Soziologe der ernsten Generation
Norbert Elias gehört zu den Pionieren der modernen Soziologie des 20. Jahrhunderts. Mit Büchern "Über die Zivilisation", "Die höfische Gesellschaft" und die "Gesellschaft und die Individuen" hat er sich als Theoretiker und Forscher weltweit einen Namen gemacht. Im Rahmen einer 19-bändigen Ausgabe seiner Schriften hat der Suhrkamp-Verlag jetzt einen Band mit autobiografischen Texten herausgegeben.
Elias: "Ich bin noch ein Mensch des 19. Jahrhunderts. Ich kann es selber kaum glauben. Sie können sich nicht vorstellen, was für ein merkwürdiges Gefühl es ist, mit 86 Jahren nun zurückzuschauen, dass man das alles erlebt hatte."
So äußerte sich Norbert Elias sich einmal in einem Interview. Der berühmte Theoretiker und Sozialwissenschaftler starb 1990 hoch betagt im Alter von 93 Jahren. In den letzten Jahren wurde der zierliche Herr mit der großen Hornbrille immer wieder zu seinem Werk und zu seiner Biographie befragt. Eine Auswahl von 14 Interviews neben einem autobiographischen Text hat der Suhrkamp Verlag nun zusammengestellt und quasi als Einführung in Leben und Denken des großen Soziologen herausgegeben.
Elias wurde 1897 in Breslau, dem heutigen Wroclav, geboren. Er entstammte einer wohlhabenden jüdischen Familie.
Elias: "Der Vater war Kaufmann. Er hatte eine Fabrik und wurde recht reich."
Er war ein körperlich "sehr zartes Kind",
Elias: " ... alle Kinderkrankheiten, die nur möglich sind, habe ich gehabt, mit einer großen intellektuellen Neugierde …"
Dann kam der 1. Weltkrieg.
Elias: "Eines der traumatischen Erlebnisse. Aus diesem behüteten Elternhaushalt, mit 17 Jahren plötzlich in die preußische Armee zu kommen. 1915 ging ich als Kriegsfreiwilliger zur Armee. Und dann kam das Übliche: erst nach dem Osten, Somme, die ganze Misere, die furchtbare, unglaubliche ... Ich war Telegraphist, aber ich will davon nicht erzählen. "
Nach dem Krieg studierte er in Breslau Medizin und Philosophie. Die beiden Fächer befriedigten ihn jedoch nicht sehr. 1925 wechselte er nach Heidelberg, um dort Soziologie zu studieren. "Heidelberg war in jenen Jahren das Mekka der Soziologen", erinnert sich Elias in seinen "Notizen zum Lebenslauf".
Elias: "Der große Max Weber war zwar tot, aber seine Witwe war noch da und sein Bruder Alfred, auch er Prof. der Soziologie. ... Der Aufschwung der Soziologie begann bereits in der Kaiserzeit, ... getragen von der liberalen Bourgeoisie wie Max Weber, Simmel und anderen ... Mein stärkstes Gefühl war damals, glaube ich, dass so furchtbar viel Falsches über die menschliche Gesellschaft verbreitet wurde. Was ich wirklich wollte, war den Schleier der Mythologien durchbrechen, der unser Gesellschaftsbild verhängt, damit die Menschen später besser handeln können."
Man könnte das als das geheime Credo seiner Schriften bezeichnen: Mit einer "guten soziologischen, empirisch fundierten Theorie", die Welt verändern. Sein akademisches Weiterkommen wurde jedoch durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhindert. Im März 1933 floh er nach Paris, von da zwei Jahre später nach London, eher widerwillig. Er konnte zwar Griechisch, Latein und sehr gut Französisch, aber kein Englisch. Fast tagtäglich war er im Britischen Museum zu finden - "eigentlich bis" 1975, "bis ich England verließ". Hier studierte er mittelalterliche Breviere über "Hofzucht", Anstandgefühle und Tischmanieren. So entstand seine legendäre Studie "Über den Prozeß der Zivilisation". Das Buch, heute ein Klassiker der Soziologie, erschien 1939.
Doch dieses epochale Werk wurde mehr oder weniger ignoriert. 1969 - also 30 Jahre später - erschein es in einer zweiten Auflage. Aber erst mit der Taschenbuchausgabe 1977 begann die späte Karriere von Norbert Elias. Erst jetzt wurde er, der sich mit befristeten Professuren in England und Ghana über Wasser gehalten hatte, als ernstzunehmender Soziologe, als Denker und Forscher wahrgenommen. Die Taschenbuch-Ausgabe führte zu einem regelrechten Elias-Boom. Er, der Außenseiter, auch darüber hat Elias übrigens instruktiv geforscht und geschrieben, - über Etablierte und Außenseiter -, er war auf einmal ein gefragter Mann. In Deutschland erhielt er Gastprofessuren, Forschungsaufträge - Preise. In ganz Europa und auch in den USA konnte man nun seine Stimme auf Tagungen und Kongressen vernehmen. Gerne folgte er der Aufforderung, über die Pioniere, die "Soziologen der ersten Generation" zu erzählen. Und dann sagte er auf seine bescheidene Art: "Ich selbst bin einer davon." Und immer wieder kam er auf seine zentrale Frage zu sprechen:
Elias: "Wie können wir die notwendigen Selbstkontrollen besser einbauen als es heute der Fall ist."
"Über mich selbst" könnte dieser autobiografische Band sehr gut auch heißen. Wer den Theoretiker Norbert Elias besser kennen lernen will, findet hier die wichtigsten Essentials zu seinem Leben und Werk. Eine beigelegte CD mit einem Interviewausschnitt vermittelt auch einen akustischen Eindruck von der Präsenz des großen Gelehrten. Das Buch ist auch als Einführungslektüre zu empfehlen.
So äußerte sich Norbert Elias sich einmal in einem Interview. Der berühmte Theoretiker und Sozialwissenschaftler starb 1990 hoch betagt im Alter von 93 Jahren. In den letzten Jahren wurde der zierliche Herr mit der großen Hornbrille immer wieder zu seinem Werk und zu seiner Biographie befragt. Eine Auswahl von 14 Interviews neben einem autobiographischen Text hat der Suhrkamp Verlag nun zusammengestellt und quasi als Einführung in Leben und Denken des großen Soziologen herausgegeben.
Elias wurde 1897 in Breslau, dem heutigen Wroclav, geboren. Er entstammte einer wohlhabenden jüdischen Familie.
Elias: "Der Vater war Kaufmann. Er hatte eine Fabrik und wurde recht reich."
Er war ein körperlich "sehr zartes Kind",
Elias: " ... alle Kinderkrankheiten, die nur möglich sind, habe ich gehabt, mit einer großen intellektuellen Neugierde …"
Dann kam der 1. Weltkrieg.
Elias: "Eines der traumatischen Erlebnisse. Aus diesem behüteten Elternhaushalt, mit 17 Jahren plötzlich in die preußische Armee zu kommen. 1915 ging ich als Kriegsfreiwilliger zur Armee. Und dann kam das Übliche: erst nach dem Osten, Somme, die ganze Misere, die furchtbare, unglaubliche ... Ich war Telegraphist, aber ich will davon nicht erzählen. "
Nach dem Krieg studierte er in Breslau Medizin und Philosophie. Die beiden Fächer befriedigten ihn jedoch nicht sehr. 1925 wechselte er nach Heidelberg, um dort Soziologie zu studieren. "Heidelberg war in jenen Jahren das Mekka der Soziologen", erinnert sich Elias in seinen "Notizen zum Lebenslauf".
Elias: "Der große Max Weber war zwar tot, aber seine Witwe war noch da und sein Bruder Alfred, auch er Prof. der Soziologie. ... Der Aufschwung der Soziologie begann bereits in der Kaiserzeit, ... getragen von der liberalen Bourgeoisie wie Max Weber, Simmel und anderen ... Mein stärkstes Gefühl war damals, glaube ich, dass so furchtbar viel Falsches über die menschliche Gesellschaft verbreitet wurde. Was ich wirklich wollte, war den Schleier der Mythologien durchbrechen, der unser Gesellschaftsbild verhängt, damit die Menschen später besser handeln können."
Man könnte das als das geheime Credo seiner Schriften bezeichnen: Mit einer "guten soziologischen, empirisch fundierten Theorie", die Welt verändern. Sein akademisches Weiterkommen wurde jedoch durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhindert. Im März 1933 floh er nach Paris, von da zwei Jahre später nach London, eher widerwillig. Er konnte zwar Griechisch, Latein und sehr gut Französisch, aber kein Englisch. Fast tagtäglich war er im Britischen Museum zu finden - "eigentlich bis" 1975, "bis ich England verließ". Hier studierte er mittelalterliche Breviere über "Hofzucht", Anstandgefühle und Tischmanieren. So entstand seine legendäre Studie "Über den Prozeß der Zivilisation". Das Buch, heute ein Klassiker der Soziologie, erschien 1939.
Doch dieses epochale Werk wurde mehr oder weniger ignoriert. 1969 - also 30 Jahre später - erschein es in einer zweiten Auflage. Aber erst mit der Taschenbuchausgabe 1977 begann die späte Karriere von Norbert Elias. Erst jetzt wurde er, der sich mit befristeten Professuren in England und Ghana über Wasser gehalten hatte, als ernstzunehmender Soziologe, als Denker und Forscher wahrgenommen. Die Taschenbuch-Ausgabe führte zu einem regelrechten Elias-Boom. Er, der Außenseiter, auch darüber hat Elias übrigens instruktiv geforscht und geschrieben, - über Etablierte und Außenseiter -, er war auf einmal ein gefragter Mann. In Deutschland erhielt er Gastprofessuren, Forschungsaufträge - Preise. In ganz Europa und auch in den USA konnte man nun seine Stimme auf Tagungen und Kongressen vernehmen. Gerne folgte er der Aufforderung, über die Pioniere, die "Soziologen der ersten Generation" zu erzählen. Und dann sagte er auf seine bescheidene Art: "Ich selbst bin einer davon." Und immer wieder kam er auf seine zentrale Frage zu sprechen:
Elias: "Wie können wir die notwendigen Selbstkontrollen besser einbauen als es heute der Fall ist."
"Über mich selbst" könnte dieser autobiografische Band sehr gut auch heißen. Wer den Theoretiker Norbert Elias besser kennen lernen will, findet hier die wichtigsten Essentials zu seinem Leben und Werk. Eine beigelegte CD mit einem Interviewausschnitt vermittelt auch einen akustischen Eindruck von der Präsenz des großen Gelehrten. Das Buch ist auch als Einführungslektüre zu empfehlen.