Sozialethiker zu Spahns Organspende-Vorstoß

"Eine zumutbare Forderung"

Ein Mann in grüner OP-Kleidung trägt einen Styropor-Behälter für den Transport von Spenderorganen an einem Operationssaal vorbei.
Ein Spenderorgan wird in einem keimfreien Behälter schnellstmöglichst zum Patienten transportiert. © dpa / Soeren Stache
Gerhard Kruip im Gespräch mit Nicole Dittmer · 03.09.2018
Der Sozialethiker Gerhard Kruip hat den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Organspende begrüßt. "Mit einer Organspende kann man sehr viel helfen", sagte Kruip - deshalb sei die Widerspruchslösung durchaus zumutbar.
Nach dem Spahn-Vorschlag soll jeder automatisch ein Spender sein, solange er oder seine Angehörigen nicht widersprechen. In Deutschland gilt bislang die sogenannte Entscheidungslösung: Eine Entnahme ist nur möglich, wenn eine Zustimmung vorliegt.
Kruip, Professor für christliche Anthropologie und Sozialethik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, sieht in der vom Bundesgesundheitsminister vorgeschlagenen Widerspruchslösung "eine zumutbare Forderung". "Wir gehen ja grundsätzlich in unserem Zusammenleben davon aus, dass wir eine Pflicht haben, Menschen in Not zu helfen." Dem Toten schade eine Organentnahme "eigentlich nicht".
Natürlich könne es religiöse oder weltanschauliche Gründe dagegen geben, deshalb müsse es ein "Vetorecht" für die Betroffenen geben, sagt Kruip. "Aber ich finde es absolut zumutbar zu verlangen, dass jemand, der eben keine Organe spenden möchte, sich dazu erklärt und diese Erklärung irgendwo hinterlegt, um auf diese Weise zu widersprechen."

Kruip kritisiert Darbrock-Haltung

Zuvor hatte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Darbrock, den Vorschlag des Bundesgesundheitsministers kritisiert. Mit einer solchen Regelung müsste man von "Organabgabepflicht" statt von "Organspende" sprechen, sagte Darbrock. Eine solche Regelung würde einen "fundamentalen Paradigmenwechsel" darstellen.
Der Sozialethiker Gerhard Kruip
Der Sozialethiker Gerhard Kruip begrüßt den Spahn-Vorstoß.© dpa / picture alliance / Oliver Berg
Kruip kann diese Haltung nicht verstehen: "Er scheint irgendwie nicht zu unterscheiden - oder nicht genügend zu unterscheiden - zwischen der Zumutung, einen solchen Widerspruch einzulegen, wenn man keine Organe spenden will, und der Zumutung, Organe zu spenden. Das ist ein fundamentaler Unterschied."
Kruip weiter: "Natürlich kann man niemanden zwingen, seine Organe zu spenden, aber man kann ihn, finde ich, zwingen, sich dazu zu erklären."
(mhn)
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