Soziale Spaltung in der Coronakrise

"Ich sehe bei 'einfachen' Leuten ein großes Unverständnis"

05:38 Minuten
Eine Person trägt Hamstereinkäufe vor sich her.
Wer handelt in der Coronakrise unvernünftig? © Unsplash / Mick Haupt
Ulrike Guérot im Gespräch mit Gesa Ufer |
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Für die Politologin Ulrike Guérot zeigt sich in der Wahrnehmung der Freiheitsbeschränkungen durch die Coronakrise eine soziale Spaltung. Es sei etwas völlig anderes, ob man diese in einer großen Altbauwohnung erlebe oder in prekären, beengten Verhältnissen.
Wer gemütlich in der geräumigen Altbauwohnung sitzt oder gar im Garten mit Laptop in der Hängematte seine Arbeit verrichten kann, hat es vergleichsweise leicht, für eine Verlängerung der coronabedingten Einschränkungen des Alltags zu sein. Wer in prekären, beengten Verhältnissen lebt, wird sich damit vermutlich schwerer tun.
Was ist mit einer alleinerziehenden Mutter, die keinen Computer hat, auf dem die Kinder ihre Schulaufgaben machen können? Oder mit einer Frau, die von ihrem Mann misshandelt wird - in der jetzigen Situation erst recht, die aber nicht einmal mehr raus könne, fragt die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Sie sieht in der Wahrnehmung der Coronakrise und ihrer Folgen eine soziale Spaltung am Werk, die man in der Debatte berücksichtigen sollte.

Ulrike Guérot ist Politikwissenschaftlerin und Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems. Sie hat zudem den Thinktank "European Democracy Lab" in Berlin gegründet, den sie auch leitet.

Sie komme selbst aus einer bildungsfernen Familie und habe sehr viele Cousins und Kusinen, die keine Akademiker seien. "Und ich sehe, wenn ich mit denen telefoniere, ein ganz großes Unverständnis, wenn da jetzt eine Kinderkommunion nicht stattfinden kann", sagt Guérot. Oder das Beispiel einer Kusine, die in einem Altersheim gearbeitet habe. Diese habe ihr erzählt, dass im letzten Jahr in ihrem Altersheim 15 Prozent der Bewohner am Norovirus gestorben seien, ohne dass das überhaupt ein Thema gewesen sei.
"Das wird nicht thematisiert, das ist auch so eins dieser Tabuthemen, aber die sogenannten einfachen Leute haben offensichtlich eine andere Empfindlichkeit oder verstehen das nicht so richtig, was da jetzt passiert", so die Politikwissenschaftlerin.

Auch unterschiedliche Sichtweisen von Virologen werden deutlich

Inzwischen werde aber durchaus auch über die Kollateralschäden diskutiert, die die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie mit sich bringen. Nicht nur über häusliche Gewalt: "Da kommen die Suizidraten in den Blick, da kommen die Erwerbslosen, die jetzt tatsächlich schon um ihre Existenz bangen."
In diesem Kontext sieht Guérot auch die Ankündigung der österreichischen Regierung, nach Ostern die Einschränkungen wieder zu lockern:
"Nun haben die Österreicher ja auch eine Woche vorher abgeriegelt, und insofern sind die uns im Krisenverlauf vielleicht auch schon ein bisschen voraus. Ich glaube trotzdem, dass in Österreich - da habe ich auch schon einige Stimmen gehört, auch von Virologen und so weiter -, dass man eben, je mehr man weiß, zu anderen Einschätzungen kommt, vor allen Dingen eben auch zu anderen Einschätzungen der Kollateralschäden."
(uko)
Die gesamte Sendung "Der Tag mit Ulrike Guérot" können Sie hier nachhören: Audio Player
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