Russlands Rückzug ist Brüssels Erfolg
Der Konzern Gazprom zieht sich aus dem unrentablen Pipeline-Projekt South Stream zurück. Der juristische Dauerstreit mit der EU habe Russlands Präsident Putin zermürbt, meint Jörg Münchenberg.
Es war ein Paukenschlag. Und doch ist der Rückzug des russischen Gasriesen Gazprom aus dem Pipeline-Projekt South Stream konsequent wie überfällig. Moskau will nicht länger Milliarden von Euro für eine Röhre verschwenden, die wirtschaftlich kaum Sinn macht. Schon gar nicht angesichts einer drohenden Rezession im Land. Auch deshalb hat jetzt der russische Staatspräsident Wladimir Putin South Stream stoppen lassen.
Allerdings war diese Pipeline von Anfang nicht als wirtschaftlich rentables Projekt geplant. Stattdessen spielen vor allem geostrategische Erwägungen eine Hauptrolle. Neben der bereits bestehenden North Stream Pipeline über die Ostsee sollte die Schwester über das Schwarze Meer die europäische Gasversorgung durch die Ukraine zunehmend überflüssig machen. Putin wollte damit seinen Anspruch als zuverlässiger Energielieferant untermauern und gleichzeitig die europäische Abhängigkeit von den russischen Gasexporten zementieren.
Doch der juristische Dauerstreit mit der EU über die Einhaltung des europäischen Wettbewerbsrechts beim Bau der neuen Pipeline dürfte wohl auch den russischen Präsidenten zermürbt haben. Zumal sich am Ende selbst das Mitgliedsland Bulgarien, dass von den jährlichen Transitgebühren aus Moskau erheblich profitiert hätte, dem Druck der EU-Kommission gebeugt hat. Seit dem Sommer geht es nicht mehr vorwärts mit der Baustelle South Stream.
Putins Anerkennung der Realität
Daraus hat der russische Präsident jetzt die Konsequenzen gezogen, zusätzlich getrieben von den Wirtschaftssanktionen der EU und den fallenden Energiepreisen, die im Staatshaushalt immer tiefere Spuren hinterlassen. Noch ist das Aus für South Stream zwar nicht endgültig besiegelt. Doch vieles spricht dafür, dass es sich eben nicht um ein taktisches Manöver handelt, sondern um die bloße Anerkennung politischer wie wirtschaftlicher Realitäten. Was bei Putin bekanntlich nicht selbstverständlich ist.
Umgekehrt ist der Rückzug Moskaus von diesem Projekt ein wichtiger Prestigeerfolg für die EU. Denn lange Zeit waren die Bekenntnisse zur Umsetzung eines europäischen Energiebinnenmarktes nicht mehr als bloße Lippenbekenntnisse. Auch die Abhängigkeit von den russischen Öl- und Gaslieferungen hat die EU in den letzten Jahren nicht ernsthaft in Frage gestellt. Erst die Ukraine-Krise hat dies geändert und beim Streit um South Stream zu einer bemerkenswerten Geschlossenheit geführt.
Dennoch ist die EU noch lange nicht am Ziel. Bis zur Vollendung des Energie-Binnenmarktes ist es ein steiniger, vor aber allem teurer Weg. Pipelines und Trassen müssen gebaut, bestehende Infrastruktur grenzüberschreitend zusammengeführt werden. Vernetzung heißt das Gebot, damit Öl und Gas bei Bedarf in ganz Europa verteilt und somit auch die einseitige Abhängigkeit von Energieimporten überzeugend verringert werden kann.
Das ist die zentrale Aufgabe für die neue EU-Kommission, aber auch die Mitgliedsländer. Der überraschende Erfolg bei South Stream sollte dabei ein zusätzlicher Ansporn sein.