Soziale Marktwirtschaft statt "Turbokapitalismus"
DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer hat die Kapitalismuskritik von SPD-Parteichef Franz Müntefering verteidigt. Seine Aussagen seien in Deutschland Allgemeingut über die Parteien hinweg. CDU und SPD hätten sich in der Vergangenheit immer zur sozialen Marktwirtschaft und gegen einen "Turbokapitalismus" bekannt.
Sagenschneider: Nun hat Franz Müntefering nachgelegt und konkrete Maßnahmen angekündigt. Und auch darüber wollen wir mit Heinz Putzhammer sprechen. Er ist Vorstandsmitglied beim DGB, beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Guten Morgen Herr Putzhammer.
Putzhammer: Guten Morgen.
Sagenschneider: Ich nehme an, so wie bisher diese Debatte verlaufen ist, stellt Sie das auch nicht so recht zufrieden oder?
Putzhammer: Nein, überhaupt nicht. Auf der einen Seite verstehe ich die Aufgeregtheit über diese Debatte nicht. Was Franz Müntefering gesagt hat, das gehört eigentlich zum Allgemeingut aller politischen Parteien. Auch die CDU hat immer behauptet, selbstverständlich sei sie für die soziale Marktwirtschaft und Unternehmen müssten sich auch sozial verhalten. Auch die SPD hat in der Vergangenheit immer betont, dass sie den Turbokapitalismus nicht will, sondern einen sozialen auf die Marktwirtschaft bezogenen Kapitalismus. Und von daher verstehe ich die Aufgeregtheit nicht. Franz Müntefering hat schließlich nicht die Abschaffung des Kapitalismus gefordert.
Sagenschneider: Nun hat ja der Initiator dieser Debatte, eben SPD-Chef Franz Müntefering, tatsächlich auch von Konsequenzen gesprochen, konkret von vier Punkten, bei denen die Regierung ansetzen könne. Und Punkt eins ist, das Entsendegesetz solle für alle Branchen geöffnet werden, weil die Gewerkschaften zu wenig Macht im Niedriglohnbereich hätten und hier einiges aus der Balance geraten sei. Dieser Punkt ist ja innerhalb der Gewerkschaften ziemlich umstritten. Was halten Sie denn davon?
Putzhammer: Nein, dieser Punkt ist nicht umstritten. Die Gewerkschaften sind alle dafür, dass in einem ersten Schritt das Entsendegesetz auf alle Branchen ausgedehnt wird. Wir sind nur der Meinung, dass damit noch nicht ausreichend genug getan ist, um alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Wucherlöhnen zu schützen und vor dem Abgleiten in die absolute Armut. Richtig ist, dass das Entsendegesetz ja nur vorsieht, dass auf der Basis von Tarifverträgen Mindestlöhne gemacht werden können und richtig ist eben auch, dass nicht alle Gewerkschaften in allen Bereichen Tarifverträge haben abschließen können, so dass damit die Landkarte noch nicht vollkommen bedenkt wäre. Aber wir wollen alle diesen ersten Schritt. Wir halten ihn für richtig.
Sagenschneider: Und staatlich festgelegte Mindestlöhne?
Putzhammer: Darüber gibt es eine Debatte in den Gewerkschaften, in welcher Form das gemacht werden kann. Einige Gewerkschaften wollen, dass das nach wie vor bezogen bleibt auf Tariflöhne. Andere Gewerkschaften sagen, wir brauchen einen unabhängig von Tarifverträgen festgesetzten staatlichen Mindestlohn. Diese Debatte wird sicherlich in den nächsten Monaten forciert werden. Und die Gewerkschaften werden auch gemeinsam zu einer Entscheidung kommen.
Sagenschneider: Man versteht ja nicht, warum einige Gewerkschaften da so zögerlich sind, denn in anderen Ländern der Europäischen Union oder in fast allen Ländern der Europäischen Union sind Mindestlöhne Usus. Man fährt doch ganz gut damit.
Putzhammer: Das ist absolut richtig. Aber Sie müssen auch sehen, dass eine gewisse Gefahr für die Tarifautonomie darin besteht, dass der Staat gesetzliche Arbeitsbedingungen festlegt. In Deutschland ist das Tradition und hat immer gut funktioniert und hat immer einen wesentlichen Pfeiler des Sozialstaates gebildet, dass die Gewerkschaften und die Arbeitgeber in diesem Bereich autonom Tarifverträge abschließen. Das Problem ist in der Tat, wie reagiert man darauf, dass sowohl die Arbeitgeber in den einzelnen Branchen wie auch Gewerkschaften teilweise nicht mehr im Stande sind, Tarifverträge abzuschließen.
Sagenschneider: Ein weiterer Aspekt, den Müntefering ins Gespräch gebracht hat, betrifft die kleinen und mittleren Unternehmen, die ja tatsächlich, wenn sie investieren wollen, das Problem haben, dass sie von den Banken häufig kein Geld mehr erhalten. Nun sagt Herr Müntefering, da wolle man mit zinsgünstigen Geldern helfen. Die Kreditinstitute der öffentlichen Hand sollten eben dem Mittelstand eine Chance geben. Man fragt sich eigentlich, warum passiert das nicht längst. Oder passiert das nicht doch?
Putzhammer: Ja, man fragt sich, warum hat die Regierung nicht längst gehandelt. Zurzeit sind ja alle besorgt darüber, dass die Konjunktur abstürzt. Sie stürzt ab. Die Institute haben das in der letzten Woche ja deutlich gemacht. Und manchmal macht es ja keinen Spaß, die Gewerkschaften DGB haben seit mehr als einem Jahr wie an ein krankes Pferd an die Regierung hingeredet: Es reicht nicht die Agenda durchzusetzen, ihr müsst Wirtschaftspolitik, ihr müsst Konjunkturpolitik machen. Wenn ihr das nicht tut, stürzt die Konjunktur ab. Jetzt passiert es und jetzt sind alle relativ ratlos. Das heißt, man hätte schon lange solche Programme für den Mittelstand machen müssen. Die Regierung setzt jetzt endlich ein Innovationsprogramm für den Mittelstand um. Das halte ich für richtig aber auch das hat zu lange gedauert. Das ist der Grund dafür, dass die Konjunktur jetzt nicht so läuft, wie sie laufen soll.
Sagenschneider: Nun muss man sich jetzt auf den Mittelstand konzentrieren, weil Wolfgang Böhmer, der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt doch Recht hat, wenn er sagt: Unsere nationalen Steuerungsmechanismen erreichen sowieso nur noch die Kleinen, an die großen Konzern kommen wir gar nicht mehr ran.
Putzhammer: Nein, ganz so einfach ist es nicht. Aber richtig ist, dass wenn man Beschäftigung haben will, man natürlich etwas für den Mittelstand tun muss, denn die großen Beschäftigungsmöglichkeiten sind in Deutschland in Klein- und Mittelbetrieben. Und die müssen gefördert werden. Das ist schon richtig.
Sagenschneider: Aber Sie glauben schon, dass man an die großen Konzerne doch noch rankommt? Oder? Denn die Global Player, die können ja sagen, wir müssen ja nicht unbedingt in Deutschland spielen.
Putzhammer: Nein, sie können nicht so einfach hingehen, wo sie wollen. Da spielen die Rahmenbedingungen schon eine Rolle. Insofern muss man auch mit Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass die großen Unternehmen in Deutschland bleiben. Das ist ja eine der Überlegungen beim Job-Gipfel. Ich glaube allerdings nicht, dass allein durch eine Senkung der Körperschaftssteuer, wie sie jetzt beabsichtigt ist, die großen Unternehmen in Deutschland gehalten werden können. Da muss man sehr viel mehr machen. Dazu gehört ein Konzept für den Standort Deutschland, in dem Qualifikation, in dem Innovationen und in dem Unterstützung von Innovation eine Rolle spielt. Da geht es um sehr viel mehr als um Steuererleichterungen.
Sagenschneider: Aber wenn ich es richtig sehe, Herr Putzhammer, dann glauben Sie schon noch, dass die Politik doch einen relativ großen Spielraum hat, um Arbeitsplätze zu schaffen oder da zumindest auf diesem Feld genug bewegen zu können?
Putzhammer: Sie hätte, wenn sie ihn nutzte. Das kommt alles nicht von alleine, sondern da muss man Politik dafür machen. Und das ist eigentlich der Grund, weswegen ich glaube, dass die Kapitalismuskritik von Franz Müntefering in die richtigen Bahnen geführt werden kann. Das ist nicht nur eine moralische Kritik am Verhalten bestimmter Unternehmer. Die ist natürlich berechtigt. Es gibt schwarze Schafe, das weiß jeder. Und da kann man nicht drum herum reden, sondern man muss sich auch Gedanken machen, wie in Zukunft der Kapitalismus in Deutschland so funktionieren kann, dass es interessant ist, Beschäftigungen zu schaffen, Arbeitsplätze zu schaffen, zu innovieren und so weiter. Das ist der zweite Teil der Medaille, nicht nur die moralische Kritik, sondern wie kann man den Kapitalismus in Deutschland funktionierender machen.
Sagenschneider: DGB-Vorstandschef Heinz Putzhammer im Gespräch mit DeutschlandRadio Kultur. Ich danke Ihnen.
Putzhammer: Guten Morgen.
Sagenschneider: Ich nehme an, so wie bisher diese Debatte verlaufen ist, stellt Sie das auch nicht so recht zufrieden oder?
Putzhammer: Nein, überhaupt nicht. Auf der einen Seite verstehe ich die Aufgeregtheit über diese Debatte nicht. Was Franz Müntefering gesagt hat, das gehört eigentlich zum Allgemeingut aller politischen Parteien. Auch die CDU hat immer behauptet, selbstverständlich sei sie für die soziale Marktwirtschaft und Unternehmen müssten sich auch sozial verhalten. Auch die SPD hat in der Vergangenheit immer betont, dass sie den Turbokapitalismus nicht will, sondern einen sozialen auf die Marktwirtschaft bezogenen Kapitalismus. Und von daher verstehe ich die Aufgeregtheit nicht. Franz Müntefering hat schließlich nicht die Abschaffung des Kapitalismus gefordert.
Sagenschneider: Nun hat ja der Initiator dieser Debatte, eben SPD-Chef Franz Müntefering, tatsächlich auch von Konsequenzen gesprochen, konkret von vier Punkten, bei denen die Regierung ansetzen könne. Und Punkt eins ist, das Entsendegesetz solle für alle Branchen geöffnet werden, weil die Gewerkschaften zu wenig Macht im Niedriglohnbereich hätten und hier einiges aus der Balance geraten sei. Dieser Punkt ist ja innerhalb der Gewerkschaften ziemlich umstritten. Was halten Sie denn davon?
Putzhammer: Nein, dieser Punkt ist nicht umstritten. Die Gewerkschaften sind alle dafür, dass in einem ersten Schritt das Entsendegesetz auf alle Branchen ausgedehnt wird. Wir sind nur der Meinung, dass damit noch nicht ausreichend genug getan ist, um alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Wucherlöhnen zu schützen und vor dem Abgleiten in die absolute Armut. Richtig ist, dass das Entsendegesetz ja nur vorsieht, dass auf der Basis von Tarifverträgen Mindestlöhne gemacht werden können und richtig ist eben auch, dass nicht alle Gewerkschaften in allen Bereichen Tarifverträge haben abschließen können, so dass damit die Landkarte noch nicht vollkommen bedenkt wäre. Aber wir wollen alle diesen ersten Schritt. Wir halten ihn für richtig.
Sagenschneider: Und staatlich festgelegte Mindestlöhne?
Putzhammer: Darüber gibt es eine Debatte in den Gewerkschaften, in welcher Form das gemacht werden kann. Einige Gewerkschaften wollen, dass das nach wie vor bezogen bleibt auf Tariflöhne. Andere Gewerkschaften sagen, wir brauchen einen unabhängig von Tarifverträgen festgesetzten staatlichen Mindestlohn. Diese Debatte wird sicherlich in den nächsten Monaten forciert werden. Und die Gewerkschaften werden auch gemeinsam zu einer Entscheidung kommen.
Sagenschneider: Man versteht ja nicht, warum einige Gewerkschaften da so zögerlich sind, denn in anderen Ländern der Europäischen Union oder in fast allen Ländern der Europäischen Union sind Mindestlöhne Usus. Man fährt doch ganz gut damit.
Putzhammer: Das ist absolut richtig. Aber Sie müssen auch sehen, dass eine gewisse Gefahr für die Tarifautonomie darin besteht, dass der Staat gesetzliche Arbeitsbedingungen festlegt. In Deutschland ist das Tradition und hat immer gut funktioniert und hat immer einen wesentlichen Pfeiler des Sozialstaates gebildet, dass die Gewerkschaften und die Arbeitgeber in diesem Bereich autonom Tarifverträge abschließen. Das Problem ist in der Tat, wie reagiert man darauf, dass sowohl die Arbeitgeber in den einzelnen Branchen wie auch Gewerkschaften teilweise nicht mehr im Stande sind, Tarifverträge abzuschließen.
Sagenschneider: Ein weiterer Aspekt, den Müntefering ins Gespräch gebracht hat, betrifft die kleinen und mittleren Unternehmen, die ja tatsächlich, wenn sie investieren wollen, das Problem haben, dass sie von den Banken häufig kein Geld mehr erhalten. Nun sagt Herr Müntefering, da wolle man mit zinsgünstigen Geldern helfen. Die Kreditinstitute der öffentlichen Hand sollten eben dem Mittelstand eine Chance geben. Man fragt sich eigentlich, warum passiert das nicht längst. Oder passiert das nicht doch?
Putzhammer: Ja, man fragt sich, warum hat die Regierung nicht längst gehandelt. Zurzeit sind ja alle besorgt darüber, dass die Konjunktur abstürzt. Sie stürzt ab. Die Institute haben das in der letzten Woche ja deutlich gemacht. Und manchmal macht es ja keinen Spaß, die Gewerkschaften DGB haben seit mehr als einem Jahr wie an ein krankes Pferd an die Regierung hingeredet: Es reicht nicht die Agenda durchzusetzen, ihr müsst Wirtschaftspolitik, ihr müsst Konjunkturpolitik machen. Wenn ihr das nicht tut, stürzt die Konjunktur ab. Jetzt passiert es und jetzt sind alle relativ ratlos. Das heißt, man hätte schon lange solche Programme für den Mittelstand machen müssen. Die Regierung setzt jetzt endlich ein Innovationsprogramm für den Mittelstand um. Das halte ich für richtig aber auch das hat zu lange gedauert. Das ist der Grund dafür, dass die Konjunktur jetzt nicht so läuft, wie sie laufen soll.
Sagenschneider: Nun muss man sich jetzt auf den Mittelstand konzentrieren, weil Wolfgang Böhmer, der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt doch Recht hat, wenn er sagt: Unsere nationalen Steuerungsmechanismen erreichen sowieso nur noch die Kleinen, an die großen Konzern kommen wir gar nicht mehr ran.
Putzhammer: Nein, ganz so einfach ist es nicht. Aber richtig ist, dass wenn man Beschäftigung haben will, man natürlich etwas für den Mittelstand tun muss, denn die großen Beschäftigungsmöglichkeiten sind in Deutschland in Klein- und Mittelbetrieben. Und die müssen gefördert werden. Das ist schon richtig.
Sagenschneider: Aber Sie glauben schon, dass man an die großen Konzerne doch noch rankommt? Oder? Denn die Global Player, die können ja sagen, wir müssen ja nicht unbedingt in Deutschland spielen.
Putzhammer: Nein, sie können nicht so einfach hingehen, wo sie wollen. Da spielen die Rahmenbedingungen schon eine Rolle. Insofern muss man auch mit Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass die großen Unternehmen in Deutschland bleiben. Das ist ja eine der Überlegungen beim Job-Gipfel. Ich glaube allerdings nicht, dass allein durch eine Senkung der Körperschaftssteuer, wie sie jetzt beabsichtigt ist, die großen Unternehmen in Deutschland gehalten werden können. Da muss man sehr viel mehr machen. Dazu gehört ein Konzept für den Standort Deutschland, in dem Qualifikation, in dem Innovationen und in dem Unterstützung von Innovation eine Rolle spielt. Da geht es um sehr viel mehr als um Steuererleichterungen.
Sagenschneider: Aber wenn ich es richtig sehe, Herr Putzhammer, dann glauben Sie schon noch, dass die Politik doch einen relativ großen Spielraum hat, um Arbeitsplätze zu schaffen oder da zumindest auf diesem Feld genug bewegen zu können?
Putzhammer: Sie hätte, wenn sie ihn nutzte. Das kommt alles nicht von alleine, sondern da muss man Politik dafür machen. Und das ist eigentlich der Grund, weswegen ich glaube, dass die Kapitalismuskritik von Franz Müntefering in die richtigen Bahnen geführt werden kann. Das ist nicht nur eine moralische Kritik am Verhalten bestimmter Unternehmer. Die ist natürlich berechtigt. Es gibt schwarze Schafe, das weiß jeder. Und da kann man nicht drum herum reden, sondern man muss sich auch Gedanken machen, wie in Zukunft der Kapitalismus in Deutschland so funktionieren kann, dass es interessant ist, Beschäftigungen zu schaffen, Arbeitsplätze zu schaffen, zu innovieren und so weiter. Das ist der zweite Teil der Medaille, nicht nur die moralische Kritik, sondern wie kann man den Kapitalismus in Deutschland funktionierender machen.
Sagenschneider: DGB-Vorstandschef Heinz Putzhammer im Gespräch mit DeutschlandRadio Kultur. Ich danke Ihnen.