Soul

Tragisches Ende einer Ikone

Der amerikanische Soulsänger Marvin Gaye, aufgenommen bei einem Auftritt in den 70er Jahren.
Der amerikanische Soulsänger Marvin Gaye, aufgenommen bei einem Auftritt in den 70er Jahren. © picture-alliance/ dpa
Von Martin Risel · 01.04.2014
Für viele war er der beste Soul-Sänger aller Zeiten – und was es nicht sonst noch alles für Superlative gibt über Marvin Gaye. Morgen ist der 75. Geburtstag des schwarzen US-Musikers, der allerdings schon seinen 45. nicht mehr feiern konnte. Denn er starb auf ziemlich tragische Art und Weise einen Tag zuvor – heute vor 30 Jahren.
"Vater, es braucht nicht eskalieren zwischen uns / Krieg ist nicht die Antwort, nur Liebe kann Hass überwinden".
Was Marvin Gaye im Titelsong "What's Going On" zum wohl wichtigsten Soul-Album aller Zeiten singt, das ist aus den Vietnam-Kriegs-Erfahrungen seines Bruders gespeist, aber auch aus der eigenen persönlichen Familiengeschichte: Der Vater hat ihn in der Kindheit immer wieder geschlagen – und 13 Jahre nach diesem Song erschossen.
Am aktuellsten recherchiert sind die Geschehnisse heute vor 40 Jahren in einer Dokumentation des US-Fernseh-Netzwerkes TV One. Da äußerst sich etwa Marvin Gayes Schwester Zeola Gaye:
"Mein Vater saß draußen auf einer Bank, ich fragte ihn: Was ist passiert? Warum hast du ihn erschossen? Und er sah mich an und sagte: Ich war verängstigt."
Streit zwischen den Eltern eskaliert
Aber wie kommt es zu diesem Familiendrama? Marvin Gaye hat schon lange Drogenprobleme – und gerade seinen vierten Selbstmordversuch hinter sich. An diesem 1. April 1984 in Los Angeles ist er – mal wieder - Zeuge eines heftigen Streits seiner Eltern. Der damals 44-Jährige steht der Mutter gegen den immer lauteren Vater bei, schlägt und tritt schließlich brutal zu, geht in sein Zimmer zurück. Wo kurz darauf Marvin Gaye Senior mit Pistole auftaucht. Ein Schuss in die Brust, ein zweiter - Marvin Gaye Junior ist sofort tot.
In seinem Körper werden illegale Substanzen gefunden. Der Prozess gegen den Vater wird zunächst wegen dessen Gehirntumor unterbrochen. Dann wird er wegen Totschlags nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Manche meinen bis heute, Marvin Gaye Junior habe den Senior zum Schießen bringen wollen, weil er es selbst nicht geschafft hätte.
Eine Familientragödie, die die USA und die Musikwelt in Schock versetzt. Paul Riser hat lange in der Band des Soulsängers gespielt.
"Als wir von Marvins Tod hörten, stoppte jeder wie eingefroren, so ein Schock war das. Er war so ein großartiger Mensch."
Nur eben mit tiefen persönlichen Abgründen in der Seele dieser Pop-Ikone, dieses Königs des schmachtenden Soulsongs, dem zwei Jahre zuvor noch einmal ein echter Welthit gelungen war:
Über 10.000 Menschen kommen zur Trauerfeier
Der tragische Tod ereilt Marvin Gaye einen Tag vor seinem 45. Geburtstag. Über 10.000 Menschen kommen zur Trauerfeier. Unter den Grabrednern sind Sängerkollegen wie Smokey Robinson und Stevie Wonder:
"Die Seele seiner Musik ist mit uns."
Und diese Seele lebt bis heute nicht nur in der Soulmusik weiter. Und auch wenn Marvin Gaye nie in erster Linie ein politischer Aktivist ist: Er macht den Soulmusiker in seiner Plattenfirma, der Hit-Schmiede Motown Records, zum autonomen, auch zum politischen Künstler. Vor allem sein Meisterwerk "What's going on" wird nicht nur zum schwarzen Gegenstück des Sgt. Pepper’s-Albums der Beatles. Die 1971 produzierte Platte spiegelt die sozialen Zustände in den USA: Drogenalltag, Rassenhass, politische Korruption und Umweltzerstörung gehören zu den Themen des Komponisten und Pianisten, der vielen vor allem als sanfter Schmusesoul-Sänger in Erinnerung ist. Musiker-Kollegin Sheila E. meint:
"Die Leute reden nicht mehr über diese Tragödie, sondern über seine Musik, um die geht es doch. Damit hat er unsere Leben bereichert, er hat uns mit seiner Musik gesegnet."
Mehr zum Thema