verbänden der Angehörigen der Opfer des Regimes, die seit dem Jahr 2000 vehement eine Aufarbeitung der Verbrechen der Franco-Diktatur fordern, setzte eine Wende ein. Damit wurde auch das Schicksal der Spanier in deutschen Konzentrationslagern erneut öffentlich diskutiert. Zum 60. Jahrestag der Befreiung am 5. Mai 2005 kam mit dem Sozialdemokraten José Luis Zapatero zum ersten Mal ein spanischer Regierungschef nach Mauthausen.
Aber erst 2019 wurde unter der Regierung des Sozialdemokraten Pedro Sánchez ihr Leiden staatlich anerkannt: Am 9. August 2019 veröffentlichte das spanische Amtsblatt BOE die Namen und die Lebensdaten von 4.427 in Mauthausen und Gusen ums Leben gekommenen Spanier – die erste offizielle Anerkennung der ermordeten Spanier durch den spanischen Staat. Der 5. Mai wurde in Spanien zum Gedenktag an die Holocaust-Opfer. Eine wichtige Geste steht jedoch noch aus, so Historikerin Anna Catharina Hofmann:
"Die Regierung Sánchez erwähnt zwar diese spanische Mitschuld in den Veröffentlichungen im Amtsblatt. Aber es wird von vielen Historikern in Spanien kritisiert, dass dieses Verbrechen in gewisser Weise externalisiert wird, also es ist ein NS-Verbrechen an Spaniern, damit haben die Spanier und der spanische Staat nichts zu tun. Viele Historiker fordern eben, dass der spanische Staat Opfern von KZ-Haft und Zwangsarbeit zumindest eine Entschuldigung darbringen möge."
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