Soundtrack der Moderne

Von Martina Zimmermann |
Jazz hat viele Künstler beeinflusst, wie die Ausstellung über "Das Jahrhundert des Jazz" im Pariser Musée du Quai Branly beweist. Hier sind vom Jazz inspirierte Werke großer Meister wie Dubuffet, Matisse, Pollock oder Basquiat zu sehen sowie unzählige Plattencover von Jazzalben. Die Ausstellung zeigt, dass der Jazz eine der wichtigsten künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts ist.
Plattencover und Plakate sind in dieser Ausstellung zu bewundern, zum Beispiel zum Film "Die Nacht vor der Premiere" mit Marika Röck, Trompeter Louis Armstrong und Geiger Helmut Zacharias.

Daneben hängen Meisterwerke aus verschiedenen Epochen des 20. Jahrhunderts: Dubuffet zeigte das Milieu des Jazz in den 40er Jahren auf Schwarzweiß-Lithografien, verewigte Jazzmusiker auch auf Ölbildern. Keith Haring fertigte für das Montreux Jazzfestival 1983 eine dreiteilige Serie an, Jean-Michel Basquiat malte 1986 "Zulu King", einen Trompeter und einen Saxophonspieler auf blauem Untergrund. Henri Matisse zeigte 1943 unter dem Titel "Jazz" eine Tänzerin, Musiker und Wellen, die wohl den Jazzsound in die Malerei übertragen darstellen.

Daniel Soutif, der Kommissar der Ausstellung, hat aus 3000 Objekten 1000 für die Ausstellung ausgesucht:

"Wenn ein Künstler wie Dubuffet das Thema behandelt, wird man den mehr berücksichtigen als ein Gemälde mit einer Trompete, das man auf einem Flohmarkt findet. Die Kriterien sind die Qualität der Werke, ihre Bedeutung, ob sie zum Beispiel die Geschichte oder das soziale Umfeld erklären. Wenn ich eine Ausstellung mache, behalte ich immer im Kopf, dass es am Ende harmonisch sein muss und .... dass Kunstwerke in einer Ausstellung auch als Kunstwerke behandelt werden müssen."
Die Ausstellung zeigt, wie die Musik Maler, Architekten, Fotografen und Autoren inspirierte, die Bedeutung des Jazz für Film, Fotografie und Kunst - von Picasso bis Basquiat. Auf den 2000 Quadratmetern im Museum sind auch Vinylplatten ausgestellt, Zeitungsartikel und Bücher, und sogar zwei Playboynummern aus den 50er Jahren, die dem Jazz gewidmet sind.

Der Philosoph Daniel Soutif war acht Jahre lang Leiter der Kulturabteilung im Pariser Centre Pompidou. Der Jazzfan schreibt seit Jahren für Jazzmagazine. In vier Jahren bereitete er die Ausstellung vor, die nach Paris noch in Barcelona gezeigt wird:

"Sehr stolz bin ich zum Beispiel auf eine kleine Zeichnung von Mondrian, eine Vorstudie zu Broadway Boogie Woogie. Manche werden sie vielleicht gar nicht mal bemerken, aber ich halte sie für sehr wichtig, weil man da den ersten Guß ... sieht, sieht, wie ein Rhythmus die Hand des Künstlers führt."

Die Ausstellung ist chronologisch angeordnet, beginnt mit der Dixielandkapelle, die 1917 dem Jazz mit einer ersten Aufnahme den Namen gab, zeigt die künstlerische Bewegung Harlem Renaissance, den Swing, die Zeit des Zweiten Weltkriegs, den Nachkriegsbebop, über den Free Jazz von Ornette Coleman gelangt der Besucher zum zeitgenössischen Jazz von Enrico Rava, Daniel Humair oder Aldo Romano.

Seit Militärorchester nach dem Ersten Weltkrieg den Jazz europäischen Ohren zu Gehör gebracht haben, greift diese Musik wie ein Virus um sich. Josefine Baker feiert im Paris der 20er Jahre mit ihrer "Revue Negre" Triumphe. Schriftsteller wie Jean Cocteau oder Georges Bataille, Maler wie Picasso, Otto Dix oder Fernand Leger lassen sich vom Jazz inspirieren. Weniger bekannt sind afroamerikanische Maler wie Archibald J. Motley, der der Harlem Renaissance-Bewegung zugerechnet wurde.

Daniel Soutif: "Es gab zwar keine Rassentrennung in Paris, die schwarzen Musiker und Tänzer waren hoch angesehen, nicht aber die anderen Künstler. Wenn Sie irgendwo eine Zeile über Archibald Motley in Paris finden, tun Sie mir einen großen Gefallen. Ich habe nichts gefunden. Diese Künstler wurden in Paris total ignoriert, obwohl sie hier gelebt haben."

Alix Dutile, Journalist bei der Zeitschrift "Jazzman", äußert sich nach dem Besuch der Ausstellung recht begeistert:

"Das ist eine einzigartige Gelegenheit, alle Werke auf einmal zu sehen, von denen man schon gehört hat, wenn man sich ein bißchen im Jazz auskennt. Die Plattencover zum Beispiel kennen wir recht gut, aber vor allem die afroamerikanischen Maler sind in Europa kaum gezeigt worden. Ich denke, das wird dazu beitragen, dass man anerkennt, dass es neben der Musik auch afroamerikanische Maler von sehr hohem Niveau gab."

Seine Kollegin Sylvie Genou von der Webzeitung "Exnews" meint:

"Man stellt fest, dass mehrere Kunstarten vom Jazz inspiriert wurden. Picasso, Delaunay, Basquiat..., Schriftsteller, wir alle sind vom Jazz beeinflusst und merken es gar nicht mehr. Diese Ausstellung ist verrückt, es gibt so viel zu sehen, nicht nur für Spezialisten. Der Maler findet Gemälde, der Musiker Musik, der Skulpteur Skulpturen. Jazz gehört zur Geschichte der Menschheit, vielleicht bringt diese Musik alle Menschen zusammen."

Die Brücken, die zwischen verschiedenen Kulturen bestehen, aufzuzeigen, betrachtet Museumsdirektor Stephane Martin als wichtigste Aufgabe des Musée du Quai Branly:

"Dieses Museum will zeigen, dass die Welt nicht nur um die Pyramiden erbaut wurde oder von der italienischen Renaissance und von den Griechen. Wir wollen zeigen: Globalisierung gibt es schon viel länger als wir denken, und auch einen Dialog der Kulturen. Es gibt übrigens auch andere Denk- und Kreationsmuster, die zu genauso großen Meisterwerken geführt haben wie die, die wir im Louvre oder in den großen deutschen Museen bewundern."

Ein interessantes musikalisches Begleitprogramm unter dem Titel "Afrika Jazz" rundet die Ausstellung ab, die bis Ende Juni in Paris zu sehen ist.