Später Kindsmord

Der Ruf der Familie Borgia steht auf dem Spiel. Ihre Schreckenstaten sind überall publik geworden. Auf einem Fest will sich Lucrezia Borgia, Herzogin von Ferrara, für die Enthüllungen rächen. Sie vergiftet den Wein und bemerkt zu spät, dass auch ihr Sohn unter den Gästen ist.
Das Ganze hat natürlich eine Vorgeschichte. Lucrezia Borgia war beim Karneval in Venedig mit Gennaro gesehen worden. Ihr Mann Alfonso verdächtigt den jungen Mann, der Geliebte seiner Frau zu sein und zwingt Lucrezia, dem vermeintlichen Rivalen vergifteten Wein einzuschenken. Aus seinen Erzählungen von der Mutter, die er nicht kenne, weiß Lucrezia, dass er ihr Sohn ist, gibt ihm ein schnelles Gegengift und rät ihm zur Flucht. Darum vermutet sie ihn auch nicht auf dem Fest, wo sie das große Racheattentat inszeniert hat. Diesmal nimmt Gennaro das Gegengift nicht und stirbt mit den Freunden, nachdem ihn Lukrezia im letzten Moment noch über seine Herkunft aufklären kann. Dann bricht sie selbst zusammen.

Zur Saisoneröffnung 1833 hatte die Mailänder Scala durch ein Versehen gleich zwei Komponisten gebeten, eine Oper nach Victor Hugos Drama über die Herzogin von Ferrara zu schreiben. Das Libretto von Felice Romani ging zunächst an Saverio Mercadante. Der fand aber das Leben der antiken griechischen Dichterin Sappho interessanter. So kam der Auftrag zu Gaetano Donizetti. Aber den Zensoren war der Stoff suspekt wegen der nicht ganz geklärten Mutter-Sohn-Beziehung und bisexueller Neigungen der männlichen Hauptpersonen. Nach endlosen Auseinandersetzungen zwischen Autoren und Opernhaus konnte sich Donizetti erst einen Monat vor der geplanten Premiere an die Arbeit machen.

"Lucrezia Borgia" wurde zur meistinszenierten Oper Italiens. Mancherorts aber ließ man sich die skurrilsten Titel einfallen, um von der unrühmlichen Geschichte des bekannten Adelsgeschlechts aus Ferrara abzulenken. Dem Erfolg des Stückes tat das keinen Abbruch, und so wurde die Oper bald auch in anderen europäischen Häusern aufgeführt.


Euroradio-Opernsaison 2010/11
Wiener Staatsoper
Aufzeichnung vom 2.10.10

Gaetano Donizetti
»Lucrezia Borgia«
Melodramma in einem Prolog und zwei Akten
Libretto: Felice Romani

Lucrezia Borgia – Edita Gruberova, Sopran
Alfonso – Michele Pertusi, Bass
Gennaro – José Bros, Tenor
Maffio Orsini – Laura Polverelli, Alt
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Leitung: Friedrich Haider

nach dem 1. Akt ca. 20:25 Uhr Pause mit Nachrichten