Sound-Design

Auf der Suche nach dem schönen Piep

Von Christine Kewitz |
Ein Piepsen für den Gurt, ein Piepsen für das Licht und hektisches Dauerpiepsen beim Einparken: Für die einen sind Warnsignale im Auto eine große Hilfe, für die anderen ein Nervfaktor. Die Automobilindustrie beginnt langsam, sich über bessere Sounds Gedanken zu machen.
Mark Lehmann: "Also es gibt mittlerweile ja Spurassistenten, Abstandshalter im Verkehrsfluss, es gibt Warnhinweise für Rückwärtsfahren, es gibt Warnhinweise für Licht an, Licht aus. Es ist glatt, es ist nass, das sind ja alles Informationen, die mir akustisch auch mitgeteilt werden."

Im Auto piepst es. Mal langsam, mal schnell, mal laut, mal leise. Aber irgendwie trotzdem immer gleich. Mark Lehmann, Experte für auditive Markenkommunikation bei der Agentur WESOUND.

"Die Art und Weise, wie diese Warnhinweise im Fahrzeug gestaltet sind, hängt auch damit zusammen, dass sich bestimmte Frequenzbereiche bei Lärm besonders gut durchsetzen. Und da eignen sich bestimmte Frequenzbereiche und saubere Frequenzen auch dafür, dass die bis zum Fahrer sich durchsetzen und auch eine Reaktion herbeiführen. Das hat auch ganz pragmatisch, funktionale Aspekte, die da eine Rolle spielen."

Ein ungeschönter Sinus-Ton ist bei dudelndem Autoradio und Kindergeschrei auf dem Rücksitz also einfach gut herauszuhören. Deswegen wird er auch knallhart für jeglichen Alarm im Auto eingesetzt.

"Wobei man diesen Sound auch einbauen und umhüllen kann mit schöneren Klängen. Also mit klangfarblich anspruchsvolleren Klängen. Also es ist ja denkbar, dass man diesen Sinusklang nimmt, der jetzt vom physiologischen, vom akustischen her einfach geeignet ist, um durchzudringen, und kleidet ihn schön ein",

meint Spiro Sakoufakis. Er forscht zum Thema Sounddesign im klangökologischen Kontext an der Universität der Künste in Berlin.
Nicht zu vernachlässigen sind auch die modernen Möglichkeiten der Tonwiedergabe. Dass die Signaltöne im Auto unangenehm fiepen, liegt also nicht an der Qualität der Lautsprecher. Es liegt eher daran, dass die Innenraumsounds in der Produktion eher nebensächlich sind.
Mark Lehmann, Konzepter für Soundbranding:

"In der Automobilindustrie wird vergleichsweise viel Geld dafür ausgegeben, dass das Fahrzeug klanglich optimiert wird. Dass das, was man vom Motor noch hören soll auch gehört wird, um eine Sportlichkeit abzubilden oder wie auch immer. Aber wenn es darum geht, Interface-Klänge, funktionale Klänge zu gestalten, sind da in den seltensten Fällen wirklich Sounddesigner dran, die dem Ganzen versuchen, auch eine Klammer zu geben."

Ingenieure komponieren die Klänge

Die Idee, dass eine Warnung nicht automatisch laut und plump sein muss, um zu einer Reaktion zu führen, ist neu und ungewohnt. Lautstärke wird mit Kraft und Wirkung gleichgesetzt, und das Risiko, einen neuen Weg einzuschlagen, ist noch zu groß. Doch rein theoretisch ginge es anders. Zum Beispiel beim Rückfahrpiepen. Spiro Sakoufakis:

"Ein einfaches Piepen, das dann schneller wird, das ist ja nicht die Lösung, und das war's. Man könnte sich ja auch einen kontinuierlichen Sound vorstellen, der vielleicht komplexer wird. (…) Ja, da ist eine Menge möglich, um vielleicht diesen Nervfaktor zu nehmen und dennoch einen präziseren Sound sogar in der Vermittlung. Vielleicht lernt man dann ja auch, jetzt haben wir 30 Zentimeter Abstand, jetzt haben wir 20 Zentimeter. Das könnte ja auch klanglich vermittelt werden, wesentlich feiner."

Doch die Signalklänge von Autos werden oft nicht von Musikern, sondern von den beschäftigten Ingenieuren komponiert – auch aus Kostengründen, denn ein nachhaltiges Klangdesign für den Innenraum steht noch nicht für eine Wertsteigerung des Autos. Es bietet sich also an, diese Investition einzusparen. Mark Lehmann:

"Das Spektrum von einem reinen Sinuston, der auf einer Frequenz schwingt, das in der Wiederholung – daraus kann ich eine Menge machen. Da kann ich eine Menge Informationen vermitteln, ob das jetzt ein Anschnallzeichen ist oder ein Warnhinweis fürs Rückwärtsfahren. Man kann da mit relativ wenig Mitteln sehr viele Funktionalitäten abdecken. Ob das jetzt, ich sag mal, gestalterisch wertvoll ist, das ist eine andere Geschichte."

Die Komposition von allgemeingültigen Klängen ist auch deswegen nicht so einfach, weil jeder subjektiv etwas anderes hört. Bei jedem ist die Schwelle, wann er durch welches Geräusch genervt ist, unterschiedlich und die Vorlieben für bestimmte Klänge anders.

Der Trend der personalisierten Sounds – wie Blinkertöne zum Runterladen –wird es im Fahrzeug wohl eher nicht geben, da solche Klingeltöne nicht mit den Sicherheitsaspekten im Auto vereinbar wären. Stattdessen wären vorkomponierte Pakete mit Sounds zum Auswählen möglich und entsprächen somit auch der Tendenz zum individualisierten Produkt.

Es gibt auch schon Untersuchungen mit ikonographischen Signalen. Also erlernten Geräuschen, als akustischen Hinweis. Ein Gurtklicken, wenn man vergessen hat, sich anzuschnallen oder ein Schlürfgeräusch, wenn der Tank zur Neige geht. Mit solchen Signalen würde möglicherweise auch die durch das Piepen hervorgerufene Schrecksekunde wegfallen.

Sakoufakis: "Es wird tatsächlich die Frage gestellt: Was ist ein schöner Funktionsklang? Und die lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. Also ist es wirklich ein ikonisches Zeichen, das schöner ist? Oder ist es ein elektroakustisches Zeichen, das in irgendeiner Weise gestaltet ist? Und man ist sich einfach nicht sicher. Man weiß nicht, was bei den Kunden gut ankommt."

Es entsteht gerade erst ein Bewusstsein für die Ästhetik funktionaler Töne, und es wird zumindest geforscht. Wir können gespannt sein, wie viel Mut und Originalität die Automobilhersteller aufbringen, um mit dem durchdringenden Sinuston zu spielen.
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