Schreibmaschine, Telefon und Co.
Klack, klack, klack: Der Klang der Schreibmaschine ist eins der Geräusche, das zunehmend in Vergessenheit gerät. © imago / Westend61 / Giorgio Fochesato
Sounds, die verschwinden
09:48 Minuten
Das Klackern einer Schreibmaschine oder das Kratzen von Kreide auf einer Tafel: Geräusche, die man immer seltener hört. Mit der Digitalisierung verschwinden auch immer mehr gewohnte Klänge. Die bringt Christian Conradi mit einem Feature wieder zu Gehör.
Eine Schreibmaschine, das Frequenz-Rauschen beim Sendersuchen im Radio oder Kreide auf einer Tafel: All das sind Geräusche, die aus dem Alltag fast verschwunden sind. Oder der Klang eines 56k-Modems – das typische Internetgeräusch der 90er-Jahre.
Teenagern sei heute nur schwer zu erklären, dass dieser Klang notwendig war, um sich im Schneckentempo durchs frühe World Wide Web zu bewegen, sagt der Journalist Christian Conradi, der sich mit dieser historischen Klangwelt beschäftigt hat und ein Radiofeature für Deutschlandfunk Kultur dazu produziert hat.
„Objektiv betrachtet, ist das ein hässlicher Klang“, so Conradi, aber wenn er diesen alten Modemton höre, fühle er sich sofort zurückversetzt in die aufregenden Jahre des jungen Internets: Kinder- bzw. Jugendzimmer, der erste Computer der Familie, Webseiten programmieren und eine neue Welt erkunden.
Geräusche hätten die gleiche Funktion wie Bilder oder Gerüche, deshalb ist das Thema „verlorene Klänge“ auch so relevant, sagt er: „Sie aktivieren Erinnerungen. Und deshalb ist es so wichtig, dass sie archiviert werden. Geräusche sind Teil unserer Identität. Individuell und auch Kollektiv.“
Warum verschwinden Klänge?
Für das Feature hat Christian Conradi auch mit dem Essener Designer Jan Derksen gesprochen, der mit seinem Kollegen Daniel Chun das Online Klang-Museum Conserve The Sound gegründet hat. Und nach Meinung von Derksen verschwinden Sounds, weil der Mensch eben ständig tüftelt und bastelt:
„Das liegt wahrscheinlich einfach in der Natur des technischen Wandels, dass die Menschheit die ganze Zeit dabei ist, immer irgendwelche neuen tollen Dinge zu erfinden und dabei auch ganz viele Sachen einfach wieder selber verschwinden lässt.“
Das digitale Gedächtnis
Das beste Beispiel dafür sei das Smartphone, das in einem Gerät vieles vereine: Eine Schreibmaschine, ein Faxgerät, einen Fotoapparat, einen Scanner und einen Kopierer, sagt Derksen. Dennoch möchte Christian Conradi das Smartphone nicht als Sound-Killer bezeichnen.
Die Kamera-App des iPhones z.B. höre sich ja wie eine alte Analogkamera an. Und so könnte man auch sagen, „dass Computer und Smartphones die großen Bewahrer dieser längst vergangenen Klänge sind“.
Dieses Nachahmen von analogen Geräuschen im Digitalen wird übrigens Skeuomorphismus genannt, sagt Conradi. Und Apple-Gründer Steve Jobs sei ein besonders großer Fan davon gewesen: „Gerade weil das iPhone zur Zeit seiner Einführung so revolutionär war, hat er sehr viel Wert darauf gesetzt, dass Bekanntes und Vertrautes aus der analogen Welt eine Entsprechung im Digitalen bekommt.“
Immer mehr Geräusche werden verschwinden
Doch auch wenn Notizblöcke, Bücherregale, CD-Hüllen oder Tonbänder digital nachgeahmt werden, sei es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Geräusche verschwinden, vermutet Christian Conradi.
„In den vergangenen Jahren wurde immer weniger Altbekanntes nachgeahmt bzw. bewahrt. Und es könnte durchaus sein, dass in ein paar Jahren Kamera-Apps auch ganz andere Auslösergeräusche machen, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Sound zu tun haben.“
Und auch aus der analogen Welt werden wohl zunehmend vertraute Geräusche weiter verschwinden. So vermutet Christian Conradi, dass über kurz oder lang das Klimpern der Münzen und das Rascheln der Geldscheine nicht mehr im Alltag auftauchen.
Oder auch moderne Elektroautos werden sich ganz anders anhören und unser Hörerlebnis in der Welt verändern: „Da brummt nichts. Ich glaube dieses typische Dröhnen eines Motors, das wird ganz bestimmt bald ein Lost Sound sein. Und ganz weit in die Zukunft geschaut, wäre es auch möglich, dass alle Klänge verschwinden, und zwar dann, wenn unser Leben noch digitaler wird.“