Späte Ehre für Mary Pickford

Von Kerstin Zilm · 11.09.2012
Mary Pickford war eine Pionierin der Filmindustrie. Die Oscar Akademie ehrt die Schauspielerin und Produzentin der Stummfilmzeit mit einem mehrjährigen Projekt, in dem auch ihre Filme restauriert werden.
In gefüttertem Anorak begrüßt die Archivkoordinatorin der Academy for Motion Pictures, Arts and Sciences Besucher zwischen Regalen, in denen sich Filmdosen verschiedener Farben über drei Stockwerke türmen. Zehn Grad Celsius und dreißig Prozent Luftfeuchtigkeit sind optimale Bedingungen für Filmerhaltung, erklärt sie. Über 58 Millionen Kilometer Film lagern hier - anderthalb Mal der Erdumfang. Vom Archiv geht die Führung zum Labor für moderne Film-, Licht-, Farb- und Kameratechnologie, vorbei an Filmplakaten von der Stummfilmzeit bis zur Gegenwart, an modernsten Kameras und ihren alten Vorläufern.

Für den offiziellen Auftakt der Zusammenarbeit von Oscar-Akademie und Mary Pickford Stiftung haben Restaurierungsexperten der Akademie zwei Fassungen des Douglas-Fairbanks-Stummfilm-Erfolgs "Das Zeichen des Zorro" kombiniert: ein Originaldruck aus dem Jahr 1920 und eine 35 Millimeter-Kopie aus den 50er Jahren, erklärt Restauratorin. Heather Linville:

"Es ist nicht ungewöhnlich, dass wir für Filme dieser Zeit mehrere Quellen zusammensetzen. Viele Nitrat-Filme haben nur in Bruchstücken überlebt, sind teilweise verbrannt. Manchmal ist nur eine Filmspule übrig, manchmal sogar noch weniger. Dieser Film ist eins von über 350 Restaurationsprojekten, die wir im vergangenen Jahr abgeschlossen haben."

Dank der Zusammenarbeit von Oscar-Akademie und Marc Pickford Stiftung werden diesen Projekten zahlreiche weitere Filme der Stummfilmära folgen, in der Mary Pickford die berühmteste Schauspielerin und Hollywood-Pionierin war.

Mit ihrem späteren Mann Douglas Fairbanks, Charlie Chaplin und Regisseur D.W. Griffith gründete die in Kanada geborene Schauspielerin 1919 das Studio United Artists. Als einzige Frau unterzeichnete sie neben 35 Männern 1927 den Gründungsvertrag der Oscar-Akademie. Aus Sicht des heutigen Direktors von Lehr- und Präservationsprogrammen Randy Haberkamp bekommt Mary Pickford selten die Achtung und Anerkennung, die ihr gebühren:

"Das ist eine große Schande! Mary Pickford war wirklich eine der ganz Großen! Viele erinnern sich an sie nur als eine Art Shirley Temple der Stummfilmzeit. Wer genau hinschaut, sieht, wie subtil sie ihre Charaktere gespielt hat. Außerdem hat sie ihre eigenen Filme produziert und Regie geführt; Drehbuchautoren, Kameramänner und Regisseure für ihre Filme ausgesucht. Sie kannte das Filmgeschäft in- und auswendig. Sie hat den Weg für die moderne Filmindustrie geebnet."

Mary Pickfords Arbeit einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen ist eines der Ziele von Akademie und Pickford-Stiftung. Beide Institutionen werden ihre Sammlungen von Pickford-Dokumenten, Fotografien und Objekten kombinieren, Ausstellungen präsentieren und einmal im Jahr einen neu restaurierten Stummfilm zeigen.

Zum Auftakt sind heute erstmals Archive, Labors und Restaurationsstudios für Besucher geöffnet. Nach einer Tour wird der vor einhundert Jahren gedrehte Kurzfilm 'The New York Hat" mit Mary Pickford zu Live-Klavierbegleitung gezeigt. Randy Haberkamp hofft, mit dem Projekt junge Schauspielerinnen, Autorinnen, Regisseurinnen und Produzentinnen zu inspirieren:

"Es ist ein Dilemma, welche Richtung das Kinogeschäft eingeschlagen hat. Manche sagen, im Fernsehen gibt es mehr Möglichkeiten für Frauen als im Film. Aufgabe der Akademie ist es, Vielfalt in jeglicher Hinsicht zu fördern."

Mary Pickford verpasste am Ende ihrer Karriere den Anschluss an die moderne Filmindustrie. "Filme mit Ton zu unterlegen ist, als trüge man der Venus von Milo Lippenstift auf," kommentierte sie, gewann trotzdem für ihre 'Coquette' 1929 einen Oscar und zog sich 1933 von der Leinwand zurück. 1976 bekam sie mit 83 einen Ehrenoscar für ihr Lebenswerk. Das auch in der Zukunft zu ehren ist Hauptaufgabe des neusten Projekts der Oscar-Akademie.
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