Souverän locker bleiben

23.06.2009
Anhand von kurzen Geschichten und Anekdoten zeigen Andreas und Stephan Lebert, wie wichtig es ist, auch ausweglosen Situationen mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. So kann man Distanz gewinnen und einen Ausweg aus Krisen finden.
"Der Ernst des Lebens. Und was man dagegen tun muss" von Andreas und Stephan Lebert ist ein Buch voller Geschichten, Geschichten von Sonderlingen, Menschen in Nebenrollen oder jenen, die etwas Schweres überstanden, gar scheiterten und dennoch den Lebensmut nicht verloren haben. Das sind beiläufige, scheinbar nichtige Geschichten, die durch Gewitztheit oder ihren besonderen Blick bestechen. Die beiden Brüder trugen sie aus ihrem Leben, aus Filmen und auch aus Büchern zusammen und mixten daraus ihre Botschaft. Die ist simpel: Das Leben ist viel zu kurz, um es tragisch zu nehmen.

Dabei ist korrekterweise zu sagen, dass die Leser von vielen Geschichten nur den Anfang erfahren. Wenn die Autoren zum Beispiel einen Mann zu einem Bewerbungsgespräch begleiten, der sich dafür extra das edle Sakko eines Kollegen borgte. Allerdings beginnt mitten in der Befragung das Handy zu klingeln, mit einer um das Abendbrot besorgten Mutter am anderen Ende.

In solchen Momenten – so Andreas und Stephan Lebert - ist noch alles offen, ist noch unentschieden, ob sich die Sache zum Guten oder Bösen wendet. Gerade deshalb liegt in solchen, auf den ersten Blick aussichtslosen und verfahrenen Situationen die Chance zur Improvisation und für Kreativität. Wer die nutzt, kann der Begegnung, manchmal auch dem ganzen Leben, eine andere Richtung geben.

Doch wie man das genau anstellt, darin bleiben die beiden Autoren eher im Ungefähren. Anekdotisch bebildern sie mit unzähligen Beispielen die durchscheinende weitere Dimension, ohne sie wirklich tiefer in ihrem spirituellen Gehalt auszuloten.

Für ihr im Plauderton gehaltenes Sachbuch definieren die Autoren Begriffe wie Ernst des Lebens oder Heiterkeit nicht genauer. Vielmehr bedienen sie sich der Weisheit von Geistesgrößen der Vergangenheit und Gegenwart zu diesen Themen. Unter anderem berufen sie sich auf Voltaire, der gesagt haben soll: Gott hat uns in die Welt gesetzt, damit wir uns amüsieren und das kann man mit diesem Buch.

Für ihre 176 Seiten schlüpfen die Autoren in die Rolle von Komödien-Regisseuren. Sie erinnern sich in trüben Augenblicken komischer Gestalten des Alltags oder schauen in zugespitzten Situationen eher auf Belangloses, um sich zu entspannen und dadurch – wie sie meinen - das Eigentliche zu sehen. Auch Krankheit, Tod und zum Verzweifeln bringende berufliche Entscheidungen empfehlen sie mit dieser Heiterkeit zu nehmen. Wie sonst soll Lebendigkeit und Hoffnung in die Situation kommen, fragen sie zu Recht. Distanz zu schaffen und eine andere Perspektive zu wählen ist hilfreich, um einen Ausweg aus einem Debakel zu finden.

Auf unterhaltsame Art und Weise führen Andreas und Stephan Lebert dem Leser den Gewinn einer solchen lebensfrohen Haltung vor. Übertrieben erscheint es dennoch, daraus mit dem Untertitel ihres Buchen - "was man dagegen tun muss" - eine Forderung zu machen. Beispielsweise empfehlen sie als einen Lebensbewältigungstipp, Stinktiere rigoros aus ihrem Leben raus zu werfen.

Verlässt die Autoren hier ihre Gelassenheit? Jedenfalls ist das der Punkt, an dem zu befürchten ist, die Autoren predigen statt Heiterkeit eher Oberflächlichkeit oder Beziehungslosigkeit. Denn natürlich kann es unterstützend sein, die gekündigte Karstadt-Verkäuferin oder die streikende Erzieherin einzuladen, ihre Situation aus einer anderen Perspektive zu sehen. Oft genug aber kommt die Kraft zur Bewältigung einer Krise erst, wenn man sich dem Schmerz stellt und nicht sofort vor der gefürchteten Tiefe wegzoomt.

Dennoch: Angesichts des Lebens in ständig neuen und immer bedrohlicheren Krisenszenarien ist "Der Ernst des Lebens und was man dagegen tun muss" ein vergnügliches, leicht verdauliches und empfehlenswertes Buch. Es kann ein spielerischer Begleiter sein, um eine ähnliche Souveränität gegenüber dem Leben zu gewinnen, wie sie die Autoren von Margarete Mitscherlich zitieren. Die wies einen wehleidigen Jammerer mit den Worten zurück: "Jedes Leben hat seine Erschütterungen, jede Zeit auch. Diese Selbstverständlichkeit zu beklagen – da machen sie es sich sehr einfach."

Besprochen von Barbara Leitner

Andreas Lebert/Stephan Lebert: Der Ernst des Lebens. Und was man dagegen tun muss
S. Fischer Verlag, 2009
176 Seiten, 17,95 Euro